Die Martin-Heidegger-Gesellschaft veranstaltet Zusammenarbeit mit der Meßkircher Martin-Heidegger-Stiftung, der Stadt Meßkirch und der Universität Erfurt vom 19. bis 21. September im Schloss Meßkirch die Jahrestagung unter dem Titel „Heidegger und die Frage nach dem Nihilismus“. Die internationalen Tagungen im zweijährlichen Turnus widmen sich philosophischen Grundfragen. Wir haben den Vorsitzenden der Gesellschaft, Holger Zaborowski, über die Tagung und deren Hauptthema befragt.
Herr Professor Zaborowski, was versteht man unter Nihilismus?
Holger Zaborowski: Nihilismus kommt von dem lateinischen Wort nihil, das bedeutet: Nichts. Nihilismus also heißt, dass es mit allem letztlich nichts auf sich hat, dass alles keinen Sinn hat, dass unser Leben also sinnlos ist. Der Nihilismus wurde seit dem 19. Jahrhundert diskutiert. Das ist vor allem mit dem Namen des Philosophen Friedrich Nietzsche verbunden. Auch Heidegger hat sich intensiv mit Nietzsche und der Erfahrung der totalen Sinnlosigkeit auseinandergesetzt. Er hat nach der Bedeutung, nach dem Sinn dieser Erfahrung gefragt. Das ist auch heute noch wichtig.
Was war der Grund, dass für diese Jahrestagung das Thema Nihilismus gewählt wurde?
Zaborowski: Auch in der Gegenwart stellt sich die Frage nach Sinn. Viele Menschen fragen sich, ob es so etwas wie Sinn überhaupt gibt. Ist es nicht eine verbreitete Erfahrung, dass alles letztlich sinnlos sei? Man stellt in ganz verschiedenen Zusammenhängen einen Mangel an Zuversicht und Hoffnung fest. Die Weltlage ist ja auch äußerst deprimierend. Wie kann man darauf antworten? Und welche Bedeutung hat Heideggers Auseinandersetzung mit dem Nihilismus für die Gegenwart?
Wie viele Teilnehmer erwarten Sie zur Jahrestagung?
Zaborowski: Wir rechnen mit etwa 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Aus welchen Ländern kommen die Teilnehmer?
Zaborowski: Es gibt natürlich viele Teilnehmer aus der Region und dem gesamten deutschsprachigen Bereich. Es kommen aber auch Doktoranden aus Ländern wie Argentinien, Italien, Japan, Brasilien oder China. Heidegger fasziniert ja Menschen auf der ganzen Welt. Die Heidegger-Gesellschaft bemüht sich darum, ein Forum für das weltweite Interesse an Heidegger zu bieten und auch für die oft sehr verschiedenen Zugänge zu Heidegger offen zu sein. Und nicht zuletzt geht es auch darum, jüngere Leute anzusprechen und Angebote für die breitere Öffentlichkeit zu entwickeln – zum Beispiel ein Seminar für Menschen ohne Vorwissen. Die Heidegger-Gesellschaft bemüht sich darum, ein Forum für das weltweite Interesse an Heidegger zu bieten und auch für die oft sehr verschiedenen Zugänge zu Heidegger offen zu sein.

Warum befassen sich auch heute noch so viele Menschen mit Heideggers Gedanken und dem fragenden Nachdenken?
Zaborowski: Heidegger ist – bei allen problematischen Aspekten, die es durchaus auch gibt – ein unglaublich vielseitiger Denker. Wer sich mit der Philosophie des 20. oder 21. Jahrhunderts beschäftigt, kommt nicht darum herum, sich auch mit Heidegger auseinanderzusetzen. Er hat viele Fragen gestellt, die auch heute noch von Bedeutung sind. Eine ganz wichtige seiner Fragen betrifft die moderne Technik: Was ist das eigentlich: Technik? Wir alle merken, wie sehr die Technik – die Künstliche Intelligenz, neue Waffentechnologien, die Atomenergie – die gegenwärtige Welt bestimmt und verändert. Aber verstehen wir, was da eigentlich vor sich geht und was das langfristig für uns bedeutet? Darum müssen wir ins Fragen und auch ins Denken geraten. Und dabei kann Heideggers Werk eine wichtige Anregung sein. Es hilft dabei, mehr oder auch tiefer zu sehen, und kann einem die Augen öffnen.
Wie beeinflusst Philosophie das tägliche Leben?
Zaborowski: Man denkt meist, dass die Philosophie eine abstrakte, sehr komplizierte Wissenschaft sei. Diese Seite gibt es natürlich. Aber eigentlich liegen die Wurzeln der Philosophie im eigenen Leben. Wenn ich frage, wer ich eigentlich als Mensch bin, was das gute oder glückliche Leben ist oder was in einer bestimmten Situation das richtige Handeln wäre, stelle ich philosophische Fragen, auch wenn mir das gar nicht bewusst ist. Oder wenn ich nach dem Sinn meines Lebens oder dem Sinn von allem, das ist, frage. Oder wenn ich mich frage, was denn Wahrheit ist, was ich sicher erkennen kann und warum das so ist. Das sind Fragen, die viele Menschen sich vielleicht nicht jeden Tag, aber doch gelegentlich stellen. Aus diesem Grund kann die Philosophie das tägliche Leben stark beeinflussen. Und umgekehrt das tägliche Leben auch die Philosophie. Beides gehört irgendwie zusammen, auch wenn man das oft vergessen kann und Fragen, die man als Mensch stellen sollte, gar nicht stellt und diese Fragen vergisst oder verdrängt. So ähnlich sah das auch Heidegger.
Fragen: Sandra Häusler