Rund drei Stunden dauerte die Bürgerinformationsveranstaltung am Dienstagabend in der Stadthalle, die vom Landkreis und Spitalfonds gemeinsam veranstaltet wurde. Mehr als 350 Besucherstühle hatte Hausmeister Tibor Eckrich bereit gestellt, aber drei von vier Stühlen bleiben unbesetzt. „Man hat den Eindruck, dass die Entscheidung schon gefallen ist“, fragte Wilhelm Wicker aus Ostrach Richtung Podium, auf dem neben Landrätin Stefanie Bürkle, Bürgermeister Thomas Kugler, SRH-Geschäftsführer Jan-Ove Faust, Gutachter Dr. Arne Berndt von WMC Healthare sowie Werner Stalla, Geschäftsführer der SRH Gesundheit GmbH den Fragestellern Rede und Antwort standen. Online zugeschaltet war Dr. Layla Distler vom Sozialministerium, die das Modell der Primärversorgungszentren vorstellte.

Bundesweiter Trend zu größeren Strukturen bei Krankenhäusern

Landrätin Bürkle verhehlte nicht, dass nach den positiven Voten des Spitalfonds und dem Kreistagsausschuss sich ein klares Bild ergebe. Das Zweitgutachten habe bestätigt, dass durch die Konzentration der stationären Versorgung in Sigmaringen sowie die Schließung beziehungsweise Umnutzung der Krankenhäuser Bad Saulgau und Pfullendorf eine gesicherte und hochwertige Gesundheitsversorgung für die Kreisbevölkerung möglich sei. Zuvor hatte WMC-Experte Berndt die Eckpunkte das Zweitgutachtens präsentiert und deutlich gemacht, dass es seit etlichen Jahren den Trend zu größeren Strukturen gebe und die eigentliche Herausforderung für den Landkreis in der unzureichenden ambulanten Ärzteversorgung liege.

Landrätin warnt davor, dass man alles verlieren könne

„Wir haben viele Jahrzehnte um die drei Standorte gekämpft, aber wenn wir alles halten, besteht die Gefahr, dass wir alles verlieren“, appellierte die Kreischefin eindringlich an die Menschen, sich auf die notwendigen Veränderungen einzulassen: „Es wird nicht alles schlechter, nur anders.“ Mehrfach betonte sie, dass die stationäre Versorgung für alle Kreisbürger gesichert sei, denn nach der Fertigstellung des Neubaus in Sigmaringen verfüge man über ausreichende Kapazitäten bei Betten, Operationen und der Notaufnahme. „Die Versorgung, die ein Krankenhaus leisten muss, ist gesichert“, pflichtete WMC-Experte Berndt bei und er zeigte sich optimistisch, dass diese Veränderungen auch die Chance biete, etwas Neues zu gestalten. Auch Bürgermeister Kugler hatte zu Beginn deutlich gemacht, dass er die Enttäuschungen und Sorgen verstehe, aber man müsse sich der Situation stellen.

Übergangsfrist bis zur Schließung der Krankenhäuser Pfullendorf und Bad Saulgau

Erst nach Inbetriebnahme des Sigmaringen Neubaus im Mai oder Juni 2023 will man die kleineren Häuser schließen, wobei man bezüglich Nachnutzungskonzepten schon jetzt Gespräche führe, wie für eine mögliche Kurzzeitpflege in Bad Saulgau, ergänzte Landrätin Bürkle. Deren Bürgermeisterin Doris Schröter versteht nicht, dass man das funktionierende, gut ausgestattete Krankenhaus in ihrer Stadt schließen und damit bestehende Strukturen zerstört, wo doch angesichts der prognostizierten Flüchtlingszahlen aus der Ukraine jedes Krankenhausbett benötigt werde. Sie wandte sich direkt an Layla Distler und fragte, ob jetzt nicht die Zeit sei, über den Schließungsmarathon des Landes bei kleineren Krankenhäusern nachzudenken. „Ich bin nicht befugt politisch zu antworten“, erklärte die Ministeriumsvertreterin und ergänzte, dass man sich der Problematik sehr wohl bewusst sei und deshalb eine Lenkungsgruppe eingerichtet wurde.

