Nein, man möchte nicht mit Ruben Volk tauschen. Eben hat sich der Polizist mit dem graumelierten Bart einen Lederschutz über den rechten Arm gesteift, jetzt bezieht er hinter einem Verschlag Stellung. Lange warten muss Volk nicht, dann schießt Dakota heran. Von ihren Lefzen stäuben die Speicheltropfen, während die Deutsche Schäferhündin auf den Mann in der blauen Uniform zujagt.

Für Schutzhunde gilt: Wer den Schwanz einzieht, ist ungeeignet.
Für Schutzhunde gilt: Wer den Schwanz einzieht, ist ungeeignet. | Bild: Tesche, Sabine

„Polizeihunde dürfen keine Angst haben. Im Zweifelsfall müssen sie ihren Führer sogar gegen bewaffnete Angreifer verteidigen können“, erklärt Norbert Hekel, der die Szene hinter einem Zaun beobachtet. „Wir suchen deshalb nur Schutzhunde aus, die auch in einer gefährlichen Situation nicht den Schwanz einziehen“, ergänzt der erfahrene Hundeführer. Bei Dakota ist das offensichtlich der Fall.

Ein Reaktionstest für Dakota

Die Hündin hat sich wenige Zentimeter vor Ruben Volk aufgebaut, während sich ihr Herrchen Heiko Szorg von hinten nähert: „Platz!“ schallt es über die Wiese des Singener Vereins für Deutsche Schäferhunde. Sofort legt sich Dakota ab und hört auf zu bellen.

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Was dann folgt ist ein Test: Volk, der bei dieser Übung den Übeltäter mimt, kommt zunächst mit erhobenen Armen hinter dem Verschlag hervor, lässt diese dann aber schlagartig senken und rennt los. Ein Fluchtversuch, der zum Scheitern verurteilt ist. Ein einziger Satz genügt Dakota, um sich auf den Flüchtigen zu stürzen und sich in Volks Lederhandschuh festzubeißen. Mit einem „Aus!“, beendet Szorg die Übung.

Bei Dakota gibt es kein Entkommen Video: Schottmüller, Daniel

Als wüsste sie, dass sie den Reaktions-Test bestanden hat, wedelt Dakota mit dem Schwanz. Die beiden Polizisten geben ihr einen lobenden Klaps und gehen in gemütlichem Tempo zurück zu ihren Kollegen am Eingang des Übungsplatzes.

Die Übung auf dem Gelände des Vereins für Deutsche Schäferhunde ist beendet: Körpersprache und Tonfall der Polizisten signalisieren ...
Die Übung auf dem Gelände des Vereins für Deutsche Schäferhunde ist beendet: Körpersprache und Tonfall der Polizisten signalisieren Dakota, dass sie sich entspannen kann. | Bild: Tesche, Sabine

Wer den 23 Beamten der Polizeihundeführerstaffel zusieht, spürt schnell: Nicht nur die Tiere, auch ihre Halter lassen sich nicht so schnell einschüchtern. Auch nicht von der Geräuschkulisse auf dem Parkplatz, wo die anderen Hunde in Transportboxen mit wildem Gebell signalisieren, dass sie gerne als nächstes an der Reihe wären.

„Trainiert wird in der Regel jeder Hund einzeln“, sagt Norbert Hekel, dessen 45 Kilo schwerer Schäferhund im Hintergrund besonders lautstark auf sich aufmerksam macht.

Zwei unterschiedliche Rassen Diensthunde

„Es sind mehrere Rassen für den Polizeidienst geeignet, aber wir haben hier am Standort nur Belgische und Deutsche Schäferhunde im Einsatz“, erzählt der Singener Polizist, der schon seit 1971 im Dienst ist. Der Unterschied zwischen den erwähnten Rassen wird deutlich, als kurz darauf Andreas Padberg mit seiner Belgischen Schäferhündin Mapi das Gelände betritt.

Mapi weicht ihrem Herrchen Andreas Padberg nicht von der Seite.
Mapi weicht ihrem Herrchen Andreas Padberg nicht von der Seite. | Bild: Tesche, Sabine

Im Vergleich zu Dakota ist ihr Fell heller, der Körperbau etwas schmächtiger. Dafür ist die Hündin des stellvertretenden Staffelleiters extrem wendig, selbst eine knapp zwei Meter hohe Holzmauer überspringt Mapi mühelos. Dabei lässt sie ihr Herrchen nicht aus den Augen. „Hund und Führer müssen eine Einheit bilden“, erklärt

Padberg kurz darauf. Das scheint selbst auf emotionaler Ebene zu gelten. „Wenn ich entspannt bin, ist es der Hund auch“, erklärt der Polizist, der auch bei der heutigen Einheit Pistolengürtel und Sicherheitsweste nicht ablegt. „Wenn ich wiederum unter Adrenalin stehe, riecht und spürt das Tier das sofort.“ Diese Verbindung zwischen Hund und Führer kann lebensentscheidend sein. Denn wie Padberg schildert, sind sie in den meisten Fällen zu zweit unterwegs.

