Die Gänge der Haldenwang-Schule in Singen sind eng. Zwei oder drei Schüler können hier problemlos nebeneinander laufen, doch hier müssen auch zwei oder drei Schüler mit Behinderung samt ihrer Rollstühle oder anderer Hilfsmittel durch. Und spätestens wenn sie ihre Hilfsmittel vor dem Klassenzimmer abstellen wollen, wird der Platz knapp. So ist es an vielen Stellen in dem alten Schulgebäude, das vor 51 Jahren für 80 Schüler gebaut wurde. Laut Schulleiter Daniel Baerwind fehlen außerdem sechs Klassenzimmer. Und einige Räume im Untergeschoss sind seit Monaten wegen Brandschutzmängeln gesperrt.
Ein Rundgang durch die Schule für Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung braucht Zeit und eine gute Orientierung. Viele Gänge ziehen sich durch das einstöckige Gebäude. Zum Glück weisen die schnellen sicheren Schritte von Daniel Baerwind den Weg von seinem kleinen Büro bis zum Neubau aus dem Jahr 2001.

Hier und da wird er angehalten, weil an dieser Schule jeder jeden kennt. Die Brille eines Schülers wurde beschädigt, der Schulleiter soll helfen. Kaum sind die Tränen getrocknet, kann es weiter gehen. Im Neubau haben sie beinahe optimale Bedingungen, erklärt der Schulleiter, öffnet eine Tür und grüßt die Schüler, die dahinter unterrichtet werden.
Hoher Personalaufwand braucht Platz
Dabei sitzen nicht dutzende Schüler an ihren Plätzen und blicken auf eine Lehrerin an der Tafel. In diesem Klassenzimmer kommen sechs Schüler, zwei Lehrer, ein FSJ-ler und eine Schulbegleiterin zusammen. „Wir planen Unterricht für jeden einzelnen Schüler, deshalb haben wir auch so einen hohen Personalaufwand“, erklärt der Schulleiter. Der Lehrplan richtet sich nach dem sonderpädagogischen Bedarf.
Die Schüler brauchen wegen ihrer unterschiedlichen Krankheitsbilder weitere Unterstützung. „Die Hälfte unserer Schüler hat medizinische Hilfsmittel und für die haben wir keinen Platz“, sagt Baerwind. Selbst hier im Neubau führen solche Situationen dazu, dass dicht an dicht ein Rollstuhl neben einem Rollator oder einer Stehhilfe steht. Und das ist Alltag.

Bedarf hat sich seit Gründung 1968 geändert
Dieser Alltag sah vor 51 Jahren noch anders aus. Als die Haldenwang-Schule gebaut wurde, war sie für 80 geistig behinderte Schüler vorgesehen. „Das war eine der ganz frühen sonderpädagogischen Einrichtungen“, erklärt Baerwind. In der Zwischenzeit fehlen neben Klassenzimmern auch Differenzierungsräume, wo Schüler einzeln gefördert werden können, sowie eine größere Sporthalle und Stellplätze für die Hilfsmittel. Weil die Lagerräume knapp geworden sind, wurden zwischenzeitlich schon Umkleiden oder Toilettenräume umgenutzt. Jetzt lagert hier Lehrmaterial bis zum nächsten Einsatz. Auch Material gibt es an der Schule mehr als sonst: „Unseren Schülern hilft es, etwas tatsächlich zu begreifen.“
Umgestaltung, Aufstockung und Erweiterung werden geprüft
Eine zunehmende Schülerzahl mit all ihren Begleiterscheinungen bedeutet eine lange Aufgabenliste für das Landratsamt Konstanz, das als Schulträger zuständig ist. Laut Pressesprecherin Katrin Roth sei die Ausstattung gut, die räumliche Situation entspreche aber schon länger nicht mehr den Anforderungen. Das Landratsamt arbeite bereits daran, das zu ändern: „Neben den Möglichkeiten die bestehenden Räumlichkeiten umzugestalten, werden auch die Möglichkeiten einer Aufstockung sowie einer Erweiterung überprüft“, erklärt Roth auf SÜDKURIER-Anfrage.
Keller soll dieses Jahr wieder nutzbar sein
Auch ein Fluchtwegekonzept sei auf dem Weg. „Noch in diesem Jahr werden im Untergeschoss durch die Schaffung von Brandabschnitten und den Anbau einer Fluchttreppe die erforderlichen Flucht- und Rettungswege hergestellt“, teilt Roth mit. Sie erklärt: „Das Untergeschoss der Haldenwangschule war nie für eine schulische Nutzung vorgesehen.“ Dort gibt es laut Schulleiter Daniel Baerwind rund 540 Quadratmeter Fläche, die seit Oktober 2017 nur noch eingeschränkt benutzt werden dürfen, weil Mängel im Brandschutz festgestellt wurden. Seitdem ist der Theaterraum geschlossen, der Fitnessraum verwaist. Die Fläche darf nur noch als Lagerraum genutzt werden. Versammlungen und Auftritte finden nur noch im Pausenraum statt, Theater wird in der Sporthalle geprobt.

Container bieten vorerst ein Klassenzimmer
Wenn Baerwind sich etwas wünschen darf, dann ist das eine Sporthalle, die sich zum Veranstaltungsraum wandeln lässt. Erste Maßnahmen gab es bereits: Container sollten im September Abhilfe schaffen, das Landratsamt nutzte dafür übrige Container von der Robert-Gerwig-Schule in Singen. Baerwind ist es wichtig zu betonen, dass der Landkreis sich die Schule bereits Einiges kosten lasse. So hätten sie zum Beispiel ein Bewegungsbad, um dort mit spastisch beeinträchtigten Schülern zu arbeiten. Doch noch ist nicht klar, wann das Platzproblem gelöst wird.
Umbau ist seit 2016 ein Thema
„Pläne gibt es viele“, sagt der Schulleiter, seit April 2016 sei ein Umbau immer wieder Thema. „Wir warten schon zu lange.“ Pressesprecherin Katrin Roth kann nur einen groben Zeitplan nennen: Nach der Untersuchung der verschiedenen Varianten soll das Ergebnis den Gremien des Landkreises zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt werden. „Erst dann können ein Terminplan für die Ausführung festgelegt und konkrete Kosten benannt werden.“ Auf Nachfrage erklärt sie: „Voraussichtlich können die Ergebnisse der Untersuchungen Anfang 2020 in den Gremien beraten werden.“
Schule und ihre Helfer
- Die Haldenwang-Schule ist eine von zwei Schulen im Landkreis für Kinder und Jugendliche mit geistiger und körperlicher Behinderung. „Schüler sind in der Regel zwölf Jahre hier“, erklärt Schulleiter Dainiel Baerwind. Die Klassenstufen reichen von der Grund- bis zur Berufsschule. Wenn Schüler inklusiv an allgemeinen Schulen unterrichtet wurden, wechseln sie nach der neunten Klasse meist für die Berufsschule an die Haldenwang-Schule.
- 78 Lehrer geben an der Haldenwang-Schule rund 1300 Stunden pro Woche. In Singen besuchen 110 Schüler den Unterricht, organisatorisch ist die Haldenwang-Schule aber auch für weitere 25 Schüler in Außenklassen sowie 56 Inklusionsschüler zuständig. Die Lehrer werden unterstützt von 14 Jugendlichen, elf Schulbegleitern und fünf Krankenschwestern. Bei den Jugendlichen handelt es sich um Absolventen eines freiwilligen sozialen Jahres (FSJ). Freiwillige sind laut Baerwind stets willkommen und wichtiger Bestandteil im Schulalltag.