Das Opfer ist ein großes. Und die Kritik daran will nicht verstummen. Das Opfer lässt sich exakt bemessen, es sind 3115 Quadratmeter. Das Grundstück liegt versteckt im Eck des Krankenhausgartens hinter dem Versorgungsamt auf der Mettnau in Radolfzell, auf der Wiese stehen 60 Bäume. Ein Kleinod, das nicht viele kennen: Das Personal des Krankenhauses, die hier eine kurze Pause in der Sonne machen, oder die Mitarbeiter des Versorgungsamts, die auf der Rückseite ihres Gebäudes ihr Büro haben.

Wohnbebauung auf der Wiese

Nun muss die Eigentümerin, die Stiftung Spitalfonds Radolfzell, das Grundstück zu Geld machen. Sonst kann die Stiftung den Neubau des Pflegeheims an der anderen Seite des Krankenhauses auf dem Grundstück des ehemaligen Schwesternwohnheims nicht bezahlen. Damit das Grundstück genügend Geld, also die einkalkulierten drei Millionen Euro, einbringt, hat die Verwaltung im Gemeinderatsausschuss Planung, Umwelt und Technik den Entwurf für eine Bebauungsplanänderung eingebracht. Der Ausschuss hat das bei einer Gegenstimme auch so beschlossen mit dem Ziel, dort eine Wohnbebauung zu ermöglichen und damit das neue Pflegeheim zu finanzieren.

Es geht ans Tafelsilber

Genau darum geht‘s: Das Regierungspräsidium Freiburg hat als Fachaufsichtsbehörde dem Spitalfonds mit Verweis auf das Stiftungsrecht aufgetragen, zwei Drittel der Baukosten für das neue Pflegeheim aus Eigenkapitalmitteln zu finanzieren. Zwei Drittel von etwa 19,3 Millionen Baukosten sind knapp 13 Millionen Euro Eigenkapitalquote. Dafür muss die Stiftung ihr Tafelsilber verkaufen. Das Tafelsilber sind Grundstücke: Wald hat die Stadt Singen gekauft, auf der Weinburg werden Baugrundstücke verkauft, das Haus Seestraße 44 ist bereits für eine Million Euro verkauft worden, die Gebäude Poststraße 15, in denen das Pflegeheim Heilig Geist noch untergebracht ist, soll vor oder nach dem Umzug auf die Mettnau verkauft werden.

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Das alles ist bekannt und seit Anfang des Jahres endgültig beschlossen. Bekannt ist auch, dass der Stadt die Mittel fehlen dürften, die Poststraße 15 oder das Grundstück auf der Mettnau zu kaufen, weil die Gewerbesteuer-Einnahmen wegen Corona zurückgegangen sind. Doch die konkrete Umsetzung dieser Beschlüsse sorgt immer wieder für Erstaunen und ein erneutes Lamento unter den Stadträten. So hat Susann Göhler-Krekosch (SPD) im Stiftungsausschuss zum Verkauf der Krankenhauswiese erklärt: „Ich habe dem zu keiner Zeit zugestimmt.“ Einen Verkauf ohne Sozialbindung, etwa dem Bau von Personalwohnungen für Krankenhaus oder Pflegeheim, könne sie nicht befürworten. Martina Gleich (CDU) assistierte: „Ich will nicht in der Vergangenheit graben, aber wir sind alle nicht glücklich über die Verkäufe.“

Darlehen sind keine Alternative

Sozialbürgermeisterin Monika Laule verwies auf die Beschlusslage. Es sei nicht daran zu rütteln, dass die Stiftung zwei Drittel Eigenkapital für den Bau des Pflegeheimneubaus aufbringen müsse. Eine höhere Darlehensquote sei stiftungsrechtlich trotz der günstigen Zinsen nicht machbar. Das habe das Regierungspräsidium mehrfach erläutert. „Wir müssen jetzt die Beschlüsse auch umsetzen“, forderte Bürgermeisterin Laule.

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Ihr zur Seite sprang FDP-Stadtrat Jürgen Keck. Er knöpfte sich die Kollegen im Stiftungsausschuss vor: „Das Thema Pflegeheim dreht sich hier immer nur im Kreis.“ An Susann Göhler-Krekosch gerichtet, bemerkte er: „Unseren sozialen Auftrag erfüllen wir mit dem Neubau des Pflegeheims, die Menschen warten darauf, dass sie ihre Angehörigen anständig unterbringen können.“ Das Finanzierungsproblem sei hausgemacht, weil man sich zu spät für das Projekt entschieden habe. Seit 2009 wisse man, dass die Einzelzimmerunterbringung in Pflegeheimen zum 1. September Jahr 2019 gesetzlich vorgeschrieben sei. Zum Ende dieser Frist lag der Radolfzeller Bauantrag noch nicht einmal in Freiburg vor. Im Heilig-Geist-Spital in der Innenstadt würden immer noch die Zweibett-Zimmer belegt, erst im neuen Gebäude sei die Einzelzimmerunterbringung gewährleistet, so der Stadtrat: „Wir müssen endlich das neue Pflegeheim fertigbringen, die Stiftung darf nicht in ihrem Fortbestand gefährdet werden“, sagte Keck.