Die pensionierte französische Philosophie-Lehrerin Elisabeth Kessler und die chinesische Doktorandin Maxi Wenjun Qi wertschätzen die Stadt Meßkirch mit ihrer Umgebung, das Schloss Meßkirch und das Heidegger-Archiv, was zusammen das konzentrierte Recherchieren und Schreiben befördere. Beide fühlen sich wohl in der Kreutzer-Stadt und saugen die Atmosphäre auf, die den Philosophen Martin Heidegger inspiriert haben mag.
Spaziergang zur Heidegger-Bank
„Ich bin begeistert von der Kirche mit der wunderbaren Orgel“, schwärmt Elisabeth Kessler, die mehrfach zu Heidegger-Tagungen nach Meßkirch gereist war. „Wenn es möglich ist, möchte ich gerne mal ein Orgel-Konzert hören“, wünscht sie sich. Maxi Wenjun Qi läuft gerne den Feldweg entlang bis zum „Bichtlinger Wäldle“, um sich auf die Heidegger-Bank zu setzen. Von dort aus spürt sie den Empfindungen und Gedanken Heideggers nach, was ihr ein tieferes Bild des Meßkircher Philosophen vermittle.
Wie Elisabeth Kessler bemerkt, habe Heidegger einmal Leibniz zitiert, der meinte: Wer mich nur aus meinen Veröffentlichungen kennt, kennt mich nicht. Maxi Wenjun Qi promoviert seit 2023 an der Universität Erfurt bei Professor Dr. Dr. Holger Zaborowski, der ihr den Aufenthalt in Meßkirch vermittelte, damit sie sich ganz auf ihr Doktorarbeit fokussieren könne. Das sei fantastisch, wie sie bestätigt. Wie sie sich erhofft hatte, könne sie ihre Schreibeffizienz steigern und finde im Archiv die Quellen, die sie brauche.
Daseinsanalytik und Seinsfrage
Für die Chinesin, die in Peking Latein unterrichtete, war ihr erster Besuch in Deutschland, wo sie von 2007 bis 2012 studierte, ein Kulturschock. Bei ihrer zweiten Anreise nach Deutschland, war ihr bereits vieles vertraut. Darüber hinaus kommen an der Universität etliche Nationen zusammen. Das Doktoranden-Kolloquium in Erfurt sei sehr international besetzt, im Forschungskolleg „T3 – Theologie – Tradition – Transformation“, dem sie ebenfalls angehört, sei sie die einzige nicht-deutsche Teilnehmerin. Für ihre Doktorarbeit befasst sich Maxi Wengun Qi mit der Selbstinterpretationen von Martin Heidegger. „Ich analysiere sie systematisch, um ein klareres Bild von der Daseinsanalytik, der Seinsfrage und dem Begriff der Freiheit zu gewinnen“, erklärt sie.
Annäherung an die Ich-Perspektive von Heidegger
Zugleich prüfe sie, welche Aspekte dieser Denkbewegung für die heutige und zukünftige Philosophie tragfähig bleiben können. Heidegger habe über 40 Jahre hinweg kontinuierlich Anmerkungen zu seinem Hauptwerk „Sein und Zeit“ verfasst, neu interpretiert und methodisch weiterentwickelt. Professor Zaborowski habe das Thema angeregt, das sie richtig spannend findet. In Meßkirch könne man nicht nur gut arbeiten, sondern komme auch der Ich-Perspektive des berühmten Meßkircher Philosophen näher.
„Vom Geheimnis des Glockenturms“
Beide Philosophinnen finden es überwältigend, die Glocken der St. Martinskirche, die Heidegger in seiner Schrift „Vom Geheimnis des Glockenturms“ thematisiert, besonders gut in den Gastzimmern im Meßkircher Schloss zu hören.
Wie einen Wallfahrtort empfinden sie den Friedhof mit dem Grab Martin Heideggers. Sie genießen die Zeit in Meßkirch und nutzen sie intensiv für ihre Studien. Gefreut hat es sie, dass ihnen Bürgermeister Arne Zwick mit einer kleinen Delegation einen Besuch abstattete und sie begrüßte.
Seit 19 Jahren regelmäßig in Meßkirch
„Ich brauche die Bücher, die sich im Archiv befinden“, erzählt Elisabeth Kessler von ihren Studien und Recherchen. Seit 2006 kommt sie regelmäßig nach Meßkirch, um an wichtigen Tagungen teilzunehmen. Die Französin, die im Elsass geboren wurde, ist kosmopolitisch unterwegs. Ihre Muttersprache ist Französisch, sie hat aber in Deutschland studiert und pendelte etliche Jahre zwischen den USA und Frankreich. „Ich empfinde es als unglaublich wohltuend, mich in Deutsch ausdrücken und mich hier unterhalten zu können“, erzählt sie. Jedes Gespräch empfindet sie als Bereicherung. Besonders schätzt sie die Sprache Heideggers, denn gerade die philosophische Sprache ist ihr wichtiges Metier. Sie übersetzte Texte von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling ins Französische. Die Vorbehalte gegenüber Heidegger auch in Frankreich hätten dafür gesorgt, dass die Phänomenologie fast von der Bühne verschwunden sei zugunsten einer formalen analytischen Philosophie.
Schreib-Klausur im Schloss
Auf die Frage, ob die Künstliche Intelligenz (KI) fähig sei, Martin Heideggers Schriften zu übersetzen, antwortet Maxi Wenjun Qi mit „Ja“. Allerdings schränkte sie ein, dass man die KI vorher mit vielen Informationen füttern müsse. „Vielleicht kann die KI ja etwas Neues finden“, mutmaßte Elisabeth Kessler. „Es war ein bedeutungsvoller Monat in Meßkirch“, bestätigen beide Philosophinnen, der sie deutlich weitergebracht habe. In Meßkirch wissenschaftliche zu arbeiten, sei wie eine Art Schreib-Klausur oder Exerzitien, da man kaum abgelenkt werde.