Das Thema Klimaschutz wird im Landkreis Sigmaringen immer wichtiger und in diesem Jahr soll ein Klimaschutzmanager eingestellt werden, wozu der Kreistag in seiner Haushaltssitzung einen Sperrvermerk über 50 000 Euro aufgehoben hat. Matthias Seitz, Vorsitzender SPD-Kreistagsfraktion, hat zudem den Vorschlag gemacht, dass der Landkreis Sigmaringen spätestens bis zum Jahr 2040 ein klimaneutraler Landkreis sein soll. Welche Maßnahmen zum Erreichen dieses Zieles in den kommenden 19 Jahren nötig sind, erklärt Walter Göppel, Leiter des Energieagentur Ravensburg, im SÜDKURIER-Gespräch.
CO2-Ausstoss müsste bis 2040 gegen Null gehen
Viel Arbeit wartet, wenn es um die Reduzierung des CO2-Ausstosses geht, wobei aktuell der Durchschnitt je Einwohner im Kreis Sigmaringen exakt 6,76 Tonnen pro Jahr beträgt. Um den Landkreis klimaneutral zu bekommen, müsste dieser Wert in Richtung Null gehen. Der CO2-Ausstoß beinhaltet alle Sektoren wie private Haushalte, Handel und Gewerbe, Industrie sowie Verkehr. „Bei den privaten Haushalten, Handel und Gewerbe sind gegenüber 2010 die CO2-Emissionen rückläufig, und bei der Industrie sowie beim Verkehr steigend“, ergänzt der Energieexperte.

Photovoltaik-Potenzial auf den Dächern beträgt im Kreis Sigmaringen 400 Millionen Kilowattstunden pro Jahr
Nach Angaben von Walter Göppel hat sich im Kreis Sigmaringen die erneuerbare Stromabdeckung vor allem durch den Zubau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen auf schätzungsweise 65 Prozent erhöht, wobei es bis zur Sommerpause 2021 eine genaue Analyse geben wird. Das Photovoltaik-Potenzial auf den Dächern zwischen Beuron, Pfullendorf und Bad Saulgau beziffert er auf jährlich 400 Millionen Kilowattstunden, somit hätte der Landkreis Sigmaringen bilanztechnisch einen erneuerbaren Stromüberschuss von rund 130 Prozent. „Dieses Volumen wird in den nächsten Jahren auch wegen des Ausbaus der Elektromobilität benötigt“, ergänzt Göppel.

„Klimaneutral bei der Stromerzeugung auf Landkreisebene zu werden, ist nach den derzeitigen Erkenntnissen machbar“
Das Dächer-PV-Potenzial wäre aus seiner Sicht bis 2040 umsetzbar. Weitere Potenziale sieht er bei Photovoltaikanlagen auf Parkplatzüberdachungen, die hervorragend mit Elektrolademöglichkeiten kombiniert werden könnten. „Klimaneutral bei der Stromerzeugung auf Landkreisebene zu werden, ist nach den derzeitigen Erkenntnissen machbar“, ist der Energieexperte überzeugt.
80 Prozent des Gebäudebestandes sind aus energetischer Sicht Sanierungsfälle
Anders sieht es nach seinen Angaben bei der Wärmeerzeugung und Mobilität aus. Die erneuerbare Wärmeerzeugung beziehungsweise Abdeckung liegt bei rund 30 Prozent, und das sei die große Herausforderung der Klimawende. „Da sind die knapp 19 Jahre zur Umsetzung verdammt knapp“, weist Walter Göppel daraufhin, dass 80 Prozent des Gebäudebestandes aus energetischer Sicht „Altbauten“ sind, die dringend saniert werden müssen. Bei Heizungssanierungen könnte man dann auf erneuerbare Energien umstellen. Vorangetrieben werden muss aus seiner Sicht der Ausbau der Nahwärmeversorgungen, wobei man in den vergangenen Jahren in Kommunen wie Mengen, Pfullendorf, Leibertingen, Meßkirch, Sigmaringen oder Herdwangen-Schönach schon viel umgesetzt habe. Die Gewerbe- und Wohnraumentwicklung sollte nur noch klimaneutral geschehen.
Änderung bei der Mobilität ist „reine Kopfsache“
Beim Thema „Mobilität“ gilt es nach den Erfahrungen von Walter Göppel „das dickste Brett zu bohren“, denn die Umstellung und Akzeptanz von Alternativen sei Kopfsache. Die Energieagentur arbeitet schon seit 20 Jahren mit Vorarlberg und der Schweiz zusammen und da kann man immer wieder Entwicklungen und Trends ablesen, die ein paar Jahre später auch in die Region Bodensee-Oberschwaben überschwappen. Als Beispiele nennt er den Ausbau der erneuerbaren Nahwärmeversorgungen in Kommunen, deren Teilnahme beim European Energy Award, PV-Parkplatzüberdachungen, Aufbau der E-Ladeinfrastruktur bis hin zur Einführung von alternativen Mobilitätssystemen. Ein Zukunftsthema ist die kombinierte Mobilität. Das bedeutet, dass Wegstrecken verknüpft zu Fuß, mit dem Rad, mit dem ÖPNV und den Rest mit der E-Mobilität ausgeführt werden. Dafür seien aber entsprechende Fahrradabstell-und Ablagemöglichkeiten, E-Lademöglichkeiten für Pedelecs und Autos in den größeren ÖPNV-Haltepunkten wie Bahnhöfen, aber auch bei den Unternehmen für ihre Mitarbeiter notwendig.