Der Spagat zwischen Wunsch und Machbarkeit war lange die größte Herausforderung des Gemeinderates, wenn es um die Finanzen einer Kommune geht. In der jüngsten Haushaltsberatung der Stadt Radolfzell und dem Radolfzeller Gemeinderat wurde allerdings klar: Viel wünschen kann man sich die nächsten Jahre nicht mehr. Die große Herausforderung wird es sein, die Pflichtaufgabe der Stadt überhaupt alle zu realisieren.

Dabei steht es Stand heute um die Finanzen der Stadt gar nicht mal so schlecht. Oberbürgermeister Simon Gröger zeigte sich in seiner Erklärung zum städtischen Haushalt zu Beginn einer mehrstündigen Sitzung im Milchwerk durchaus zufrieden.

Der Ergebnishaushalt sei ausgeglichen. Etwas, was Radolfzell seit Jahren nicht mehr und auch im Landkreis Konstanz nur wenige Kommunen in diesem Jahr geschafft hatten. Der erste Entwurf des Haushaltes sei noch von einem Minus von 6,8 Millionen Euro ausgegangen. Viele Sitzungen und Diskussionen später habe die Verwaltung einen Haushalt mit einem Plus von 400.000 Euro präsentieren können.

Rekordeinnahmen und sinkende Schulden

Positiv für die finanzielle Lage seien auch die Rekordeinnahmen bei der Gewerbesteuer, die von der Verwaltung auf 23,4 Millionen Euro berechnet werden. Alles in allem kann Radolfzell 29,1 Millionen Euro investieren, ohne neue Kredite aufnehmen zu müssen. Auch wird die Stadt einen Teil des Geldes für die Tilgung von Schulden einsetzen, sodass die Pro-Kopf-Verschuldung in der Stadt von 167 Euro auf 66 Euro sinkt.

Weitere Projekte

Auf dem Areal hinter dem ehemaligen Bauamt an der Güttingerstraße soll eine Flüchtlingsunterkunft errichtet werden. Zuletzt waren hier ...
Auf dem Areal hinter dem ehemaligen Bauamt an der Güttingerstraße soll eine Flüchtlingsunterkunft errichtet werden. Zuletzt waren hier Container platziert, in denen das Ordnungsamt untergebracht war. | Bild: Jarausch, Gerald

Der Haushalt soll realistisch umsetzbar sein

Was jedoch das Investitionsprogramm angeht, wolle man einen realistischen Haushalt verabschieden, wie OB Gröger betonte. Heißt: Nur so viele Projekte angehen, wie innerhalb der Verwaltung auch personell leistbar sind. Zu den großen Maßnahmen, die 2024 begonnen oder umgesetzt werden sollen, gehören der Umbau der Gemeindescheune Güttingen zu einem Dorfgemeinschaftshaus, die Sanierung der Litzelhardhalle in Liggeringen, diverse Erweiterungsbauten an Kindergärten in der Stadt wie die Aufstockung des Kindergartens Entdeckerkiste oder die Erweiterung des Kinderhaus Böhringen, und der Bau des Kunstrasenplatzes auf der Mettnau.

Ebenfalls möchte die Stadt in die Sanierung vom Straßennetz investieren und in den Radweg zwischen Radolfzell und Böhringen. Sporthallen, Kitas, Straßen, alles Pflichtaufgaben der Stadt, die Millionen kosten.

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Zu den Pflichtaufgaben gehört auch die Unterbringung von Geflüchteten. Radolfzell muss dringend Plätze für die Anschlussunterbringung schaffen. In 2024 wird für diesen Zweck ein Neubau in der Güttinger Straße hinter dem Gebäude errichtet, in dem das städtische Bauamt untergebracht war. Hier sollen Wohnungen für 60 geflüchtete Menschen entstehen, kosten soll das 2,3 Millionen Euro. Auch soll das ehemalige Veterinäramt in der Bahnhofstraße für diesen Zweck saniert werden. Die Kosten belaufen sich hier auf 200.000 Euro.

Ab 2026 geht nichts mehr ohne neue Schulden

All diese Maßnahmen sollen für das Jahr 2024 und die folgenden Jahre 23,8 Millionen Euro kosten. Doch schon sehr bald sind die Jahre, an denen man solch ein Investitionsprogramm ohne die Aufnahme von Krediten stemmen kann, vorbei. Spätestens ab 2026 kann die Stadt kein Projekt mehr ohne fremdes Geld auf den Weg bringen. Und dies führte bereits jetzt zu Diskussionen. Im Mittelpunkt wieder einmal die marode Turnhalle der Ratoldusschule.

Der Neubau der Turnhalle, den Schülerinnen und Schülern eigentlich fest versprochen, ist von Planungsstart 2026 auf das Jahr 2027 gerutscht. Ursprünglich war einmal ein Neubau in 2025 angepeilt. Der Grund für die Verzögerung sei zum einen die personelle Machbarkeit im Team Hochbau. Allein die Ausführung der Planung würde eine komplette Stelle binden, erklärte OB Gröger. Angelique Augenstein, Dezernatsleiterin, ergänzt: „Wir haben nur das eingetragen, was wir auch schaffen.“ Und auch dann würden neue, unvorhergesehene Aufgaben jeden sorgfältig gelegten Zeitplan torpedieren. Wie zum Beispiel die Anforderungen der Flüchtlingsunterbringung.

Stadt hat für Planung weder Zeit noch Geld

Hinzu käme der finanzielle Aspekt, dass die Stadt die Großinvestition von gut 11 Millionen Euro früher nicht aufbringen könne. Auch wolle man vermeiden, dass neben der Litzelhardhalle noch eine weitere Sporthalle wegen Bauarbeiten ausfalle. Deswegen habe man bei der Verwaltung die Regel aufgestellt, immer nur eine Turnhalle sanieren zu wollen. Die Markolfhalle sei fertig, jetzt gehe es erst an die Litzelhardhalle.

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Als Kompromiss der Verwaltung wurde nun dieses Projekt um ein Jahr vorgezogen, also Planungsstart in 2026 und Baubeginn in 2027. Dafür hatte OB Gröger der Hochbauabteilung eine weitere Stellenerhöhung versprochen, um die Sanierung der Litzelhardhalle auch stemmen zu können. Denn eigentlich hatte Gröger das große Vorhaben geäußert, in 2024 keine weiteren Stellen aufbauen zu müssen. Das ist ihm fast gelungen, neu im Stellenplan sind lediglich zwei Vollzeitstellen aufgeführt. Die Stadtverwaltung hat dann 507 Beschäftigte.