Mit dieser Ansiedlung kann sich der Industriepark Nördlicher Bodensee schmücken: Das Medizintechnik-Unternehmen Medi-G aus Leibertingen wird seinen Firmensitz nach Meßkirch verlegen. Für einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag, wie Geschäftsführerin Susanne Gäng am Dienstag sagte, wird das Familienunternehmen ein neues Werk im Industriepark bauen. Und dies auf einem der Filetstücke des Areals, das direkt am neuen Kreisverkehr liegt.

Läuft alles nach Plan, dann soll mit dem Bau der neuen Firmenzentrale im April oder Mai kommenden Jahres begonnen werden. Bezogen werden soll das neue zweistöckige Gebäude im Sommer 2021, sagte Otto Gäng, der gemeinsam mit seiner Frau das mittelständische Unternehmen leitet. Mit dieser Investition wappne sich die Firma für die Zukunft. Denn Medi-G stellt medizinische Instrumente für minimalinvasive Eingriffe für das Tuttlinger Weltunternehmen Karl Storz SE & Co. KG her. Mit diesen Instrumenten sind nur noch kleine Einschnitte in den Körper eines Patienten nötig. Diese Schlüsselloch-Technik würde heute erst bei rund 30 Prozent aller Operationen eingesetzt, sagte Susanne Gäng. Sie sieht deshalb einen großen Wachstumsmarkt, denn die Eingriffe wie etwa bei Knie-Operationen sind in der Regel schonender für die Patienten. Und die Heilung verläuft in der Regel auch schneller.
Das voraussichtliche Wachstum dieses Bereichs der Medizintechnik wird zu einer weiteren Vergrößerung von Medi-G führen. So plant das Geschäftsführer-Ehepaar einen Zuwachs von heute rund 100 auf bis zu 150 Mitarbeiter. Dank der Tatsache, dass der Anteil der Eigenfertigung bei Medi-G bei rund 90 Produzent liegt und dank der hausinternen Weiterentwicklung der Produktionsprozesse ist die Auslastung des mittelständischen Unternehmens nach Darstellung der Geschäftsführer auch künftig gesichert. Und der neue Standort im Meßkircher Industriepark ermögliche eine optimierte, dem Materialfluss angepasste Anordnung der Produktionsprozesse sowie die Umsetzung der Anforderungen an Medizintechnik-Hersteller, wie zum Beispiel Sauber- und Reinräume. Obendrein ist am neuen Standort auch eine räumliche Erweiterung des Gebäudes möglich. Nur gut die Hälfte des Baufeldes soll für den zweistöckigen, zehn Meter hohen Neubau genutzt werden. Dessen Außenmaße gab Otto Gäng mit 50 mal 85 Metern an. Vorgesehen ist, dass der größtmögliche Anteil der benötigten Energie aus der Produktion beziehungsweise über eine Fotovoltaikanlage gewonnen wird.
Firma setzt auf eigenen Nachwuchs
„Wir konnten bisher alle Stellen besetzen“, sagte Susanne Gäng, auf das Thema Fachkräftemangel angesprochen. Die Fluktuation liege fast bei null, sprich, es verlässt im Grunde niemand das Leibertinger Medizintechnik-Unternehmen, indem er kündigt. In der Personalplanung wird vor allem auf Kräfte aus dem eigenen Haus gesetzt, die bereits ihre Ausbildung hier absolviert haben. So kennen sechs von neun heutigen Abteilungsleitern/Meistern die heutige Firma Medi-G bereits seit ihrer Ausbildung, dies gilt auch für die zwei Ingenieure. Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, gelinge auch über interessante Projekte und Aufgaben, die geboten würden, so Otto Gäng. Aktuell beschäftigt Medi-G fünf Auszubildende – jedes Jahr werden zwei bis drei neue Auszubildende neu eingestellt. Teilweise nehmen diese weite Fahrwege auf sich, wie Hanna Kortmann, die aus Sigmaringendorf stammt.

Leibertingens Bürgermeister Armin Reitze bedauert zum einen, dass das Leibertinger Vorzeigeunternehmen seine Gemeinde verlässt. Die Kommune habe sich in der Vergangenheit stets bemüht, das Wachstum des Unternehmens, das bis Ende September unter dem Namen Paul Peschke firmierte, zu ermöglichen. Doch die Umsetzung künftiger Anforderungen sei am bisherigen Standort nicht möglich. Nach dem Umzug nach Meßkirch sollen die Gebäude am Stammsitz verkauft werden. Derzeit werde ein Verkehrswertgutachten erstellt, so Susanne Gäng. Bürgermeister Reitze ist zuversichtlich, dass sich ein Nachfolgenutzer finden wird.
