Das war kein leichter Einstieg für Simon Gröger in sein Amt als Oberbürgermeister der Stadt Radolfzell. Gleich in seiner ersten Gemeinderatssitzung sah er sich mit aufgebrachten Bürgern und einem motzigem Gemeinderat konfrontiert. Grund für den Unmut ist das neue Pflegeheim, welches aktuell auf der Mettnau gebaut wird.

Das neue Pflegeheim auf der Mettnau wird gerade gebaut. Doch noch immer gibt es Streit um die Finanzierung, weil dafür Grundstücke ...
Das neue Pflegeheim auf der Mettnau wird gerade gebaut. Doch noch immer gibt es Streit um die Finanzierung, weil dafür Grundstücke veräußert werden müssen. | Bild: Jarausch, Gerald

Eigentlich stand es gar nicht auf der umfangreichen Tagesordnung, doch zwei Mettnau-Bewohner nutzten die Bürgerfragestunde, um ihre Empörung über den Verkauf des Grundstücks neben dem Krankenhaus Luft zu machen. Und der neue OB im Amt ließ die beiden Herren länger reden, als es in der Vergangenheit bei der Bürgerfragestunde üblich war. Fehlende Gutachten und fehlende Transparenz bei der Beschlusslage wurden bemängelt. Man nehme dem Krankenhaus jede Entwicklungsmöglichkeit. Außerdem hätten sich Stadt und Gemeinderat nicht rechtzeitig um eine andere Finanzierungsmöglichkeit gekümmert, lauten die Vorwürfe.

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Wer Schuld an der Misere hat, ist zumindest für Thilo Sindlinger, Freie Grüne Liste, klar. Er ging mit Bürgermeisterin Monika Laule hart ins Gericht: „Ihnen sind die Baukosten davongelaufen“, warf er ihr vor. „Nun gibt es jede Menge Kollateralschäden und der Spitalfond muss sein Tafelsilber verkaufen“, so Sindlinger.

Der Verkauf ist alternativlos

Denn der Verkauf der Wiese ist für die Finanzierung des Pflegeheims alternativlos. Das Regierungspräsidium Freiburg verlangt vom Spitalfonds für die Finanzierung des Pflegeheims einen Eigenkapitalanteil von zwei Dritteln. Zwei Drittel von den bisher geplanten 19,3 Millionen Baukosten sind knapp 13 Millionen Euro. Um dieses Geld aufbringen zu können, muss der Spitalfonds an die letzten Eigentumsreserven gehen.

Eine dieser Reserven ist das Grundstück neben dem Krankenhaus. Für Monika Laule ein ungeheuerlicher Vorwurf Sindlingers, den sie so nicht auf sich sitzen lassen wollte. „Da wir nicht wissen, wie die Kosten am Ende aussehen, können Sie so eine Behauptung nicht aufstellen, mir seien sie davongelaufen“, schoss Laule zurück. Die Baukosten basierten auf den Planungen des Architektenwettbewerbs.

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Dieser fand 2018 statt, damals berechneten die Architekten Baukosten von 14 Millionen Euro. Drei Jahre später sind es schon rund fünf Millionen Euro mehr, die der Neubau kosten wird. Für Siegfried Lehmann (FGL) könnte für die Stadt wegen der allgemein rasant steigenden Baukosten so allerdings eine neue kritische Situation entstehen. „Noch haben wir keine Endabrechnung, aber nach den Verkäufen der Grundstücke auch keine Rücklagen mehr“, sagte er.

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Unumstößlich optimistisch zeigte sich Christof Stadler (CDU), der die Hoffnung hatte, der neue OB könne nicht nur in Radolfzell für frischen Wind sorgen, sondern auch beim Regierungspräsidium Freiburg einen Sinneswandel herbeiführen. „Vielleicht kann der neue OB ja noch einmal beim RP vorstellig werden und über die Eigenkapitalquote reden“, sagte Stadler. Jürgen Keck, Fraktionssprecher der FDP, sah darin keinen Sinn mehr. „Es tut weh, es schmerzt, aber was bringt es, noch einmal beim RP nachzuhaken? Wir sind schon zwei Jahre drüber, wir müssten längst fertig sein“, sagte Keck.

Lumbe fühlt sich falsch verstanden

Norbert Lumbe, Fraktionssprecher der SPD, knabberte noch am Vorwurf aus der Bürgerschaft. „Bei den Bürgern entsteht der Eindruck, wir hätten nicht ernsthaft genug gearbeitet“, sagte er. Dabei habe man jede Entscheidung wohl überlegt und oft auch selbst mit schwerem Herzen getroffen. Die plötzliche Aufregung sei für ihn nicht nachvollziehbar, jede Diskussion und jeder Beschluss dazu in den vergangenen Jahren sei öffentlich geführt und gefällt worden.