Am 9. Mai wäre Sophie Scholl 100 Jahre alt geworden. Die bekannte Widerstandskämpferin gegen die Diktatur des Nationalsozialismus war Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Im Alter von 21 Jahren wurde sie, am 22. Februar 1943, wie ihr Bruder Hans und Weiße-Rose-Mitglied Christoph Probst, durch die Nazis hingerichtet.
Fünf Reichsarbeitsdienst-Lager im Kreis Sigmaringen
Am 6. April 1941 kam die damals 19-jährige Sophie Scholl nach Krauchenwies, um im Reichsarbeitsdienst (RAD)-Lager in den Schlossgebäuden des Fürstlichen Schlosses in Krauchenwies ihren, seit 1939 auch für Mädchen obligatorischen Arbeitsdienst zu leisten. Die damals preußisch-hohenzollerische Gemeinde war einer von insgesamt fünf Standorten für RAD-Lager für die weibliche Jugend im Landkreis Sigmaringen. Weitere Lager waren in den ehemaligen Klöstern Inzigkofen und Wald, im alten Oberamtsgebäude in Gammertingen und schließlich im späteren Hotel Hofgarten in Meßkirch untergebracht. Das geht aus einem Aufsatz des Kreisarchivars Dr. Edwin Ernst Weber in der „Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte“ aus dem Jahr 1998 hervor, den er dem SÜDKURIER, ebenso wie Bilder zur Recherche zur Verfügung stellte.
Spartanische Unterbringung im Schloss

Beim weiblichen RAD bestand im Gegensatz zum männlichen RAD ein striktes Alkohol-und Rauchverbot. Die strikte Lagerdisziplin wurde von einer hauptamtlichen Lagerführerin überwacht. Untersagt waren Männerkontakte, das Lesen eigener Bücher, einschließlich der Bibel und der Kirchenbesuch. Der Kontakt von Sophie Scholl zur eigenen Familie nach Ulm war auf wenige „Reisesonntage“ beschränkt. Die, im Schnitt zwischen 17 und 19 Jahre alten arbeitsdienstpflichtigen Frauen waren in Gruppen von 60 bis 80 Personen jeweils für ein halbes Jahr in Krauchenwies tätig. Die Unterbringung der Frauen im Schloss erfolgte unter spartanischen Bedingungen, in zumeist unbeheizten Zimmern mit acht oder mehr Betten. Dem nationalsozialistischen Anspruch der „Abhärtung“ lag ein strikter Tagesablauf zugrunde: Wecken um 6 Uhr, Frühsport, Fahnenapell und Gesang, Arbeitseinsatz im Lager oder „Außendienst“ bis 18 Uhr. Abends wurden die Frauen in Hauswirtschaft und Erster Hilfe weitergebildet, aber es wurde auch gebastelt, gesungen und gespielt. Außenkontakte für die jungen Frauen zur Bevölkerung in Krauchenwies gab es wenige und waren nur im Einsatz auf Bauernhöfen und in Haushalten erlaubt.
Vor dem „Geschwätz“ die Ohren verstopft
Als die 19-jährige Sophie Scholl nach dem Abitur und einer einjährigen Kindergärtnerinnenausbildung ihren Arbeitsdienst antritt, berichtet sie in einem Brief an die Eltern von der auffallenden Kälte, die sie am Einschlafen hindere. Auch für die schlanke Linie der Mädchen werde gesorgt. „Ehe man pumpelsatt ist, gibt‘s schon nichts mehr zu essen“, schildert sie. Vor dem „Geschwätz“ der zehn weiteren „Arbeitsmaiden“ im Schlafsaal muss sie sich oft die Ohren verstopfen, hält sie in ihrem Tagebuch fest.
Die Lagerkameradinnen erleben Sophie Scholl ernst und distanziert. „Ich sah sie selten lachen“, erinnert sich die Zeitzeugin Ruth Steinbuch, die 1941 ein halbes Jahr in Krauchenwies verbrachte. Erst als ihr nach dem Krieg das Schicksal von Sophie Scholl bekannt wurde, sei ihr klar geworden, warum sie damals schon sehr ernst und sicher mit Widerstreben in Krauchenwies war, so Steinbuch.
