Vor vielen Jahren klopfte ein Fremder an die Rathaustür und konfrontierte Verwaltung und Gemeinderat mit einer schier unglaublichen Idee – in Meßkirch sollte nach einem Plan aus dem Jahr 825 eine riesige Klosteranlage entstehen, erbaut ausschließlich mit Techniken, Materialien und Werkzeug, die es vor 1200 Jahren gab. Bert Geurten war der Visionär, der vor sieben Jahren verstorben ist und der die Stadtoberen überzeugte, seine Vision in die Tat umzusetzen. Und mittlerweile ist Campus Galli mit zehntausenden Besuchern ein absoluter Tourismusmagnet.
Rundgang mit Politikern und Hoffnung auf langfristige finanzielle Unterstützung
Der CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Burger versucht als Vorsitzender des Fördervereins der Klosterstadt immer wieder, Politiker von Land und Bund für das Projekt zu begeistern, verbunden mit der Hoffnung auf eine finanzielle Unterstützung.

Zuletzt folgte seine Abgeordnetenkollegin Christine Neumann-Martin, stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion und Vorsitzende des Arbeitskreises Landesentwicklung und Wohnen, der Einladung, die nach dem 2,5-stündigen Rundgang absolut begeistert war.
Kein Freilichtmuseum, sondern lebendige Baustelle
Großen Anteil hatte Führerin Sonja Fecht, die Campus Galli sichtlich lebt und die mit ansteckender Freude und oftmals verblüffendem Detailwissen die Besuchergruppe beeindruckte. „Wir sind eine Baustelle des 21. Jahrhunderts und arbeiten mit Techniken des Mittelalters“, brachte sie die Einmaligkeit des Vorhabens auf den Punkt.
Campus Galli ist kein Freilichtmuseum, sondern ein Forschungsprojekt, bei dem Besucher Handwerkern bei der Arbeit zuschauen. Als Grundlage für das Bauprojekt dient der Klosterplan von St. Gallen, der um das Jahr 825 auf der Insel Reichenau entstand, der nach Angaben von Sonja Fecht allerdings kein Bauplan ist, sondern eine Diskussionsgrundlage. Auf dem 0,77 mal 1,12 Meter großen Pergament sind viele Gebäude eingezeichnet, allerdings ohne Maßangaben.
Abteikirche hätte Ausmaße des Konstanzer Münsters
Nur für die Abteikirche hat der Verfasser exakte Vorgaben gemacht, sodass dereinst in Meßkirch eine Kirche in der Größenordnung des Konstanzer Münsters stehen könnte. Wie wertvoll Pergament vor 1200 Jahren war, zeigt die Tatsache, dass auf der Rückseite die Geschichte des Heiligen Martin zu lesen ist, wie Sonja Fecht den verblüfften Besuchern berichtete.

Sogar auf der Zeichnung selbst wurde ein Teil ausradiert, um den Heiligentext zu vollenden. Auf dem Klosterplan sind lediglich Gebäude zu sehen, aber ihre Funktion ist unklar. Und so wird mit Hilfe eines wissenschaftlichen Beirats ergründet, welche Aufgaben ein Raum zu erfüllen hat und wie man dies mit mittelalterlicher Technik schafft.
So vergehen drei, ja fünf Jahre, von der Planung bis zur Umsetzung, wobei auch diverse Behörden mitreden, wie Sonja Fecht am Beispiel der Friedhofsmauer erläuterte.
Behörden mischen bei Mörtelmischung mit
Der auffallend große Friedhof mit seiner weißen Umrandung wird genutzt, um mit Mörtelmischungen in Zusammenarbeit mit der Universität Konstanz zu experimentieren, die der Witterung standhalten.

Jede neue Mischung muss akribisch dokumentiert und eine Probe ans Regierungspräsidium geschickt werden. Dort wird der Mörtel geprüft und Campus Galli erhält eine Sondergenehmigung, dass man an dem entsprechenden Steingebäude weiterarbeiten darf. Und dieses Prozedere wiederholt sich bei jeder Mörtelmischung und jedem Steingebäude.
An schieren Kleinigkeiten machte Sonja Fecht deutlich, wie hart das Leben im „dunklen“ Mittelalter war. Kleidung bestand aus Wolle und für die Herstellung eines einzigen Tuches waren 200 Arbeitsstunden nötig: „Sieben Tage Wolle spinnen und einen Tag weben.“
Scheune erhält Strohdach
Historisch korrekt sollte die große Scheune ein Strohdach bekommen, beschlossen die Bauherren, ohne zu ahnen, welche Arbeit dies erfordert.
Die einstigen Getreidesorten mit 2,10 Meter hohen Halmen gibt es nicht mehr, also baute man vier Jahre lang auf einem Hektar Ackerfläche Stroh an. „Sieben Leute waren eine Woche beschäftigt, um 0,1 Hektar zu ernten“, berichtete Fecht von dem ungeheuren Aufwand.

Letztlich wurde ein Kompromiss gefunden. Ein Traktor mit Mähbalken wurde für die Ernte genutzt, und in Bremen entdeckte man eine Dreschmaschine, mit der die Halme gekämmt werden konnten. Der Scheunenbau dauerte insgesamt drei Sommer und im Gebäude sind sieben Kilometer Seil verarbeitet, geflochten aus Stroh.
Politikerin verortet Campus Galli im Tourismus-Segment
Nach dem Rundgang zeigte sich der Gast vom Stuttgarter Landtag absolut beeindruckt und Christine Neumann-Martin will sich mit Klaus Burger nochmals Gedanken über die Möglichkeit einer langfristigen Finanzierungsbeteiligung des Landes machen, wobei sie den Campus Galli ganz klar im Segment „Tourismus“ verortet. Benötigt wird eine langfristige garantierte Unterstützung, wies Bürgermeister Arne Zwick darauf hin, dass die Stadt das Projekt jährlich mit 300.000 Euro alimentiert, was für Meßkirch mit seinen 8500 Einwohnern ein großer Betrag sei. Klaus Burger ergänzte, dass man 85.000 Besucher jährlich benötige, um ein Minus zu vermeiden. Im Jahr 2024 zählte man 78.000 Besucher, wobei aktuell der Monat Juni der beste Monat seit Projektbeginn ist.