Hermann Billmann

Vergangenen Mittwochabend gehe ich durchs Städtchen und höre zum ersten Mal wieder bewusst die vertrauten Glocken der Stadtkirche. Aha, es wird wieder zum Gottesdienst in St. Jakobus eingeladen, wie kommenden Sonntag auch in die Christuskirche! Das klingt doch wie der Anfang vom Ende einer schwierigen Zeit und stimmt mich hoffnungsfroh. Zugleich aber wird mir klar, dass ja die Fastenzeit eingeläutet wird!

Schon wieder Leidenszeit?

Auch in den evangelischen Kirchen hat diese begonnen, hier wird sie Passionszeit genannt, Leidenszeit. Hört sich das wirklich hoffnungsvoll an? Tatsächlich stöhnen bereits Karikaturisten und Andere: Schon wieder fasten? Nach fast einem Jahr Corona sollen wir uns jetzt Enthaltsamkeit und Erdulden predigen lassen? Diese Zeit mit zwei Lockdowns hat uns in der Tat Einschränkungen diktiert, wie wir sie sonst nicht gewohnt sind.

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Aber Fasten- oder Passionszeit meint etwas anderes. Am ersten Sonntag in der Passionszeit wird in den evangelischen Kirchen an die Versuchungsgeschichte Jesu erinnert. Jesus geht in die Wüste, um 40 Tage und Nächte zu fasten. Bewundernswert.

Geschichte hinter Geschichte

Aber die eigentliche Geschichte spielt hinter der Geschichte, und die ist noch bewundernswerter: Jesu eigentliches Fasten ist sein sehr bewusstes Nein zu den Verführungskünsten des Teufels: „Du hast doch Hunger. Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden! Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hier hinab. Es steht doch geschrieben, dass Engel dich auf Händen tragen. Alle werden dich feiern.“ Und schließlich lockt der Teufel Jesus mit der Macht über alle Reiche, wenn er nur ihm zu Diensten wäre.

Nein! Der Mensch lebt nicht vom Brot allein! Jesus will nicht als Brotkönig oder Wundertäter gefeiert werden, er widersteht der Versuchung zur Macht. Er verzichtet auf das „Jesus first!“. Er will kein Leben auf Kosten Anderer, das gar auf Lug und Trug, Ausgrenzung und Ausbeutung gebaut ist. Er bleibt seinem Auftrag treu: Die Werke des Teufels zu zerstören, dazu ist er gekommen.

Nicht ein „Ich zuerst!“

Der Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft, gleichgültig, ob nach, mit oder neben der Pandemie, ist nicht der Weg des ellenbogengestützten „Ich zuerst!“ oder eines blinden Konsums auf „Teufel komm raus“ oder was es sonst noch an lebensfeindlichen Praktiken gibt. Hoffnungsvoll ist der Weg, wo wir uns bewusst und freiwillig dafür entscheiden, dem Leben zu dienen. Die Fasten- oder Passionszeit verweist auf den, der uns diesen Weg vorangegangen ist, mit Erfolg – wider Erwarten. Das ist hoffnungsvoll.