Geht ein Pfarrer in die Kneipe: Was sich wie der Anfang eines Witzes anhört, ist in Wahrheit gar keiner. Zumindest nicht im Hegau. Denn dort hat das Dekanat Hegau jüngst zum ersten Kneipengottesdienst eingeladen.
Und die Gottesdienstfeier, zu der Pfarrer Albert Striet in das Restaurant Le Ricard in Rielasingen geladen hat, sei bei allen gut angekommen, so Striet. Er zieht insgesamt ein durchweg positives Fazit der erstmals angebotenen Aktion. Denn das Interesse war groß: Er habe bereits eine Warteliste anlegen müssen, weil nicht alle, die wollten, Platz im Restaurant finden konnten. Unterstützt wurde er von der Band Spes aus der Pfarrei St. Elisabeth in der Seelsorgeeinheit Singen.
Die Idee ist neu im Hegau, aber nicht ganz neu für Pfarrer Striet. Er habe das Format bereits im ökumenischen Kleid mit einem evangelischen Kollegen während seiner Zeit in Karlsruhe verwirklicht, wie er im Nachgang gegenüber dem SÜDKURIER schildert. Auch im Hegau sei es laut dem Pfarrer nicht nur um geistige Nahrung gegangen. Speisen und Getränke standen auf den Tischen. Nach einer musikalischen Eröffnung und Grußworten des Zelebranten durfte auch weiterhin gegessen und getrunken werden. Das Le Ricard-Team habe vollen Einsatz leisten müssen. Aber auch das habe sehr gut funktioniert.
Nach einem Musikstück ergriff Pfarrer Striet das Wort und wandte sich in der Form eines Poetry Slam an die Gottesdienstbesucher. „Darin habe ich aus der Perspektive ‚Wenn ich Gott wäre‘ auf die Menschheit geschaut“, berichtet der Pfarrer. Nach weiteren musikalischen Untermalungen war es an der Zeit, die Teilnehmenden zum Mitmachen aufzufordern. Auf extra ausgelegten weißen Bierdeckeln konnten Fragen an den Pfarrer gerichtet werden. Diese wurden anschließend eingesammelt und nach vorne gebracht. Die Aufgabe lautete: „Was wolltet ihr einen katholischen Priester schon immer einmal fragen?“ Alle Anwesenden machten davon reichlich Gebrauch, berichtet Striet. Nahezu eine halbe Stunde habe er sich Zeit genommen, um Fragen der Anwesenden zu beantworteten. Das habe für Eindruck gesorgt.
Weiße Bierdeckel für die Gottesdienstbesucher
Was ein Pfarrer eigentlich in seiner Freizeit macht, wollten die Besucher wissen, oder ob er eine Freundin habe. Natürlich galt eine der Bierdeckelfragen beim Kneipengottesdienst auch einem naheliegenden Thema: Welches Bier dem Pfarrer wohl am besten schmecke? Da wollte er sich nicht genau festlegen, gestand aber, dass er regionale Sorten bevorzuge.
Aber auch ernste Themen wurden angeschnitten. Beispielsweise die Frage nach Frauen im Kirchendienst. „Wann dürfen auch die Frauen Priesterinnen werden?“, lautete die Frage auf einem der Bierdeckel: Dabei hat sich Pfarrer Striet schon längst zu dem Thema positioniert: „Wir sind als Christen kraft Taufe und Firmung legitimiert, das gilt auch für Frauen“, lautet der Leitsatz des Geistlichen. Das sollte sich irgendwann auch auf die Diakonats- und Priesterweihe anwenden lassen, gab sich Striet schon zu seiner Zeit vor dem Dienstantritt im Hegau überzeugt.
Viele Fragen an den katholischen Geistlichen
Noch ist es aber nicht so weit und die Kirche bietet auch bei anderen Themen Grund zum Zweifeln: Warum Gott bei aller Ungerechtigkeit wie Kriege, Not und Elend nicht eingreife, so eine Frage. Jemand anderes wollte wissen, was denn die krasseste Beichte gewesen sei, die er je gehört habe. Eine Frage, die er wegen des Beichtgeheimnisses nicht beantworten konnte.
Wie aber ist es für einen Pfarrer, der immer wieder weiterziehen muss? Pfarrer Striet, der seit wenigen Monaten im Hegau wirkt, sieht zwei Seiten: Schön sei es, immer wieder neue Menschen kennenzulernen – vor allem, wenn man so angenehm aufgenommen werde, wie hier im Hegau. „Ich fühle mich wohl“, sagt Striet. Aber ein bisschen Trauerarbeit sei auch immer dabei, wenn man Menschen und Projekte zurücklasse und manchmal die Ernte nicht selbst einfahren könne.
Die Neuauflage ist schon terminiert
Trotz der Lokalität in einem Restaurant und durchgehender Erlaubnis, zu essen und zu trinken, habe eine ruhige und aufmerksame Atmosphäre im Restaurant geherrscht. Abschließend beteten alle gemeinsam das „Vater unser“ und Striet erteilte den Segen.
„Aufgrund des Besucheransturms und einer langen Warteliste war dies zwar der erste Kneipengottesdienst im Hegau, aber bestimmt nicht der letzte“, kann Striet bereits die nächste Auflage ankündigen: Am Sonntag, 21. April, ruft er zur gemeinsamen Andacht im Ristorante Tre di Vino an der Masurenstraße in Singen.