Starkregen-Ereignisse nehmen zu. Immer häufiger melden Städte und Dörfer „Land unter“. Die baden-württembergische Landesregierung veröffentlichte deshalb 2021 einen Leitfaden zum kommunalen Starregenrisikomanagement. Darauf basierend, legte Überlingen jetzt eine Starkregengefahrenkarte vor.
In Sipplingen ist es noch nicht so weit. Die Gemeinde erforscht gegenwärtig mögliche Förderungen, um ein solches Konzept zu erstellen. Angeregt hatte dies Franz Widenhorn im November 2024. Weil keine Reaktion erfolgte, schrieb er Ende Januar einen Brandbrief an alle Gemeinderäte und Bürgermeister Oliver Gortat. Widenhorn wies darauf hin: „So ein Starkregen kann uns jederzeit wieder heimsuchen. Wir sollten darauf vorbereitet sein.“
Der Sipplinger weiß, wovon er spricht, denn der 24. Juni 1992 ist in der Chronik Sipplingens dick umrandet. An diesem Tag öffnet der Himmel über der 2000-Seelen-Gemeinde seine Schleusen. Der SÜDKURIER schreibt damals, dass „die Wassermassen sintflutartig vom Berg kamen“. Wenig später muss das benachbarte Ludwigshafen Katastrophenalarm auslösen.
Es habe sich um ein Jahrhundertwetter gehandelt, erklärt der SÜDKURIER. Doch dass solche Unwetter nicht nur einmal alle 100 Jahren eintreten können, sondern jederzeit und immer häufiger, davon kann das benachbarte Überlingen ein Lied singen. Schließlich wird die Altstadt im Juni 2019 und im September 2024 gleich zweimal innerhalb von fünf Jahren Opfer von Regenwasser-Fluten.
Starkregen führt zu chaotischen Zuständen
Vor 33 Jahren führt das Starkregen-Ereignis, wie es heute im Behördendeutsch genannt wird, am späten Nachmittag zu chaotischen Zuständen in Sipplingen. Der SÜDKURIER berichtet: „Die Wassermassen rissen Straßen auf, überfluteten Keller und Wohnungen und machten die Seestraße (Bundesstraße 31) unpassierbar.“ Hunderte Kubikmeter Schlamm und Geröll hätten abtransportiert werden müssen. Auch höher gelegene Häuser hätten unter Wasser gestanden. Wegen eines Erdrutsches habe die Morgengasse halbseitig gesperrt werden müssen.
Redakteur Wilhelm Leberer schreibt: „Das Wasser vom Sipplingerberg ließ einen Teil des mitgerissenen Gerölls und Schlammes zwar im Bereich der ebenen Fläche im Gewerbegebiet zurück, suchte dann aber unerbittlich seinen weiteren Weg durch den Ort in Richtung Bodensee.“ Zahlreiche Keller und Wohnräume an der Seestraße muss die Feuerwehr leer pumpen. 26 Notrufe gehen bei den Blauröcken ein, die laut ihres damaligen Kommandanten Bertold Biller „teilweise bis zum Bauch im Wasser“ standen.
Verkehr auf B31 kommt zum Erliegen
Auf der Bundesstraße 31 kommt der Verkehr zum Erliegen. Dort steht das Wasser zeitweilig bis 80 Zentimeter hoch. Zwei Erdrutsche – einer zwischen Bahnhof und der Straße In der Breite – blockieren die Fahrbahn. Der SÜDKURIER zitiert den damaligen Leiter der Straßenmeisterei Überlingen, Herbert Herzog: „Das Wasser in den oberen Straßen stürzte sintflutartig über die Böschungen und riß Erde und Gebüsch mit sich.“
Erst abends sei die Straße wieder passierbar gewesen. Ein Kleinbus und ein Personenfahrzeug werden von den Geröllmassen beschädigt, beziehungsweise in die Leitplanke gedrückt. Menschen seien dabei nicht zu Schaden gekommen. Insgesamt werden nach dem Unwetter bei der Gemeinde 27 Fälle für die Gebäudeversicherung gemeldet. Der damalige Bürgermeister Kurt Binder schätzt seinerzeit, dass die Schäden in die Hunderttausende gehen dürften.

Auf Rückfrage des SÜDKURIER bei der Gemeinde Sipplingen, wie sie gegenwärtig auf die Wiederholung eines solchen Unwetters vorbereitet ist, wird deutlich, dass Sipplingen noch ganz am Anfang eines Prozesses steht, der 2021 von der Landesregierung zur Risikominimierung vorgeschlagen wurde.
Der Fachbereichsleiter Zentrale Verwaltung, Christoph Huber, antwortet, man befände sich „aktuell (…) in enger Abstimmung mit dem Landratsamt Bodenseekreis, um eine mögliche Förderung zur Erstellung eines Starkregenmanagementkonzepts zu erhalten“. Huber schreibt, die Umsetzung des Leitfadens des Landes „befindet sich derzeit in Vorbereitung“.
Die drei Abschnitte, die in der Regel wegen ihrer Komplexität von einem Ingenieurbüro erarbeitet werden müssen, sind:
- die Gefährdungsanalyse, also die Starkregenkarten (wie in Überlingen)
- die Risikoanalyse. Auf Basis der Karten werden Hauptfließwege des Wassers und hauptsächliche Überschwemmungsgebiete erarbeitet.
- das Handlungskonzept. Es umfasst „planerische, baulich/technische und organisatorisch/administrative Maßnahmen, die starkregenbedingte Überflutungsschäden auf kommunaler Ebene verhindern beziehungsweise vermindern“ sollen.
Hochwasserschutzkonzept steht bereits
Laut Christoph Huber war die Gemeinde in der Vergangenheit nicht untätig. Sie habe verschiedene Maßnahmen ergriffen, „um auf Starkregenereignisse besser vorbereitet zu sein“ und verweist auf das Hochwasserschutzkonzept. Dazu gehören:
- ein Sand- und Sedimentfang am Sulzbach zur Verbesserung der Abflussleitung in der Bachverdolung
- der Bau eines Geröllfangs am Landungsplatz
- mehrere Regenüberlaufbecken im Badstubenweg, in der Rathausstraße und am Sulzbach sowie die Verbesserung der Abflussleitung des Bonenbachs in Süßenmühle
- Der Gießbach, der Hörnlebach und der Wiedenbach werden regelmäßig überprüft.

Huber: „Ein strukturierter, schriftlich fixierter Notfallplan liegt aktuell nicht vor“, aber dessen Ausarbeitung sei, „wie eine gezielte Verbesserung der Bürgerinformation“, geplant.