Zwei Monate ist Sophie Scholl im Innenbetrieb des RAD-Lagers mit Schreibarbeiten im Büro tätig. Einen halbtägigen Ausflug nach Sigmaringen zum Einkauf von Karton empfindet sie als „ihren schönsten Tag bisher“. Anfang Mai 1941 kommt sie zum Außendienst auf einen Bauernhof. Sie schätzt, dass sie acht Stunden vom Lager weg ist und dem dortigen Druck entkommen kann. Im August 1941 ist Sophie Scholl dann im Haushalt einer Krauchenwieser Arbeiter-und Kleinbauernfamilie und noch weiteren Außendienststellen beschäftigt. Eine Kraftquelle für Sophie Scholl stellen die „liebliche Landschaft um Krauchenwies“ und die katholische Pfarrkirche dar. Die musisch begabte junge Frau spielte mit Erlaubnis des Pfarrers dort die Orgel und besuchte trotz des Verbotes Gottesdienste.
Wichtige Etappe auf dem Weg in den Widerstand
Die Erfahrung einer nationalsozialistisch inspirierten Zwangsgemeinschaft im RAD-Lager ist für die junge Frau eine weitere wichtige Etappe in ihrem Entwicklungsprozess der Abwendung und Distanzierung vom braunen Unrechtsregime, an dessen Ende dann seit dem Sommer 1942 der aktive Widerstand steht. Anfang Mai 1942 nimmt Sophie Scholl das Studium der Philosophie und Biologie auf. Dort schließt sie sich dem Freundeskreis um ihren Bruder Hans an, die seit Mai 1942 Flugblattaktionen gegen Adolf Hitler unternehmen. Beim Verteilen des sechsten Flugblattes der „Weißen Rose“ an der Münchner Universität werden Sophie und Hans Scholl am 18. Februar 1943 gefasst. Zusammen mit ihrem Freund Christoph Probst werden sie vier Tage später im Prozess zum Tode verurteilt und noch am selben Tage hingerichtet. Im Verhör blieb Sophie Scholl standhaft: „Ich bin nach wie vor der Meinung, das Beste getan zu haben, was ich gerade jetzt für mein Volk tun konnte. Ich bereue deshalb meine Handlungsweise nicht und will die Folgen, die mir aus meiner Handlungsweise erwachsen, auf mich nehmen.“ Am Tag ihrer Hinrichtung schrieb Sophie Scholl in ihrem letzten Brief: „So ein herrlicher Tag, und ich soll gehen. Aber was liegt an unserem Leben, wenn wir es damit schaffen, Tausende von Menschen aufzurütteln und wachzurütteln.“
Grund- und Hauptschule nach Sophie Scholl benannt
Am 26. Juli 1997 wurde im ehrenden Gedenken an Sophie Scholl die erweiterte Grund-und Hauptschule nach der Widerstandskämpferin benannt. Im Eingangsbereich des fürstlichen Parks in Krauchenwies gegenüber dem Marstall erinnert ein Gedenkstein an Sophie Scholl.

Denkort an historischer Stätte
Der inzwischen verstorbene Prof. Dr. Wolfgang Marcus war Initiator und Vorsitzender des Denkstättenkuratoriums NS Dokumentation Oberschwaben. Das Denkstättensekretariat befindet sich beim Studentenwerk Weiße Rose in Weingarten. Krauchenwies ist Gründungsmitglied dieses Kuratoriums. Das Kuratorium hat sich die Würdigung der Denkorte sowie die Konzeption der oberschwäbischen Erinnerungswege zur Hauptaufgabe gemacht. „Die Anwesenheit von Sophie Scholl im RAD-Lager Krauchenwies ab dem Jahr 1941 gibt uns die Möglichkeit, als Denkort auf diesen Wegen einen Dokumentationsbeitrag leisten zu können“, so Bürgermeister Jochen Spieß. Das fürstliche Schloss wurde 1940 vom Reichsarbeitsdienst übernommen. Der spontanen Zusage von Fürst Karl Friedrich von Hohenzollern im Jahr 2014 ist es zu verdanken, dass dieser Denkort an der historischen Stätte selbst, beim Schloss Krauchenwies, eingerichtet werden konnte.