Beispiele, bei denen der Amtsschimmel besonders laut wiehert, kennt Michael Klinger genug. Die Story vom Blumenverkaufsverbot am Muttertag 2008 hat er als Beweis für deutsche Bürokratie noch heute parat: Es begab sich, dass der Muttertag ausgerechnet auf Pfingstsonntag fiel. Also einen der höchsten kirchlichen Feiertage, an denen außer in Luftkurorten und anderen Touristenzentren ein striktes Ladenöffnungsverbot besteht. Doch was machen all die Kinder, die ihre Mütter mit einem Strauß frischer Blumen erfreuen wollen?

Michael Klinger hatte Verständnis für die Sorgen von Vätern und Söhnen, von Töchtern und Enkelinnen, die an diesem besonderen Tag mit leeren Händen vor Mütter, Ehefrauen und Großmütter treten mussten. Er erinnert sich, wie er den Blumenläden im Dorf eine Ausnahmegenehmigung erteilte.

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Landrat muss den Bürgermeister bremsen

Den Medien war diese Nachricht zunächst nur eine kurze Meldung wert. Doch die blieb nicht unentdeckt. Plötzlich war der Bürgermeister, der wegen ein paar Blumensträußen gegen Recht und Gesetz verstieß, in aller Munde. Der SÜDKURIER berichtete vom „Blumen-Rebell“. Michael Klinger muss auch heute noch schmunzeln, wenn er erzählt, welche Welle damals auf ihn zurollte. Das ZDF schickte ein Fernsehteam nach Gottmadingen, um einen Beitrag für das Heute-Journal zu drehen. Denn der Bürgermeister hatte sich von der Landesverfügung nicht einschüchtern lassen.

Ein Tag in der Geschichte: Vor 100 Jahren wurde erstmals der Muttertag begangen. Seither gilt es als nette Geste, der Mutter wie auf ...
Ein Tag in der Geschichte: Vor 100 Jahren wurde erstmals der Muttertag begangen. Seither gilt es als nette Geste, der Mutter wie auf diesem Archivbild aus den 1960er-Jahren Blumen zu überreichen. | Bild: DPA

„Ich hatte den Gemeinderat hinter mir“, erinnert sich Klinger. Man war sich einig, dass man für das Dorf in Grenznähe keine bessere Werbung bekommen konnte. Da nahm man die Anwaltskosten gerne auf sich. Klinger bemühte den Notstandsparagraphen. „Immerhin herrschte ein Blumennotstand“, schildert er mit breitem Grinsen. Doch das anwaltliche Schreiben half nichts. Das Land blieb bei seiner Haltung und wies den damaligen Landrat Frank Hämmerle an, den Gottmadingern den Blumenverkauf zu verbieten.

Blumen gab es dann trotz Verbot

„Wir hatten den Prozess im Eilverfahren verloren. Die Läden blieben zu“, sagt Klinger. „Blumen für die Mütter gab es trotzdem.“ Zusammen mit den Blumenhändlern verschenkte der Bürgermeister vor dem alten Gottmadinger Rathaus eine Stunde lang kleine Blumensträuße an die Bevölkerung.

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Durch die Fernsehbeiträge war Gottmadingen auf einmal in aller Munde. Klinger erinnert sich noch gut an die Dreharbeiten mit den Reporterteams. Einen ganzen Tag lang stand er für einen Beitrag von 30 Sekunden vor der Kamera und musste Blütenblätter aus Gerberas zupfen. Dabei ging es nicht um die Frage: Sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sondern um das Urteil des Verwaltungsgerichts.

„Eine Woche lang habe ich nichts anderes gemacht, als mich mit dem Blumenthema beschäftigt“, sagt er viele Jahre später. Für ihn habe es sich trotzdem gelohnt.

Dieser Artikel erschien erstmals im Mai 2023 und wurde aktualisiert.