Es ist ein Projekt, das viel Zeit in Anspruch genommen hat: Zwei Jahre hat Günter Vlieckx bis zur Fertigstellung eines Films über den Singener Stadtbaudirektor Hannes Ott gebraucht. Doch gut Ding will Weile haben, wie der lang anhaltende Applaus der handverlesenen Gäste nach der Filmvorführung bei der Premiere in den Räumlichkeiten des Singener Filmclubs in der Hadwigstraße bewies.
Vlieckx bezeichnet sich selbst als Filmamateur, der dieses Hobby seit den 1970er-Jahren enthusiastisch betreibt. Doch das Ergebnis steht einem professionell gemachten Dokumentarfilm qualitativ um nichts nach. Günter Vlieckx zeigt zum Beispiel wunderschöne Luftaufnahmen von Singen, die mithilfe einer Drohne entstanden sind, und beweist damit, dass das Stadtbild Singens bis heute von dem aus Mannheim stammenden und 1983 im Alter von 61 Jahren verstorbenen Stadtbaudirektor geprägt ist.
Er nutzte für seinen Film auch historisches Bild- und Filmmaterial, wobei letzteres von Emil Sräga gedreht wurde, der aus Prag nach Singen kam und einen Lebensmittelhandel aufbaute. Dieser war auch Mitbegründer der Baugenossenschaft Hegau im Jahr 1952, später deren Vorstandsvorsitzender und danach Vorsitzender des Aufsichtsrats. Er arbeite dadurch eng mit Hannes Ott zusammen. Gudrun Sräga stellte das Filmmaterial ihres Vaters zur Verfügung.
Zeitzeugen kommen zu Wort
Zudem kommen in dem Film zahlreiche Zeitzeugen zu Wort, darunter etwa etwa Werner Wocher, der von 1955 bis 1958 eine Ausbildung zum Bauzeichner unter Hannes Ott machte. Rosemarie Waldenburg-Glöckler, die Otts Sekretärin von 1967 bis 1974 war und auch Thomas Wittenmeier, der mit dem ehemaligen Stadtbaudirektor zusammenarbeitete, bringen den Zuschauern zudem nicht nur den Stadtbaumeister selbst, sondern auch den Menschen Hannes Ott näher. So sagt Rosemarie Waldenburg-Glöckler in dem Film: „Hannes Ott hat wunderbar in die Zukunft gedacht und deshalb auch die Stadt bis heute geprägt.“

Hermann Krug, der seit drei Jahren in Singen lebt und mit dem Filmemacher befreundet ist, war der Ideengeber für das Projekt, indem er Vlieckx auf die großen, breiten Straßen in Singen aufmerksam machte. Bei der Recherche seien sie dann zwangsläufig auf Hannes Ott gestoßen. Für die Anfangssequenz des Films stellten sich Werner Duffner und Günter Köhler als Reporter zur Verfügung, die in einer Straßenumfrage in Singen Passanten zu Hannes Ott befragten.
Walter Reichhart, Vorsitzender des Filmclubs Singen und Radolfzell, sprach den Anwesenden bei der Premiere aus dem Herzen, als er Günter Vlieckx und seinen Mitstreitern für den gelungen Film, der die baugeschichtliche Entwicklung Singens nach dem Krieg als Wirtschaftswunderstadt beleuchte, dankte.
Die Prinzipien des Hannes Ott
Aber warum bewegt das Schaffen von Hannes Ott bis heute? Zum einen, weil er die moderne Verkehrsinfrastruktur und das Stadtbild Singens nach dem Krieg schuf. Er setzte unter anderem das Bauprinzip der Bandstadt um, die sich entlang der Bahntrasse erstreckt, wobei der Mobilität der Vorrang eingeräumt wird. Doch mit seiner großzügigen Planung mit zahlreichen Grünflächen wollte er die Stadt auch lebenswert und familienfreundlich machen. Er brachte zudem die Kunst am Bau nach Singen, indem mit ihm befreundete Höri-Künstler in Schulen, im Rathaus und am Hallenbad Werke verwirklichen durften, wie zum Beispiel großformatige Mosaiken.
Ott schuf sich allerdings auch Gegner, indem er für die nach dem Krieg um jährlich 1000 Menschen wachsende Stadt seine städtebaulichen und verkehrsinfrastrukturellen Ideen – mit Rückendeckung der Stadtoberen – konsequent durchsetzte. Der alte Singener Ortskern mit seinen Bauten musste mit aus heutiger Sicht sehr rüden Methoden weichen, als zum Beispiel alte Häuser einfach abgebrannt wurden, wie Filmsequenzen beweisen.
Ein Leben als Bühnenstück
Nach 1967 wurden vielen Singener Einwohnern Otts Ideen unheimlich, als er Singen und Radolfzell zu einer Großstadt verschmelzen und am Aacher Ried gar einen Flugplatz bauen wollte. Die Gegenbewegung organisierte sich im Bauforum, bei der Gudrun Breyer eine führende Rolle spielte. Auf dem Hohgarten gab es damals Proteste mit zahlreichen Teilnehmern.
Dem Bauforum gelang es schließlich, mehrere Gebäude aus der Gründerzeit zu retten und zu erhalten. Auch die Autorin und Regisseurin Susanne Breyer, Tochter von Gudrun Breyer, kommt im Film zu Wort, sie ist es auch, die sowohl in einem 2022 zum Tag des Denkmals aufgeführten Zweipersonenstück als auch erst kürzlich zum 125-jährigen Stadtjubiläum dem ehemaligen Stadtbaudirektor künstlerische Denkmale setzte -wenn auch recht kritische.