Ohne das Intervenieren von Olaf Brandt würde das Archiv von Illmensee sicherlich nicht so hervorragend dastehen, wie heute. Viele Dokumente sind inzwischen digitalisiert, der Fundus an historischen Aufnahmen ist beeindruckend, meterweise sind die Regale gefüllt mit penibel beschrifteten Boxen und Schubern. Ein so außergewöhnlicher Fundus ist nicht selbstverständlich für eine Gemeinde dieser Größenordnung. Von kommunalen Dokumenten wie Grund- und Rechnungsbücher über Originalurkunden, die bis ins 16. Jahrhundert reichen, bis hin zu Tagebüchern eines Landwirts aus der Zeit des napoleonischen Krieges birgt das Gemeindearchiv wahre Schätze. Auch private Fotos, Nachlasse und Publikationen aus Familien- und Vereinsarchiven legen Zeugnis über die Vergangenheit ab. Das „Gedächtnis der Gemeinde“ ist dem 78-Jährigen eine Herzensangelegenheit. Mittlerweile ist auch das Pfarrarchiv integriert und ein Archivkreis wurde gegründet.

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Rettung aus der Kläranlage

Wie fing alles an? „Meine Frau und ich interessieren uns sehr für Geschichte. Eines Tages wollte ich auf der Gemeinde etwas recherchieren und fragte nach dem Archiv. Der damalige Hauptamtsleiter meinte zu mir: Gucken Sie mal in der Kläranlage.“ Tatsächlich lagerten im Keller des dortigen Gebäudes alte Bücher, Fotografien, Landkarten, Mappen, Protokolle und sonstige Schriftstücke. 1971 waren die Gemeinden Illmensee, Illwangen und Ruschweiler mit allen ihren Unterlagen zusammengelegt worden und es war ein ganzer Wust an Akten zusammengekommen. Der Anblick muss ein Schock für Brandt gewesen sein. „Desaströse Zustände, alles lag kreuz und quer durcheinander“, erinnert er sich. Die Feuchtigkeit hatte den Archivalien teilweise schon arg zugesetzt, hinzu kamen Mäusefraß und Pilzbefall. Weiteres Archivgut befand sich in alten Garagen und auf dem Dachboden des Rathauses.

Archivgut wird restauriert

Stephan Seidel, Christiane Wachsmann, Olaf Brandt und Matthias Reichle (von links) bilden die Projektgruppe „Archiv“.
Stephan Seidel, Christiane Wachsmann, Olaf Brandt und Matthias Reichle (von links) bilden die Projektgruppe „Archiv“. | Bild: Johanson, Kirsten

Brandt überzeugte den damaligen Bürgermeister Bernhard Stadler, dass das Archiv gerettet werden müsse und erklärte sich bereit, die Archivalien zu ordnen und zu inventarisieren. Ehrenamtlich und neben seiner beruflichen Tätigkeit als Lehrer. Bauhof-Mitarbeiter brachten alles aus der Kläranlage ins Rathaus, wo ein Archivraum eingerichtet wurde. „Ich habe angefangen, die Schriftstücke zu sortieren und musste so manches an die Wäscheleine zum Trocknen hängen.“ Zum Aufarbeiten und Konservieren wurden ramponierte Schriften zum Restaurator geschickt.

Die Insel im Illmensee

Ein besonderes Stück ist die Landkarte von 1805.
Ein besonderes Stück ist die Landkarte von 1805. | Bild: Johanson, Kirsten

„Olaf Brandt ist ein leidenschaftlicher Bewahrer und Erforscher unserer Dorfgeschichte“, sagt Bürgermeister Michael Reichle. Nicht nur das Systematisieren macht Olaf Brandt Freude, er forscht und recherchiert auch mit Begeisterung. „Archivalien haben viel zu erzählen“, sagt er. Mehrere Bücher und Aufsätze hat er schon geschrieben, so etwa zur Geschichte der Kapelle Ruschweiler, zur Feuerwehr oder „Illmenseer Erzählungen“. Sehr beschäftigt hat ihn das Schicksal von Anna Frirdich aus Ruschweiler, die sich als 16-Jährige in den polnischen Zwangsarbeiter Mirtek verliebte. Mirtek wurde in Ruschweiler erhängt, Anna erhielt eine Haftstrafe im KZ Ravensbrück. Eines der jüngsten Projekte ist die Erforschung der „Geometerischen Mappa“ von 1805. Diese handgezeichnete, colorierte und mittlerweile aufwändig restaurierte Landkarte erzählt die Geschichte, als der Wasserspiegel des Illmensees noch deutlich höher und die Halbinsel noch eine Insel war. Hierzu hat der Archivar eine fast 80-seitige Abhandlung verfasst. Jetzt forscht er über die Geschichte der Wasserversorgung.