Überlingen Der Begriff bezahlbarer Wohnraum ist bereits zu einem Gemeinplatz geworden. Die Baugenossenschaft Überlingen (BGÜ) ist bemüht, Wohnungen dieser Art zu schaffen und bereitzustellen. Rund 170 Mietwohnungen sind im Zuge des vom Bund geförderten Vorzeigeprojekts in den 14 Gebäuden des Stadtquartiers Q5 an der Anna-Zentgraf-Straße zwischen 2018 und 2022 entstanden. Bereits vor drei Jahren hat die BGÜ das nächste Kapitel aufgeschlagen und bereitet seitdem den Weg, ihren Bestand am Hildegardring zu modernisieren und zu erweitern. So sind insgesamt 56 neue Wohnungen geplant. In die aktuellen Lücken zwischen den Mehrfamilienhäusern sollen drei zusätzliche Gebäude platziert werden. Darüber hinaus sollen mehrere bislang viergeschossige Gebäude um zwei Ebenen aufgestockt werden.
Vor diesem Hintergrund ist der Widerstand zu sehen, der sich vor allem in den exklusiven Eigentumswohnungen in der Anna-Zentgraf-Straße 2 bis 8 zusammengebraut hat. Aus diesem Bereich kommt die überwiegende Mehrzahl der kritischen Einwendungen, die auf die jüngste Offenlage des vorhabenbezogenen Bebauungsplans eingegangen sind. Es kamen in der Abwägung von öffentlichen und privaten Belangen nahezu 120 Seiten zusammen, von denen die privaten Stellungnahmen und deren Bewertungen allein mehr als 100 Seiten umfassen. Kritisiert wurde unter anderem die zu massive Verdichtung mit Gebäuden von rund 20 Metern Höhe. Es entstehe ein schluchtartiger Hildegardring, der es „in seiner Anmutung mit jeder verdichteten Lage einer Großstadt“ aufnehmen könne. Zudem seien soziale Brennpunkte absehbar.
„Ziel der Stadt Überlingen ist es, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, bei einem möglichst geringen Flächenverbrauch“, hält die Verwaltung entgegen. „Dieses Ziel kann mit der Nachverdichtung und Aufstockung, wie es hier umgesetzt werden soll, erreicht werden.“ Auch die mikroklimatischen Auswirkungen der Neuplanung seien nochmals ermittelt worden und veränderten sich „nicht grundlegend“, heißt es. Mit dem Hinweis auf die im Geschäftsbericht der BGÜ ausgewiesenen Investitionen von 20 Millionen Euro für 56 Wohnungen zeigen sich Bürger skeptisch, ob das ausgewiesene Ziel der preiswerten Mietwohnungen erreicht werden kann.
Im Zentrum der zahlreichen, teils ähnlich lautenden Stellungnahmen steht allerdings der Vorhalt, dass die Aufstockung und Verdichtung im nahen Umfeld unter anderem die eigene Aussicht, damit die eigene Wohnqualität und der Wert der eigenen Wohnungen gemindert werde. Man habe den Eindruck, als ob hier „ein Amazon-Logistik-Zentrum“ vor der eigenen Haustür errichtet werde, heißt es. Ein Bevollmächtigter vertritt dabei einen Eigentümer oder eine Eigentümerin von acht Wohnungen in der Anna-Zentgraf-Straße 2-8, wie er ausdrücklich betont. Neben der Beeinträchtigung des Wohnungswerts sorgt sich diese Stellungnahme sogar um Reptilien, die künftig hier „einwandern“ könnten. Was durch die Nachverdichtung verhindert werde.
Nicht aus diesem Grund, sondern, weil im letzten Moment vor dem geplanten Satzungsbeschluss im Mai einige Ungereimtheiten und Unvereinbarkeiten aufgetaucht waren, hatte der Vorhabenträger seine Planung wenige Tage vor der Sitzung noch einmal zurückgezogen. Die Stadtverwaltung musste den Antrag kurzfristig von der Tagesordnung des Ausschusses nehmen. Was den Unmut einiger Zuhörer heraufbeschwor, die deshalb gekommen waren. „Wir haben die Mitteilung vom Vorhabenträger zu spät bekommen, um den Punkt noch von der Tagesordnung nehmen zu können“, erklärte Baubürgermeister Thomas Kölschbach.
Schon mit dem Bau des neuen Stadtquartiers hat die BGÜ auch ihren Altbestand an die zentrale Wärmeversorgung angeschlossen. Mit der geplanten Erweiterung sollen alle Dächer – sowohl der Bestandsgebäude als auch der Neubauten – teilweise begrünt und mit Photovoltaikanlagen bestückt werden. Auf mehreren Gebäuden ist auch das Anlegen eines Dachgartens vorgesehen. Zur Unterbringung des ruhenden Verkehrs ist der Bau von zwei weiteren Tiefgaragen geplant. Die bestehende Tiefgarage soll um ein Geschoss erweitert werden. Die bestehenden Garagen entlang des Hildegardrings sollen entfallen, um unter anderem die Einfahrten für die Tiefgaragen zu realisieren.
„Wir handeln ja ganz im Sinne der neuen Bundesbauministerin“, sagt Projektleiterin Sonja Strasser (BGÜ), „die gerade diese Nachverdichtung fordert, wie wir sie vornehmen.“ Man habe auch alle Einwände hinsichtlich akustischer und mikroklimatischer Beeinträchtigungen noch einmal überprüfen lassen und sei in der Planung bestätigt worden. Lediglich bei einigen Nebenanlagen habe es kleine Unstimmigkeiten gegeben. Dennoch müsse es nach den Veränderungen noch einmal eine verkürzte Offenlage geben. Daher rechnet Sonja Strasser mit dem Satzungsbeschluss durch den Gemeinderat nun im November und mit einer Baugenehmigung im ersten Quartal 2026.