Langanhaltende Regenfälle, sinkende Temperaturen und Sonne als Mangelware – der Sommer hat in der Region zuletzt vor allem Abkühlung gebracht, bevor nun die Temperaturen wieder steigen. Doch der Blick auf die generelle Klimaentwicklung in Deutschland sieht anders aus: Wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) berichtet, gibt es mittlerweile „eine deutliche Zunahme extrem hoher Temperaturen“. Er rechnet zudem künftig mit einer mehr heißen und weniger kühlen Tagen.

Das ist ein Thema, das auch Radolfzell beschäftigt. Vor allem auf versiegelten Flächen steigen die Temperaturen im Sommer rasch an, ein Hitze-Check des SÜDKURIER ergab 2024 zum Teil mehr als 50 Grad Celsius.

Dass besonders stark versiegelte Flächen zu besonders viel Hitze führen, beweist auch die Stadtklimaanalyse, die bereits 2021 vorgestellt wurde. Wie damals berichtet wurde, besteht eine hohe Wärmebelastung in Radolfzell in weiten Teilen der Innenstadt und den zentralen Bereichen der meisten Stadtteile. Doch wie lässt sich das verbessern und was wird dafür bereits getan?

Eine Anfrage bei der Stadtverwaltung zeigt: Statt Klimaanlagen sollen vor allem Pflanzen helfen. Allerdings handelt es sich bei vielen Möglichkeiten erst einmal vor allem um genau das, eine Möglichkeit. Denn eine Umsetzung steht oftmals noch nicht an oder ist nicht so einfach.

Pocket-Park soll das Klima verbessern

In der Stadtklimaanalyse wird so auf eine ausreichende Durchlüftung hingewiesen, für die zum Beispiel Belüftungsschneisen in der Stadt geschaffen und Siedlungsränder offen gestaltet werden sollen. Doch es gibt noch mehr Möglichkeiten, wie Angelique Augenstein, Leiterin des Dezernats für nachhaltige Stadtentwicklung und Mobilität, erklärt. Denn auf Grundlage der Stadtklimaanalyse sei ein Grünraumkonzept erstellt worden. Das gibt weitere Möglichkeiten vor.

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Erwähnt werden zum Beispiel Pocket-Parks, die auf ungenutzten oder brachliegenden Freiflächen und Baulücken temporär oder langfristig geschaffen werden und für Abkühlung sorgen können. „Wir versuchen, da auch zu entsiegeln“, erklärt Augenstein. Genau ein solcher Pocket-Park soll neben dem Mühlbach-Center entstehen, schon seit 2024 arbeitet die Stadt an dem Projekt. Nach der Sommerpause sei der Spatenstich geplant, dann geht es an die Umsetzung.

Doch der Miniatur-Park wird teuer: Kosten soll der Pocket-Park laut Beschluss des Ausschusses rund 303.670 Euro. Vom Land kommen immerhin 182.000 Euro Fördergelder. 

„Wir planen in Baugebieten immer eine Durchgrünung“

Außerdem werde zum Beispiel bei der Ausweisung neuer Baugebiete oder bei Bauvorhaben auf eine Klimaverträglichkeit geachtet. „Wir planen in Baugebieten immer eine Durchgrünung“, nennt Augenstein ein Beispiel. Und beim Baugebiet Hübschäcker werde auf die Versickerung des Regenwassers geachtet, was bei Starkregen Überflutungen vermeiden und das Stadtklima durch Verdunstung verbessern kann. Aber: „Wir müssen oft Kompromisse machen, damit Investoren mit ihren Projekten in die Umsetzung gehen.“

Was kann Radolfzell gegen Hitze tun? Darüber berichten (von links) Margit Klauza in Vertretung für Olesja Hepting, Angelique Augenstein, ...
Was kann Radolfzell gegen Hitze tun? Darüber berichten (von links) Margit Klauza in Vertretung für Olesja Hepting, Angelique Augenstein, Leiterin des Dezernats für Nachhaltige Stadtentwicklung und Mobilität sowie Laura Poschenrieder in Vertretung für Wolfgang Keller. | Bild: Marinovic, Laura

Auch bei der nach und nach geplanten energetischen Sanierung der kommunalen Gebäude werde Hitzeschutz mitgedacht, erklärt Angelique Augenstein. Und im Rahmen der geplanten Umgestaltung der Schulhöfe in Radolfzell und den Ortsteilen werde explizit auf Begrünung und Beschattung geachtet.

Baumpflanzungen sind nicht leicht – und teuer

Dabei spielen Bäume eine wichtige Rolle, laut Grünraumkonzept können Tageshöchsttemperaturen unter Baumgruppen um fünf Grad kühler ausfallen als über offenem Gelände. Und die Lufttemperatur in Wohngebieten mit ausgewachsenen Bäumen könnte zwei bis drei Grad kühler sein als in Baugebieten ohne Bäume. „Daher sind Baumbestände konsequent zu schützen und der Baumbestand im Stadtgebiet weiterzuentwickeln“, so die Empfehlung in dem Konzept.

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Wie Laura Poschenrieder von der Stadtverwaltung berichtet, beschäftigt das Thema die Stadtverwaltung. Doch es gibt ein Problem, denn so einfach umzusetzen sind Baumpflanzungen nicht. Die Schwierigkeit sei, dass die entsprechenden Quartiere überhaupt erst baumverträglich sein müssen. „Hitze und Trockenheit wirken sich bei jungen Bäumen deutlich stärker aus“, erklärt sie. Ohne entsprechende Voraussetzungen sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein frisch gepflanzter Baum einfach abstirbt.

Um das zu verhindern, müsse erst einmal ein entsprechender Untergrund hergestellt werden – und das sei teuer. „Pro Baum plus Baumquartier sind wir mittlerweile bei einem mittleren, bisweilen auch hohen vierstelligen Betrag“, betont Poschenrieder. „Wir sind da dran, wir tun das auch, aber es will wohlüberlegt sein.“

Schneller umgesetzt werden könnten zum Beispiel Trinkbrunnen, so Augenstein. Am Skateplatz solle ein solcher neu eingerichtet werden. Auch Sonnensegel über Spielplätzen seien eine Möglichkeit.

Pilotprojekte vorgeschlagen

Das Grünraumkonzept schlägt aber neben dem Pocket-Park am Mühlbach-Center auch weitere konkrete Pilotprojekte vor, etwa eine Beschattung durch Pflanzen hinter der Burg, eine starke Begrünung des Seetorplatzes oder eine Verbesserung des Zugangs zum Mühlbach zwischen der Robert-Gerwig-Straße und der Böhringer Straße. Konkrete Pläne gibt es jedoch nicht, Angelique Augenstein gibt auch zu bedenken, dass eine Entsiegelung oder Bepflanzung am Seetorplatz aufgrund von dort stattfindenden Veranstaltungen schwierig sei.

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Außerdem weist sie bei allen möglichen Maßnahmen in der Stadt darauf hin, dass diese immer auch personell und finanziell umsetzbar sein müssen. „Man muss schauen, welche Maßnahmen man ergreifen kann“, betont sie.