Inzigkofen – Baudenkmäler im Landkreis Sigmaringen. Wer denkt da nicht zuerst an Burgen, Schlösser und Kirchen? Doch selbst das unscheinbare alte Haus nebenan könnte ein wertvolles Baudenkmal sein. Kreisarchivar Edwin-Ernst Weber richtete in einem gut besuchten Vortrag im Volkshochschulheim Inzigkofen den Blick auf ein in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenes Zeitalter der Baugeschichte. Es ging um das Jahrhundert zwischen 1840 und 1940. Die Architekturfachleute bezeichnen den Baustil bis 1914 als "Historismus". Diese Bauphase ging auch im heutigen Landkreis Sigmaringen zu Ende. Die reiche Fassadengestaltung des Historismus und des teilweise zeitgleichen Jugendstils wich nüchterner Sachlichkeit.

Der Vortrag gehört in die Reihe "Regionales Bauen im Landkreis Sigmaringen". Im Rahmen dieses Themenschwerpunkts im Kulturprogramm der Landkreisverwaltung wurden mit Führungen und Vorträgen zahlreiche Aspekte der Bau- und Architekturgeschichte beleuchtet. Grundsätzlich bedauerte der Referent, dass in den vergangenen Jahren und selbst in den vergangenen Monaten noch architekturgeschichtlich wertvolle Baudenkmäler abgerissen oder durch Modernisierungsmaßnahmen ihrer wesentlichen Charakteristika beraubt worden sind. Eines dieser Negativbeispiele ist der Abriss des Kapellenanbaus am Konviktgebäude in Sigmaringen. Weber zeigte anhand von Archivaufnahmen, dass das Konviktgebäude eines der ersten architektonisch modernen Gebäude in der Kreisstadt war. Durch den Abriss eines der drei Gebäudeteile sei, so Weber, der bis dahin geschlossene Gesamteindruck des Ensembles zerstört worden.

Immerhin haben sich in Sigmaringen einige Villen im Baustil des Historismus erhalten. Die zahlreichen Fotografien von Reiner Loebe, mit denen Weber seinen Vortrag illustrierte, zeigen einerseits sehr bewusst restaurierte Gebäude, andererseits auch Häuser aus der gleichen Bauphase, die mit weniger Liebe zum Detail überdauert haben und erst auf den zweiten Blick als historische Bauzeugen erkennbar sind.

Was macht diesen historisierenden Baustil überhaupt aus? Edwin Ernst Weber: "Er ist Zeugnis einer Zeit, in der in vielen Lebensbereichen ein romantisierender Rückblick auf die Zeit der Staufer-Kaiser vorherrschte." Türmchen, reich gestaltete Fassaden und Dachlandschaften kennzeichneten diesen Baustil. In Meßkirch haben zwei städtische Gebäude die Jahre unversehrt überdauert, das Rathaus und die Conradin-Kreutzer-Schule. Edwin Ernst Weber sagte im SÜDKURIER-Gespräch: "Das sind zwei hervorragende Beispiele für die historisierende Bauweise aus dieser Zeit."

Neu war nicht nur die Bauform, sondern auch die Bautechnik. Weber: "Es wurden erstmals auch vorgefertigte Fassadenteile verwendet." In Hohentengen und in Thalheim sind es die Dorfkirchen, die als architektonische Dokumente erhalten sind. Als ein Beispiel für Eingriffe in die ursprüngliche Baukunst diente Weber die Klosterkirche in Gorheim. Die Aufnahme vor der Neugestaltung des Kirchenschiffs dokumentiert einen reich gestalteten Chorraum mit einem beeindruckend dominierenden Altar und vielen Jugendstilelementen. Das heutige Bild zeigt einen fast leergeräumten Altarraum, der in sakraler Nüchternheit den Geist der Jetztzeit widerspiegelt.

Noch zwei Vorträge

Der nächste Vortrag in dieser Reihe findet am 16. Januar 2017 im Sigmaringer Staatsarchiv statt. Franz Severin Gäßler, Regierungsbaudirektor aus Bayern, spricht zum Thema "Bauen und Planen in Vergangenheit und Gegenwart aus Sicht des Stadtplaners". Die Abschlussveranstaltung ist am 31. Januar in Mengen. Referent ist Architekt Bruno Siegelin. An diesem Abend geht es unter dem Thema "Gebäude ohne Maßstabe" um eine Auseinandersetzung mit der heutigen Architektur im Kreis Sigmaringen. (hps)