Der Auftritt der „Wilden Bühne Stuttgart„ beim Schulverbund Nellenburg ist ein Baustein im Sozialcurriculum der Schule. Das sieht für die siebten Klassen unter anderem den Schwerpunkt „Suchtprävention„ vor. Wer könnte dazu mehr beitragen als Menschen mit Suchterfahrung?
Die „Wilde Bühne Stuttgart„ mit 15 Schauspielern, die ihre Süchte überwunden haben, entwickelt Stücke zur Sucht- und Gewaltvorbeugung. Moderator Rüdiger Erk erklärt: „Wir zeigen kleine Alltagsstücke, die immer schlecht ausgehen.“ Danach wollten sie gemeinsam überlegen, was schiefgelaufen sei und Verbesserungsvorschläge machen. Wer sich traue, dürfe mitspielen.
Am Anfang war ein Joint
Die „Kartoffelkrise im Schullandheim“ fängt ganz harmlos an. Während die Lehrerin einen Spieleabend vorbereitet, treffen sich Kevin und Nathalie im Wald. Nicki kommt hinzu, dann packt Kevin einen Joint aus. Nathalie lehnt ab, Nicki nicht.
Plötzlich steht die Lehrerin da. Während sie die Eltern informiert, diskutieren die drei Jugendlichen. Nathalie solle die Ausrede bestätigen, ihr glaube die Lehrerin. Am Ende fahren alle heim. Sie müssten Verantwortung für ihr Fehlverhalten übernehmen, betont die Lehrerin.
Warum „Nein“ sagen so schwer ist
Rüdiger Erk fragt, wie Nathalie sich fühle – schlecht, weil sie unschuldig sei. Die Zuschauer sagen, sie hätte weggehen sollen, als sie den Joint sah. Oder der Lehrerin gleich die Wahrheit sagen. Dann übernimmt Schüler Emanuel die Rolle des Opfers. Es folgt die gleiche Szene.
Auch er schafft es nicht, sich mit dem Vorschlag durchzusetzen, sie sollten gestehen, dann gebe es weniger Ärger. Im Gegenteil: Die beiden überzeugen ihn, sie als unschuldig darzustellen. Der Schüler Leon spielt weiter. Er fordert: „Gebt es zu, dann fahrt nur ihr, ich darf bleiben.“ Der Moderator stoppt die Szene. Die Darsteller fühlen sich alle unwohl. Es sei schlecht, wenn man Freunde verpetzt, doch man fühle sich auch blöd, wenn einer für die anderen lüge.
Wie der Absprung gelingen kann
Michael Ilg vom Referat Prävention im Polizeipräsidium Konstanz erklärt, dass Fachleute Drogenkonsum schnell bemerken: an bestimmten Verhaltensmustern oder Anzeichen wie starkem Schwitzen oder geweiteten Pupillen. Er weist darauf hin, dass Erwerb und Besitz illegaler Drogen in Deutschland strafbar sind. Nach einem positiven Drogentest gehe ein Bericht ans Jugendamt.
Abschließend erzählt Schauspieler Carsten Hepner, wie er über das Kiffen zu Heroin und Kokain kam. Nach mehreren Therapien seien seine Eltern die einzigen gewesen, die zu ihm standen. Arbeitslos, ohne Geld und kurz vor dem Leben auf der Straße habe er sich endlich Menschen anvertraut, die ihm halfen: Therapeuten und Psychologen gaben ihm gute Ratschläge, er ging jede Woche regelmäßig zur Drogenberatung und schaffte den Absprung.
Was tun, wenn alle Alkohol trinken?
In der zweiten Szene steht der Alkoholmissbrauch im Vordergrund. Manuela und Kai fahren zu einer Geburtstagsparty. Er ahnt nicht, dass ihre Mutter Alkoholikerin ist, und hält sich nicht an sein Versprechen, nichts zu trinken. Sie erinnert ihn, wird von allen als Spaßbremse beschimpft und verlässt die Feier schließlich traurig und wütend.
Hier gehen die Ansichten der Zuschauer auseinander: Er hätte sein Versprechen einhalten müssen, auch wenn das schwierig sei, weil die Freunde ihn drängten, finden einige Schüler. Sie solle sich entspannen, man könne ja mit dem Taxi heimfahren. Zum Feiern gehöre auch, das man Alkohol trinke und Spaß habe, sagen andere. Leonie und Martin übernehmen die Rollen. Leonie stellt fest: „Wenn er wüsste, dass ihre Mutter alkoholabhängig ist, hätte er vielleicht mehr Verständnis.“
Hierzu erzählt Schauspielerin Renate Donner, sie habe sich für ihre alkoholkranke Mutter geschämt. „Niemand hat damals nachgefragt. Ich wäre so dankbar gewesen.“ Bis sie sich eingestand, dass sie selbst ein Alkohol-Problem hatte, habe es lange gedauert. Heute gebe es beispielsweise die Schulsozialarbeiterinnen, denen man sich anvertrauen könne.
Schulsozialarbeiter haben Schweigepflicht
Margerit Haas und ihre Kollegin Petra Brinkmann arbeiten am Schulverbund Nellenburg. „Ihr könnt mit allen Problemen zu uns kommen. Wir haben Schweigepflicht“, sagt Margerit Haas.
„Wir machen mit euch einen gemeinsamen Plan. Es geschieht nichts, ohne es vorher abzuklären. Wir finden in den meisten Fällen eine Lösung.“ Der Vorstellung folgt nun eine Nachbereitung mit Mitarbeitern der Drogenberatungsstelle im Landkreis Konstanz. So soll die Suchtprävention nachhaltig wirken.
Beratungsstellen helfen
Wer persönlich oder im nahen Umfeld betroffen ist, kann sich an die Drogenberatungsstellen wenden. Der Landkreis Konstanz hat Beratungsstellen in Konstanz, Singen und Stockach. Die Ansprechpartnerin in Stockach ist Sabine Grether. Sie unterliegt der Schweigepflicht. Es gibt Termine und offene Sprechzeiten, man darf auch anonym bleiben. Manchmal helfe es, Freunde oder Familienangehörige mitzunehmen, sagt Sabine Grether.
Die Beratungsstelle befindet sich im Caritas Beratungszentrum, Marktplatz 3. Kontakt unter der Telefonnummer (0 75 31) 91 91 91 (nur vormittags) oder per E-Mail an info@drogenberatung-konstanz.de.