Die Bundesregierung hat zur Eindämmung der Corona-Infektionen für den Monat November einen Teil-Lockdown ausgesprochen. Leere Parkplätze vor und hochgestellte Stühle in den Lokalen zeugen davon, dass in der Gastronomie derzeit Stillstand herrscht. Lediglich die Ausgabe von Take-Away-Mahlzeiten und Lieferservice sind erlaubt.

Leonhard Diez und seine Frau führen mit dem Landgasthof Adler einen Familienbetrieb. Geringfügig Beschäftigte in Küche und Service mussten sie ab dem 2. November nach Hause schicken. „In den letzten drei Tagen vor dem Lockdown waren wir jeden Abend entsprechend der Abstandsregelung ausreserviert. Da wollten die Leute die Chance noch nutzen, es weiß ja keiner so genau, wann es weitergeht“, erzählt Diez. Dieses Mal sei die Gastronomie relativ frühzeitig in Kenntnis gesetzt worden. „Wir hatten noch vier Tage Zeit zum Reagieren. Der erste Lockdown kam ja von heute auf morgen.“ Salate und andere Frischwaren habe er im März nicht mal eben vakuumieren und einfrieren können.
Nach Aufhebung des ersten Lockdowns sei es für ihn ein Vorteil gewesen, einen großen Außenbereich mit Terrasse und Biergarten zu haben. Diez hat die Erfahrung gemacht, dass sich viele Gäste nicht so gerne in geschlossenen Räumen aufhalten und verunsichert sind. Die Wirtsleute im Adler haben keine Plexiglas-Trennwände in der Gaststube aufgestellt, haben keine Zelte oder Heizpilze für draußen angeschafft, aber natürlich in Händedesinfektionsmittel und Spender investiert. „Druckerpatronen und Papier für die Zettel zur Nachverfolgung haben wir auch schon jede Menge verbraucht“, erzählt Diez.
Einen Abholservice wird der Adler nicht anbieten. „Das ist für uns zu aufwändig, schon allein vom Verpackungsmaterial. Ich glaube auch nicht, dass es sich in Illmensee von der Nachfrage her lohnt. Und wer kommt aus Heiligenberg oder Wilhelmsdorf extra hierher gefahren?“ Was die staatliche Entschädigung betrifft, habe er mit seinem Steuerberater gesprochen. „Doch da weiß ich noch nichts Konkretes.“ Die Ausrichtung von Weihnachtsfeiern sei jedenfalls kein Thema mehr, doch Diez hofft, dass das Weihnachtsgeschäft nicht ganz den Bach runter geht. „Aber ich bin skeptisch, ob wir im Dezember wieder öffnen dürfen, und viele Leute, mit denen ich geredet habe, sehen das auch so.“
In der Branche geht viel kaputt

Im Gegensatz zu Diez hat Georg Wetzel vom Hackl Schorsch versuchshalber zwei Heizpilze angeschafft, doch die müssen auf ihren Einsatz noch warten. „Dass es zu einem zweiten Lockdown kommt, hätte ich nicht gedacht. Meiner Meinung nach verlagert sich das jetzt ins Private, die Leute treffen sich in großen Gruppen nicht-öffentlich. Und zwar ohne Abstands- und Hygieneregeln, wie wir sie in der Gastronomie haben.“ Sein Lokal, für das auch in der Zwangspause weiterhin Pacht zu zahlen ist, hatte Wetzel entgegen der üblichen Öffnungszeiten in den letzten Monaten bereits um 23 Uhr geschlossen, an der Theke durfte niemand sitzen. In seiner Kulturscheune fanden 2020 überhaupt keine Veranstaltungen statt. „Da hängen ja noch viel mehr Leidtragende dran, wenn Discos und Bühnen dicht machen, Musiker, Messebauer, Veranstaltungstechniker… In der Branche geht viel kaputt.“
Die Ungewissheit, wie und wann der Hackl Schorsch wieder öffnet, mache seinen Mitarbeitern psychisch zu schaffen. Im Gegensatz zur ersten Schließung im März hat sich Wetzel entschlossen, dieses Mal von dienstags bis sonntags Essen zum Mitnehmen anzubieten. Gutscheine für den Tag X stelle er jedoch keine aus. „Wenn der Lockdown nämlich länger dauert, weiß ich doch gar nicht, ob ich wieder aufmache.“ Jetzt hat er vor, die Räume zu streichen und den Biergarten winterfest zu machen.
Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt

