Sind Jung und Alt zwei Gegensätze, die sich anziehen? Das scheint so, denn seit drei Jahren arbeiten Kinderkrippe und Tagespflege im Ärztehaus in Tengen eng zusammen. Wie gut das klappt, darüber ziehen die Verantwortlichen jetzt Bilanz. Und nicht nur das: Zwei Studentinnen schreiben darüber nun eine Masterarbeit, um auch den wissenschaftlichen Nachweis zu bringen.
Nach drei Jahren könne man zurückblicken und feststellen, dass es sehr gut laufe und die zwei Teams gut verzahnt seien. Zu diesem Fazit kommt Sigrun Korynta. Sie leitet die Kinderkrippe und ist Fachberaterin der Stadtverwaltung Tengen. Sie hat die Konzeption für die Kinderkrippe Kastanienzwerge und die Seniorentagespflege der Caritas erstellt, wie sie berichtet. Und die ist einzigartig.
Senioren und Kinder verbringen den Tag zusammen
Neulich seien Politiker zu Besuch im Ärztehaus gewesen und hätten den Eindruck gehabt, ein solches Projekt gebe es in Stuttgart auch. Doch Bürgermeister Selcuk Gök betont den Unterschied: „In Stuttgart besuchen die Kinder die Senioren nur.“ In Tengen würden sie den Tag gemeinsam verbringen. Damit das funktioniert, müsse man Tagespflege und Kinderkrippe zusammen denken, erklärt Korynta. „Man muss die Potenziale beider Teams kennen.“ Dass das funktioniert, sei von Anfang an das Ziel gewesen. Es sei kein Testprojekt gewesen, sondern sollte fest installiert werden.
Drei Jahre nach dem Start soll die Zusammenarbeit der beiden Einrichtungen nun wissenschaftlich erforscht werden. Die Einrichtungsleitung der Caritas, Carina Weinmann, betont: „Für mich ist das ein Herzensprojekt. Ich bin gespannt, was wissenschaftlich herauskommt.“ Auch sei sie gespannt, wo man nachbessern müsse.
Auch das könnte die Arbeit der zwei Studentinnen zeigen. Sie wollen in einer wissenschaftlichen Evaluationsstudie die Wirksamkeit und Umsetzung des Konzepts hinsichtlich Kinder und Eltern, Senioren und Angehörigen, dem Personal, der Bevölkerung und den Räumen untersuchen. Janine Juchter, eine der beiden, berichtet: „Wir haben festgestellt, dass es noch gar nicht viel Literatur zum Thema gibt.“

In diesen Wochen fängt das Forschungsprojekt in Tengen an. Schon jetzt zeigen sich die beiden Masterstudentinnen fasziniert über diese so besondere Form des Zusammenlebens, fasst Mareike Raif, die zweite Studentin, zusammen. Sie werden in den nächsten Wochen und Monaten ganz viel in Tengen beobachten, aufschreiben und auswerten. Als Vergleichsgruppe besuchen sie auch die Nestgruppe im Kindergarten.
Potenzial für weitere Forschungen ist da
Yvonne Reyhing, Dozentin an der binationalen Hochschule PHTG Thurgau/Kreuzlingen, leitet den Masterstudiengang frühe Kindheit. Sie betont: „Letztlich relevantestes Kriterium für das Kind ist, wie die Fachpersonen mit den Kindern interagieren.“ Bei jeder Forschung müsse man sich auf eine Sache fokussieren. Das Zusammenspiel von Senioren und Kindern in Tengen biete sicher auch noch Potenzial für weitere Forschungsfragen, die künftige Studierende ihres Studiengangs beantworten können.
Schon jetzt mache das Projekt in Tengen aber Mut, weil es klappt, hält Sozialpädagoge Clemens Luft fest. Er ist ehemaliger Lehrer und Leiter der Fort- und Weiterbildung am Marianum in Hegne, außerdem Honorardozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Basel. Luft hat die Konzeption und den Entwicklungsprozess von Anfang an beratend begleitet und sieht für die Zukunft noch Ansatzpunkte. Man müsse sich zum Beispiel grundlegende Gedanken darüber machen, wie Räume künftig gestaltet werden müssen, damit es für Kinder und Senioren passt.