Land will kommunales Engagement unterstützen

Vom Sozialministerium war Dr. Layla Distler zugeschalten.
Vom Sozialministerium war Dr. Layla Distler zugeschalten. | Bild: Volk, Siegfried

„Wir müssen medizinische Kompetenz bündeln“, nannte Distler als erklärtes Ziel des Landes. Dazu müsse man auch die Mauern zwischen ambulanter und stationärer Versorgung ein Stück weit aufbrechen, was schwierig sei. Zur Sicherung der Gesundheitsversorgung müssen nach ihrer Überzeugung Kommunikation und Koordination verbessert sowie Netzwerke geknüpft werden, und diese Rolle könnte ein Kümmerer übernehmen, wie er in der Konzeption von Primärversorgungszentren vorgesehen ist. Auch die Attraktivität des Pflegeberufes müsse erhöht werden, denn derzeit betrage die durchschnittliche Verweildauer sieben Jahre. Mit Förderprogrammen versuche das Land, die Landarztversorgung zu verbessern, versicherte Distler, dass man kommunales Engagement bei der Bewältigung dieses Problems unterstütze.

An den kleineren Standorten waren keine Investitionen möglich

SRH-Geschäftsführer Faust erläuterte das Dilemma der SRH Kliniken im Landkreis. Die Krankenhäuser Pfullendorf und Bad Saulgau hätten Mühe gehabt, überhaupt ihre Betriebskosten zu erwirtschaften, was zum Ausbleiben von Investitionen führte. Laut Gesetz müssten die Länder Investitionen bei Krankenhäusern komplett übernehmen, was bundesweit nicht passiere und so müssten die Kliniken selbst aus dem laufenden Betrieb die nötigen Finanzmittel erwirtschaften. Gleichzeitig übernehmen Krankenhäuser angesichts der ärztlichen Unterversorgung im Landkreis quasi ambulante Behandlungen, die nicht adäquat von den Kostenträgern honoriert werden, was die finanzielle Situation verschärfe. Werner Stalla, Geschäftsführer Gesundheit GmbH, ergänzte, dass das Land künftig eine Schwerpunktfinanzierung im Krankenhauswesen betreibe, wobei er zuversichtlich ist, dass Sigmaringen für den zweiten Bauabschnitt wieder Fördergelder bekommen wird.

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SRH will bestehendes Medizinisches Versorgungszentrum in Bad Saulgau ausbauen

„Was bietet SRH der Raumschaft Bad Saulgau an?“, fragte Larissa Kott-Kessler vom dortigen Krankenhausförderverein. „Wir hören viele warme Worte, haben aber keine Umsetzungsgarantie“. Werner Stalla versicherte, dass SRH zum Ausbau des bestehenden Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in Bad Saulgau bereit sei: „Wir leisen unseren Beitrag.“ Man versuche, das MVZ weiter auszubauen, ergänzte Jan-Ove Faust, dass diese Einrichtung auch von jemand anders betrieben werden könne. Keine Informationen gab es von den Beiden, ob das Schlaflabor und die urologische Belegabteilung am Krankenhaus Pfullendorf bleiben, was bei der jüngsten Sitzung des Spitalfonds gefordert worden war.

Finale Entscheidungen in der Kalenderwoche 11

Der Kreistag entscheidet am 14. März final, der Gemeinderat Pfullendorf am 17. März und dann läuft die Übergangsfrist bis zur Schließung beziehungsweise Umnutzung der Krankenhäuser Bad Saulgau und Pfullendorf. Landrätin Stefanie Bürkle hofft, in einigen Wochen oder Monate schon konkrete Ergebnisse für deren Nachnutzungen verkünden zu können.