Joachim Wingbermühle macht sich, wenn er vom Wetter spricht, selten Freunde. Am liebsten ist es ihm nämlich – zumindest in forstlicher Hinsicht – wenn es viele Niederschläge gibt.
Der Stadtförster ist zurzeit also ziemlich zufrieden, denn Regen gab es in diesem Jahr ja recht häufig, und dazu noch in großen Mengen: „Der Grundwasserspiegel war sehr weit abgesunken“, sagt er. „Das ist sehr viel besser geworden. Noch nicht perfekt – aber besser.“ Dadurch hätten sich in diesem Jahr viele Bäume im Stadtwald erholen können, nachdem die vergangenen drei Jahre doch sehr trocken gewesen seien, sagt Wingbermühle.
Mehr Probleme in anderen Gegenden
Gar nicht weit entfernt, am Schienerberg beispielsweise, da sähe die Situation aber schon wieder anders aus: Dort habe es auch in diesem Jahr massive Probleme durch Trockenheit gegeben, die wiederum dem Borkenkäfer, genauer dem Exemplar Buchdrucker, den Weg ebnete.
In und um Konstanz seien im Sommer Teile von Wäldern wegen extremer Trockenheit und damit verbundener Trockenschäden und Bruchgefahr bei der Buche gesperrt gewesen. Und auch im Schwarzwald habe es „wahnsinnige Schäden“ gegeben, denn dort gäbe es leider vor allem Fichten-Monokulturen. Diese sind eine Leibspeise des Borkenkäfers.
Doch was genau hat es mit dem Borkenkäfer auf sich, und wie schafft es solch ein kleiner Kerl, so große Schäden anzurichten? Zunächst mal, so erklärt Joachim Wingbermühle, bekomme solch ein Käfer alle sechs Wochen 60 Junge. Die Fortpflanzung gehe also so rasant vor sich, dass man innerhalb kürzester Zeit auf einem Baum etwa eine Viertelmillion Borkenkäfer finden könne. Das habe Wingbermühle während seines Studiums mal ausgerechnet.
Bäume senden Botenstoffe aus
Ein Baum, der zu trocken oder geschädigt worden sei, sende Botenstoffe aus, die der Käfer empfangen könne. Er wisse dadurch, welcher Baum krank und somit anfällig sei – vergleichbar mit einem geschwächten Immunsystem, bei dem Krankheitserreger leichteres Spiel haben, einzudringen, als bei einem starken Organismus.
Ab 16 oder 17 Grad Celsius im Frühjahr beginnt der Käfer zu fliegen und befällt dann seine Opfer. Allerdings fliegt er nicht besonders gut, sondern sucht sich sein Ziel meistens in einem Umkreis von 300 Metern aus. Dieser Umstand macht es dann wiederum für die Forstwirte möglich, gegen den Unhold Borkenkäfer vorzugehen: Es wird dann nämlich in einem Umkreis von 300 Metern um die Befallsherde des Vorjahres gesucht.
Bei einem Neubefall werden die betroffenen Bäume gefällt – und zwar möglichst schnell, bevor der Käfer wieder ausschwärmt. Das Holz dieser Bäume kann auch noch verwendet werden: Im Sägewerk werden die Käfer zerstört, und noch brutfähiges Material wird zu Hackschnitzeln verarbeitet. Käferholz sollte darum möglichst schnell nach dem Schlagen abtransportiert werden, bevor die Brut flügge wird.

Der von den Borkenkäfern auf die Bäume übertragene Bläuepilz ist zwar für die Optik des Holzes schlecht, schade ihm jedoch nicht und beeinflusse auch die Eignung des Holzes als Baumaterial nicht.
Allerdings sei es, so Wingbermühle, eine Kunst, möglichst früh im Jahr beim Monitoring schon zu erkennen, welcher Baum befallen ist und welcher nicht. Man sieht das an dem herabrieselnden Bohrmehl und am austretenden Harz. Der Forstwirt stellt schon zu Beginn des Frühjahrs in den Käferlöchern des Vorjahres Pheromon-Zelte mit 30 Metern Abstand auf, um die Käfer wegzulocken und abzuschöpfen.
Natur regeneriert sich selbst
Laut Wingbermühle gehört der Borkenkäfer zur natürlichen Dynamik des Waldes und es gibt immer wieder Phasen, in denen der Borkenkäfer gehäuft unterwegs ist. Jedoch steigt die Population nach Schadensereignissen wie Stürmen oder Schneebruch unverhältnismäßig stark an, und es kann zu Massenvermehrungen kommen, die dann wiederum den Wald so stark schädigen, dass er sich unter Umständen nicht mehr erholen kann, zumindest nicht im gewünschten Tempo.
„Die Natur wird immer die Herrin über die Sache sein“, sagt Stadtförster Wingbermühle, „und sie wird sich irgendwann selbst regenerieren. Es ist allerdings die Frage, ob wir so lange warten wollen.“ Schließlich, so erklärt er, müsse man an nachfolgende Generationen denken, denn der Baumwuchs dauere eben auch mehrere Generationen. „Das ist nicht wie bei einem Landwirt, der immer schon nach einem Jahr etwas ändern kann.“
Andere Bäume für die Nachkommen
Man versuche also jetzt, den Nachkommen etwas Sinnvolles in den Wald zu pflanzen, Bäume, die resistenter gegen den Borkenkäfer sind: Die Douglasie sei dafür ein Beispiel. Diese habe ähnliche Holzeigenschaften wie die Fichte und könne diese als Baumaterial gut ersetzen.
Außerdem wachse sie auf geeignetem Boden hervorragend und schnell. Was den Klimawandel angeht, ist Stadtförster Joachim Wingbermühle ein bisschen optimistisch: „Natürlich ist der Klimawandel da“, sagt er, „das kann man ja nicht verleugnen. Aber die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Und wenn wir noch zwei bis drei solche nassen Sommer bekommen, dann kann sich der Wald wieder erholen.“