Zirka 20 Prozent der Grundschüler können nicht schwimmen. Das ergab eine bundesweite Umfrage der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft aus dem Jahr 2022. Schon eine Weile her, aber diese Zahlen haben sich laut der Studie innerhalb von fünf Jahren verdoppelt. Auch Henrik Sauer, Leiter des städtischen Ferienbetreuungsangebots Ferienfreizeit ist aufgefallen, dass Kinder den Gang ins Wasser meiden, Ausreden suchen und Freizeitangebote am Wasser nicht stark nachgefragt sind. Und das, obwohl Eltern in den Formularen angekreuzt haben, ihr Kind könne bereits schwimmen. „Das hat mich gewundert, warum man hier den See als Freizeitmöglichkeit nicht wahrnimmt“, so Sauer.

Die Erklärung war so simpel wie beunruhigend: Einige Kinder können nicht sicher schwimmen, sind ängstlich oder den Gang ins Wasser gar nicht gewohnt. Da die Fähigkeit zu schwimmen für Henrik Sauer neben dem offensichtlichen Sicherheitsaspekt auch ein wichtiger Baustein der Teilhabe ist, hat er für die diesjährige Ferienfreizeit mit viel Aufwand einen zweiwöchigen Schwimmkurs für 20 Radolfzeller Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren organisiert. In Zusammenarbeit mit dem Konstanzer Schwimmclub Sparta werden die Kinder im Schwaketenbad von professionellen Schwimmlehrerinnen des Vereins unterrichtet.

Das könnte Sie auch interessieren

Schwimmclub Sparta als engagierter Kooperationspartner

Es sei nicht so leicht gewesen, Zeiten im Konstanzer Schwaketenbad zu bekommen, erklärt Sauer. Einfacher sei die Suche nach Kooperationspartnern gelaufen. Der Schwimmclub Sparta habe sofort zugesagt. Vorsitzende Ursula Klaußner sieht es als einen der wichtigsten Vereinszwecke, Kindern das Schwimmen beizubringen. „Alle Kinder am See sollten Schwimmen lernen“, so ihre Überzeugung. Der Schwimmclub Sparta mit 1200 Mitgliedern ist ein reiner Schwimmverein, angeboten wird nur Schwimmen und Wasserball.

Das Schwaketenbad wurde 2022 eröffnet, nachdem der Vorgängerbau abgebrannt ist.
Das Schwaketenbad wurde 2022 eröffnet, nachdem der Vorgängerbau abgebrannt ist. | Bild: Bädergesellschaft Konstanz

Hoher Aufwand, nach Konstanz zu fahren

Der Aufwand, den Kindern den Schwimmkurs zu ermöglichen, ist beachtlich, erklärt Henrik Sauer. Die Ferienzeit-Kinder würden morgens zur Betreuung in die Teggingerschule kommen, dann gehe es mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Konstanz ins Schwaketenbad. Dort gebe es dann 45 Minuten Schwimmunterricht. Danach fahre die Gruppe zurück nach Radolfzell, dort warte ein gemeinsames Mittagessen. Eltern könnten ihre Kinder danach oder später am Nachmittag abholen, wenn die Kinder noch etwas gespielt haben.

Das könnte Sie auch interessieren

Henrik Sauer macht aber auch klar: „Was wir anbieten, muss im Grunde jede Familie leisten, damit ihr Kind schwimmen lernt.“ In Radolfzell gebe es kein Bad, Schwimmkurse in einem Becken seien immer mit Fahrerei und Warterei für Eltern verbunden, so Sauer.

Eltern müssen auch ihren Beitrag leisten

Doch auch auf die Eltern komme es an, so Ursula Klaußner. „Das Interesse muss schon bei den Eltern da sein“, sagt sie. Gerade die Gewöhnung ans Wasser könne man gut zu Hause üben. Manche Kinder könnten nicht einmal richtig duschen, geschweige denn tauchen. Auch sei zu beobachten, dass vor allem Kinder mit Migrationshintergrund schlechter schwimmen könnten. Für Klaußner wenig überraschend: „Wenn sie aus Gegenden kommen, in denen es schlicht kein Wasser gibt, woher sollen sie oder ihre Eltern es können?“, fragt sie. Auch diese Kinder gelte es abzuholen.

Den Corona-Knick am Schwimmunterricht habe man laut der ehrenamtlichen Schwimmtrainerin wieder aufgeholt. Aber es fehle an Bädern und Übungszeiten. Seit dem Ukraine-Krieg und der Gas-Krise seien viele private Schwimmflächen für das Ehrenamt weggefallen, so Klaußner. Die Betreiber, Hotels oder Reha-Einrichtungen, hätten aus Kostengründen eine öffentliche Nutzung eingeschränkt.

Bürgerstiftung und private Spenderin helfen mit

Finanziell wird das Projekt unterstützt durch die Radolfzeller Bürgerstiftung, die Abteilung Integration der Stadt Radolfzell sowie eine private Spende von Bürgermeisterin Monika Laule. So können stark reduzierte Teilnahmekosten für Inhaber der Zeller Karte angeboten werden. Regulär ist der zweiwöchige Schwimmkurs mit 280 Euro pro Person beziffert, mit der Zeller Karte zahlen Teilnehmende nur 61,50 Euro.

Die Bürgerstiftung hat das Sponsoring von sieben Kindern komplett übernommen. „Wir unterstützen alles, was mit Schwimmen zu tun hat“, sagt Stiftungsvorstand Jo Strate.

Das könnte Sie auch interessieren

Die geringe Verfügbarkeit von Bädern sei ein Problem in Radolfzell. Vor zwei Jahren hatte die Stadtverwaltung durchrechnen lassen, was der Bau einer Turnhalle mit Schwimmbecken an der Ratoldusschule kosten würde und den Plan verworfen. Berechnet wurden 13,5 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Markolfhalle hat 11,7 Millionen Euro gekostet. Vor allem die laufenden Kosten im Millionenbereich ließen den Gemeinderat damals gegen ein Lehrschwimmbecken stimmen.

Schwimmen lernen im See ist laut Ursula Klaußner übrigens keine Alternative: Hier brauche es einen Betreuungsschlüssel von einem Schwimmlehrenden zu einem Kind.