Hans-Peter Kleemann vom Berggasthof Höchsten macht keinen Hehl daraus, dass er enttäuscht und wütend ist. „Ich will nichts verniedlichen, aber ich stelle die Verhältnismäßigkeit in Frage und sehe die Gastronomie als Bauernopfer. Von der Politik bin ich total enttäuscht. Das ist wie ein Schlag ins Gesicht und zeigt, wie gering die Wertschätzung gegenüber uns Gastronomen ist. Der Bogen ist überspannt“, redet Kleemann Klartext. Ein ganzer Wirtschaftszweig werde mit den Maßnahmen abgetötet. Die Schließung der Gastro-Betriebe ist aus seiner Sicht nicht die Lösung. „Das RKI hat ja nachgewiesen, dass aus dem Speiserestaurantbetrieb so gut wie keine Infektionen ausgehen.“ Die Gastronomen, ein paar schwarze Schafe ausgenommen, hätten vorbildlich alle geforderten Hygiene- und Abstandsmaßnahmen umgesetzt, sie seien gewissenhaft der Registrierungs- und Desinfektionspflicht nachgekommen.
„Das Restaurant um 21 Uhr schließen und den Barbetrieb komplett einstellen, damit hätte ich leben können.“ In der Branche seien die Gewinnspannen ohnehin schon gering, 2020 könne man betriebswirtschaftlich komplett knicken. „Im Sommer hat uns die große Gartenwirtschaft gerettet, auch die Gästezimmer waren gut belegt, das hilft uns über den Winter.“ Im angeschlossenen Hotel hat Kleemann jetzt alle Herbstbuchungen storniert, auch für Geschäftsreisende. „Die Verunsicherung der Gäste ist in der Hotellerie ein großes Thema. Das ging schon in der zweiten Oktoberhälfte los. Da hatten wir ja kurzfristig das Beherbergungsverbot.“ Die Einbußen beziffert er im Vergleich zum Vorjahresmonat mit über 20 Prozent.
40 Mitarbeiter in Kurzarbeit
Drei Mitarbeiter hat Kleemann auch während des Lockdowns weiterhin in Vollzeit angestellt, 40 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Auszubildenden gegenüber kann normalerweise keine Kurzarbeit angeordnet werden und so muss Kleemann seine acht Azubis beschäftigen. „Drei sind in der Berufsschule, andere nehmen ihren Jahresurlaub. Wir machen Putzaktionen und Gartenarbeit im Kräutergarten, veranstalten für die Azubis interne Schulungen in Theorie, Service und Küche. Außerdem sind sie eingebunden in den Abholservice, sofern wir dieses Mal einen anbieten.“ Beim ersten Lockdown habe es ganz gut funktioniert, die Holzofen-Dinnete seien gut angekommen und wahrscheinlich werde man auf dem Höchsten an den Wochenenden wieder einen Außer-Haus-Verkauf auf Vorbestellung anbieten.
Diese Einnahmen müsse er übrigens zu 100 Prozent versteuern. „Als staatliche Soforthilfe wurden uns dieses Mal bis zu 75 Prozent des Umsatzes vom November 2019 versprochen. Doch das ist eine Mogelpackung, es ist schon durchgesickert, dass das Kurzarbeitergeld hier angerechnet wird. Ich muss am Ende froh sein, wenn zehn Prozent übrig bleiben“, ist Kleemann pessimistisch. Ob er an eine Wiedereröffnung im Dezember glaubt? „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“