Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern. So steht es in der Gemeindeordnung Baden-Württemberg. Und nicht selten verläuft die Diskussion im internen Kreis der Stadträte durchaus anders als im öffentlichen Rahmen.

Dem gemeinen Beobachter der monatlichen Gemeinderatssitzungen bleibt dieser Einblick verwehrt, doch manchmal klingt die nichtöffentliche Debatte auch in der öffentlichen Sitzung durch. Jüngst war es Richard Atkinson (FDP), eigentlich zur Verschwiegenheit verpflichtet, der sich über die Diskrepanz mancher Aussagen seiner Ratskollegen ärgerte, je nachdem, ob Publikum anwesend war oder eben nicht.

Konkret ging es um den Contracting-Vertrag mit der Firma Engie über die energetische Sanierung der Ratoldusschule. Diesen hätte die Stadt Radolfzell gerne abgeschlossen, doch das Regierungspräsidium Freiburg hat ein Veto eingelegt. Nun will die Stadt doch zumindest teilweise einen Contracting-Vertrag in einer abgespeckten Form realisieren und nimmt dafür Geld, dass eigentlich für die Sanierung der Litzelhardthalle eingeplant war, in die Hand.

Nur ärgerlich, oder wird da etwas verschleiert?

Während Siegfried Lehmann (FGL) das Vorgehen „ärgerlich“ befand, dass das RP die rechtliche Genehmigung „so kleinlich“ handhabe, meldete sich Atkinson mit einem ganz anderen Redebeitrag zu Wort. Er finde es nicht richtig, dass die eigentliche Diskussion über den Contracting-Vertrag nur nichtöffentlich behandelt wurde. So werde einiges „verschleiert“, wie er befand.

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Groß weiterreden konnte er allerdings nicht, denn Oberbürgermeister Simon Gröger drehte ihm kurzerhand das Mikrofon ab und entzog ihm das Rederecht. Er erinnerte Atkinson an seine Verschwiegenheitspflicht. Nur der OB dürfe aus den nichtöffentlichen Sitzungen berichten. Und das hatte Gröger nicht vor.

Viel mehr gab er einen Abriss über die Projektentwicklung. Und wie es nun weitergehen soll. Um den geforderten Baukostenzuschuss für die Dachsanierung der Ratoldusschule in Höhe von 1,8 Millionen Euro leisten zu können, soll das Geld von der geplanten Sanierung der Litzelhardthalle umgeschichtet werden. Der Förderbescheid aus dem Programm Entwicklung Ländlicher Raum für die Sanierung der Liggeringer Halle ist im Frühjahr dieses Jahres negativ beschieden worden. Das Projekt verzögert sich ohnehin deswegen auf unbestimmte Zeit. Und die Firma Engie brauche endlich eine bindende Entscheidung der Stadt, wie es weitergehen solle, erklärt der OB.

Die Ratoldusschule soll energetisch saniert werden. Doch vom großen Plan mit vielen Maßnahmen blieben nur die Dachsanierung und eine ...
Die Ratoldusschule soll energetisch saniert werden. Doch vom großen Plan mit vielen Maßnahmen blieben nur die Dachsanierung und eine PV-Anlage übrig. | Bild: Jarausch, Gerald

Firma könnte Stadt verklagen

„Ein ziemlicher Batzen Geld für sehr wenig Leistung“, befand Atkinson abschließen, als er wieder an der Diskussion teilnehmen durfte. Doch ist die Stadt beim Thema Contracting ziemlich unter Zugzwang, wie der OB in einem kleinen Einschub deutlich machte. Dieser verriet auch, warum nichtöffentlich das Thema vermutlich nicht ganz so emotionslos diskutiert wurde und worauf Atkinson anspielen könnte: Tritt die Stadt Radolfzell vom Contracting-Vertrag zurück, könnte die Firma Engie klagen und Schadensersatz einfordern. Die Höhe der möglichen Summe sei unklar, so der OB.

Konzept hatte alle überzeugt

Verwaltung wie auch Gemeinderat waren in großen Teilen vom Konzept überzeugt. Mithilfe eines Energiespar-Contracting-Modells wollte man die Ratoldusschule energetisch sanieren. Die Investitionskosten beliefen sich auf rund 7 Millionen Euro über eine Vertragslaufzeit von 20 Jahren. Die Stadt sah darin eine Option, nicht nur die energetische Sanierung der städtischen Gebäude zu realisieren, sondern auch die Planungsleistungen aus dem Rathaus auszulagern.

Das RP hingegen befand die finanzielle Leistungsgrenze der Stadt Radolfzell für erreicht und genehmigte den Vertrag nicht. Der Gemeinderat beauftragte die Verwaltung, nochmals Gespräche mit dem RP und der Firma Engie zu führen und nach Lösungen zu suchen. Dies alles war im Dezember 2023. Danach wurde es still um das Projekt. Zumindest in der Öffentlichkeit.

Angelique Augenstein, Leiterin des Dezernats nachhaltige Stadtentwicklung und Mobilität, berichtete von den Gesprächen mit dem RP. Dieses sehe den Contracting-Vertrag als kreditähnliches Geschäft und könne eine Laufzeit von 20 Jahren nicht genehmigen. Die finanzielle Lage der Stadt lasse dies nicht zu. Das RP fürchte, die Stadt übernehme sich mit derart langfristigen Verpflichtungen.

Einer kürzeren Laufzeit von nur zehn Jahren habe aber der Vertragspartner nicht zugestimmt. Aus diesem Grund wurde die Form der Sanierung abgespeckt, sodass es keine umfassenden Projekte mehr sein sollten, sondern nur noch um die Dachsanierung und die Installation einer PV-Anlage gehe. Der Gemeinderat stimmte der Umschichtung des Geldes, um den Contracting-Vertrag zu erfüllen, zu. Es gab nur zwei Gegenstimmen und eine Enthaltung.