Im Zweifel mehr Macht als der Einsatzleiter

„Wenn wir Hundeführer zu einem Einsatz gerufen werden, haben wir das Recht zu entscheiden, ob und wie die Tiere eingesetzt werden.“ Egal, ob es sich – wie in der Vergangenheit schon vorgekommen – um eine Verfolgungsjagd auf verschneiten Waldwegen handelt oder um eine friedliche Demonstration, die sich plötzlich zur Straßenschlacht entwickelt – so wie 2007 am Rande des G-8-Gipfels in Heiligendamm. „Ich alleine kann einschätzen, in welcher Verfassung mein Hund gerade ist und ob ich ihn dieser Belastung aussetzen kann.“

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Auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten bilden Hund und Führer ein Team. Dakota zum Beispiel lebt bei Heiko Szorgs Familie in der Konstanzer Innenstadt. „Sie ist voll in die Familie integriert“, sagt der Mann mit dem Vollbart und schmunzelt.

Bild 5: Partner mit Biss und sensiblem Näschen: Wir begleiten eine Trainingseinheit der Polizeihundeführerstaffel
Bild: Tesche, Sabine

Andreas Padberg wiederum weiß, dass Mapi Ende 2021 nach einer Dienstzeit von mehr als zehn Jahren wahrscheinlich ihren Ruhestand antreten wird. „Ich hoffe, dass ich sie auch danach noch lange bei mir behalten darf“, erzählt er.

Dass man mit einem Polizeihund tatsächlich viel Spaß haben kann, beweist die letzte Übung des Vormittags. Noch einmal darf Dakota ran.

Norbert Hekel zeigt, was es bei der heutigen Übung aufzuspüren gilt.
Norbert Hekel zeigt, was es bei der heutigen Übung aufzuspüren gilt. | Bild: Tesche, Sabine

Ihre Aufgabe: Eine Heroin-Probe erschnüffeln, die Norbert Hekel zuvor auf der Außenterrasse des Vereins für Deutsche Schäferhunde versteckt hat. Dakotas Schwanz bewegt sich freudig nach links und rechts, während sie Stühle und Tische abschnüffelt.

Spürhund im Einsatz Video: Schottmüller, Daniel

„Das Aufspüren ist für die Hunde eine Art Spiel“, erklärt Hekel. „Druck wäre da kontraproduktiv.“ Die Hundeführer seien in solchen Situationen darauf bedacht, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Auch Heiko Szorg gibt Dakota aufmunternde Worte auf den Weg. Schließlich verharrt seine Hündin neben einem Holzpfosten, sie blickt ihrem Herrchen ins Gesicht, dann richtet sie die Nase auf den Fuß des Pfahls. Die Drogen sind gefunden.

Bild 7: Partner mit Biss und sensiblem Näschen: Wir begleiten eine Trainingseinheit der Polizeihundeführerstaffel
Bild: Tesche, Sabine

Zur Belohnung bekommt die Hündin ihr Lieblingsspielzeug und eine Streicheleinheit, die sie sich allzu gerne gefallen lässt. Spätestens jetzt sieht Dakota gar nicht mehr furchterregend aus.

Bitte nicht streicheln: Die wichtigsten Fakten rund um die Arbeit mit Polizeihunden

  • Die Tiere: Ein Hund muss mindestens ein Jahr alt und ausgewachsen sein, um als Polizeihund in Frage zu kommen. „Um sicherzustellen, dass das Tier krankheitsfrei ist, wird es von einem Tierarzt des Vertrauens auf Herz und Nieren geprüft“, schildert Andreas Padberg. Die Ausbildung zum Schutzhund dauere dann in der Regel elf Wochen. „In unserem Fall findet sie in Göttingen statt“, berichtet der Stellvertretende Leiter der Polizeihundeführerstaffel des Präsidiums Konstanz. Es folgt eine Spezialausbildung. Die meisten der mehr als 20 Hunde im Bereich des Konstanzer Präsidiums werden zusätzlich als Spürhunde eingesetzt, um Sprengstoff, Waffen, Munition, Leichen, Blut, Rauschgift aller Art oder Brandmittel zu entdecken. „Dabei handelt es sich vom Wesen her um eher sachliche Hunde, die sich nicht gleich auf alles stürzen, was ihnen begegnet“, ergänzt Norbert Hekel. Sofern sich ein Polizeihund keine schwerwiegenden Verletzungen zuzieht, kann er bis zu zehn Jahre im Einsatz sein. In vielen Fällen bleiben die Tiere danach bei ihren Haltern.
  • Die Halter: Nur Polizisten, die bereits jahrelange Erfahrung mitbringen, kommen für eine Tätigkeit bei einer Hundeführerstaffel in Frage. Meistens waren oder sind diese Polizisten auch privat Hundehalter. Da ein Polizeihund in der Regel bei seinem jeweiligen Führer lebt, erhält dieser eine monatliche Zahlung von 75 Euro, mit der Unkosten ausgeglichen werden sollen. Eine Stunde ihrer täglichen Arbeitszeit ist für die Hundebetreuung reserviert. Die tatsächliche Pflege der Tiere nehme aber deutlich mehr Zeit in Aufwand, sind sich Hekel und Padberg einig. Eine generelle Bitte möchten die beiden Hundeführer an die Bevölkerung weitergeben: Wer einem Polizeihund begegnet, sollte diesen bitte nicht streicheln – das könnte wahrhaft ins Auge gehen. Zudem gelte es stets, einen Sicherheits-Abstand zu Führer und Hund einzuhalten.