Schon nach wenigen Minuten wurde deutlich, dass es eines gewissen Mutes der SPD-Gemeinderatsfraktion bedurfte. Sie begab sich quasi in die Höhle des Löwen und bekannte sich zum Bebauungsplanentwurf „Rauensteinstraße Ost“ ebendort. Der Gemeinderat hatte sich zuletzt mit nur einer Stimme Mehrheit dafür entschieden, die SPD war geschlossen dafür. In erster Linie um hier auf städtischem Grund den viel beschworenen „bezahlbaren Wohnraum“ zu schaffen, der hier aus Sicht der SPD aufgrund des städtischen Grundeigentums relativ schnell und verlässlich möglich sei. Es sei hier kein „SPD-Baugebiet“ geplant, betonte Fraktionssprecher Rainer Röver, sondern ein Baugebiet der Stadt „für Menschen, die hier wohnen und arbeiten“.

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Röver nahm für sich und seine Ratskollegen in Anspruch, eine sorgfältige Abwägung der widerstreitenden Interessen Naturschutz und Naherholung auf der einen Seite und einem Wohnraumbedarf getroffen zu haben. „Sie werden überall jemanden finden, der dagegen ist“, reagierte er auf alternative Vorschläge. Für das Telekomgelände gebe es bereits eine Baugenehmigung, südlich Härlen und im Randbereich des Kramer-Areals könne die Stadt selbst planen, hielt Kristin Müller-Hausser entgegen, die frühere Stadträtin der BÜB+. „Wie teuer wird es sein? Und wer wird der Bauträger sein?“ fragte sie. Dies könne heute niemand vorhersagen, antwortete Röver.

Der ehemalige Stadtrat Oswald Burger (SPD) erläutert Kritikern die Planung.
Der ehemalige Stadtrat Oswald Burger (SPD) erläutert Kritikern die Planung. | Bild: Hanspeter Walter

Schon nach den ersten Wortmeldungen ging es schnell emotional zur Sache, obwohl die SPD auf Sachlichkeit gedrängt hatte. Röver sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass er in einer Stellungnahme, die im SÜDKURIER abgedruckt wurde, das Demokratieverständnis einer Leserbriefschreiberin in Frage gestellt habe. Deisendorfs Ortsvorsteherin Karin Müller zitierte dagegen einen Vertreter der Bürgerinitiative: „Mir wurde gesagt, man könne das Deisendorfer Dorffest nicht mehr besuchen, wenn wir den Rauensteinern das Leben zur Hölle machen.“ Die Sozialdemokraten kritisierten zudem, dass angeblich Vertreter der Bürgerinitiative in Kindergärten die Eltern vor einem Verlust des Schlittenhangs gewarnt hätten.

Bild 2: Emotionale Diskussion um Baugebiet Rauenstein Ost
Bild: Hanspeter Walter

Mit Luftballons Bebauung markiert

Dass der Hang selbst nicht in Gefahr ist, hatten die SPD-Vertreter zuvor mit Luftballons markiert. Dabei wurde sichtbar, dass ein beträchtlicher Teil der unteren Wiese zumindest in das Plangebiet einbezogen ist. Claudia Wiethaler vom Naturschutzbund, die an der Entstehung des Landschaftsparks vor rund 25 Jahren beteiligt gewesen war, hob auf den besonderen ökologischen Wert des Gebiets ab. Selbst der Bereich der Schrebergärten im aktuellen Zustand sei ein Dorado für Schmetterlinge und mehr Biodiversität.

„Ein einmaliger Blick wird zerstört“: Wolfgang Sterkel ging in Überlingen zur Schule und lebt jetzt im Saarland.
„Ein einmaliger Blick wird zerstört“: Wolfgang Sterkel ging in Überlingen zur Schule und lebt jetzt im Saarland. | Bild: Hanspeter Walter

Unterschiedliche Positionen gab es zum Leerstand von Wohnungen in der Stadt. In diesem Zusammenhang wünschte sich Bernhard Bueb, der Schirmherr der Bürgerinitiative ist, ein aktuelles Gutachten zu den Zahlen. „Warum geben Sie das nicht in Auftrag?“ Für SPD-Stadträtin Kirsten Stüble reichen die aktuellen Erkenntnisse, vor allem die eigenen Erfahrungen an Wahlkampfständen. „An jedem Termin kamen zwischen fünf und zehn Familien, die händeringend nach Wohnungen suchten. Da brauche ich kein neues Gutachten.“

Auch dafür gab es Beifall. Viel stärker vertreten waren allerdings die Kritiker jeglicher Bebauung an dieser Stelle. Mehrere Stimmen verwiesen auf den vermeintlichen Leerstand an Wohnraum, um den man sich doch vorrangig bemühen solle. Mehrere Stimmen stellten den vorgebrachten Bedarf am sogenannten „bezahlbaren Wohnraum“ überhaupt in Frage, andere zogen in Zweifel, ob das ehrenwerte Ziel an dieser Stelle ökonomisch überhaupt erreicht werden könne.

Claudia Kindermann (ganz links) wehrt sich gegen die Bebauung, wohnt allerdings selbst in exponierter Lage. In der Mitte Bernhard Bueb, ...
Claudia Kindermann (ganz links) wehrt sich gegen die Bebauung, wohnt allerdings selbst in exponierter Lage. In der Mitte Bernhard Bueb, Schirmherr der Bürgerinitiative. | Bild: Hanspeter Walter

Nur zu einem Teil waren es Anlieger aus dem Umfeld, die ihre Bedenken vorbrachten. Mit Wolfgang Sterkel war ein ehemaliger Überlinger vor Ort, der hier „das teuerste Grundstück in der Stadt“ sah: „Und diesen einmaligen Blick gibt es kein zweites Mal.“ Christine Rapp zeigte sich irritiert über das Argument von SPD-Stadtrat Michael Wilkendorf, die ehemalige Reitwiese bewusst in das Plangebiet aufgenommen zu haben, um den Bereich als Grünfläche festzuschreiben. Andere wunderten sich, dass hier im Entwurf Gebäude eingezeichnet seien.

Zwei Stadträte der anderen Fraktionen stärkten den Sozialdemokraten bei der Veranstaltung den Rücken. Durch bloße Präsenz Walter Sorms (LBU/Grüne), der als einziger seiner Fraktion für den Bebauungsplan gestimmt hatte und beim Ortstermin am Sonntag als einziger seiner Fraktion nun Flagge zeigte. Argumentativ in die Bresche warf sich bei dem Termin Franz Dichgans (CDU), der in seinem Plädoyer auf fehlenden Wohnraum für junge Familien hingewiesen hatte.