Leibertingens Bürgermeister erinnerte im Rahmen des Pressegesprächs am Dienstag am Firmensitz der Medi-G an das einst in der Gemeinde aktive Unternehmen Almo. Dessen Hallen standen einst leer, bis hier der Automobil-Zulieferer Mahle ein Zweigwerk einrichtete. Den durch den Wegzug zu erwartenden Verlust an Gewerbesteuer sieht Reitze als verkraftbar an, zumal die Gemeinde auch an den Gewerbesteuerzahlungen der Firmen anteilig profitiert, die sich im Industriepark niederlassen. Am Industriepark sind neben Meßkirch die Gemeinden Leibertingen, Sauldorf, Wald und Inzigkofen zu je 20 Prozent beteiligt – bei den Investitionskosten wie bei den Gewerbesteuerzahlungen.
Grundstein für Unternehmen im heimischen Keller
Im Keller seines Wohnhauses legte Paul Peschke 1970 den Grundstein für das heutige Unternehmen Medi-G. Die Umsiedlung in das Meßkircher Industriegebiet soll das Unternehmen fit machen für die Zukunft, bereits auch im Hinblick auf die kommende Generation. Die beiden Kinder der Familie Gäng, 25 und 22 Jahre alt, studieren beide zurzeit noch im Ausland.
Paul Peschke, der Vater von Susanne Gäng, hatte das heute erfolgreiche mittelständische Medizintechnik-Unternehmen gleichen Namens im Keller des eigenen Hauses aus der Taufe gehoben. Das Geschäft lief und bald musste die kleine Werkstatt erweitert werden. 1991 erfolgte dann der Umzug ins Leibertinger Gewerbegebiet. Immer wieder wurde erweitert, es entstanden mehrere Anbauten, vor allem um den wachsenden Maschinenpark unterzubringen. „Jedes Jahr kommen zwei neue Maschinen“, sagt Geschäftsführer Otto Gäng. Diese laufen rund um die Uhr, nur zwischen Weihnachten und Neujahr stehen sie still. In der Produktion wird in einem Zweischicht-System gearbeitet – nachts laufen die Maschinen in menschenleeren Hallen. Aufgrund der Entwicklungsgeschichte am Noch-Firmensitz in Leibertingen sind die Abläufe in der Produktion nicht immer ideal. Der Neubau soll hier ein höheres Maß an Effizienz bieten. Den nötigen Umzug hätten die Beschäftigten akzeptiert, sagt Chefin Susanne Gäng. Nach den Betriebsferien, die zeitgleich mit den Handwerkerferien liegen, sei die Belegschaft informiert worden. Vor allem in der Lage des neuen Firmensitzes würden viele Beschäftigte Vorteile sehen – beispielsweise die jungen Auszubildenden, die mangels eines Busangebotes Schwierigkeiten hätten, nach Leibertingen zu kommen. Der neue Standort sei mit Bussen zu erreichen – obendrein sei Meßkirch sehr nahe, um zwischendurch einmal schnell einkaufen zu gehen.
Seit 1994 leiten Susanne Gäng, Tochter des Firmengründers, und ihr Ehemann Otto Gäng das mittelständische Unternehmen. Ihre Nachfolge ist schon geplant, ihre beiden Kinder sollen in der Zukunft das Unternehmen leiten. Seit 1. Oktober trägt das Unternehmen dem Namen Medi-G. Damit wurde Rechnung getragen, dass es einen Bezug zum Tätigkeitsfeld gibt, zum anderen sich mit dem G noch ein Bezug zur geschäftsführenden Familie herstellen lässt. Obendrein sei der neue Name auch im internationalen Markt viel vorteilhafter.
Das Leibertinger Medizintechnik-Unternehmen ist nach DIN EN ISO 13485 zertifiziert und hat im Januar dieses Jahres ein von der US-amerikanischen Behörde FDA durchgeführtes Audit erfolgreich bestanden. Dies schafft die Voraussetzungen, die ab Mai 2020 in Kraft tretende EU-MDR-Verordnung (Medical Device Regulation) erfüllen zu können, deren Anforderungen mit denen der FDA vergleichbar sind. Produkte, die ab Mai 2020 nicht nach dieser neuen EU-MDR zugelassen sind, dürfen nicht mehr in den Markt gebracht werden.
Medi-G ist auch Mitglied im Interessenverbund Medical-Mountains. Gemäß diesem ist anzunehmen, dass von rund 400 produzierenden Unternehmen im Raum Tuttlingen circa 150 schließen werden, weil sie die Anforderungen dieser Verordnung nicht umsetzen können.