Unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen durch polizeiliche Justizkräfte stand der erste Prozesstag vor dem Landgericht Hechingen, der ein größeres mediales- und Publikumsinteresse hervorrief. Verhandelt wird über einen in Pfullendorf lebenden 25-Jährigen, der unter anderem wegen versuchten Totschlags auf der Anklagebank sitzt.
Sein Messerdelikt überragt sämtliche andere Tatbestände. Mit 1,09 Promille im Blut war dieser im September 2024 auf einen Kontrahenten in einer Gaststätte der Pfullendorfer Innenstadt losgegangen, stach ihn unter Todesdrohung mit einem Küchenmesser in den Oberarm, dessen Abwehrreaktion wohl Schlimmeres verhütete.
Insgesamt acht Fälle
Staatsanwalt Jan Vytlacil listete insgesamt acht Fälle auf, die alle aus dem Vorjahr herrührten: So hatte der Beschuldigte während eines Fasnetsumzugs einem Mann willkürlich den Ausgang versperrt, ihn wüst beschimpft und ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Im volltrunkenen Zustand war er mit dem Fahrzeug seiner Verlobten unterwegs und habe beim Streifen eines Autos einen Schaden von 7000 Euro verursacht. Zudem habe er im aggressiven Zustand mehrfach Polizisten bedroht, rüde beschimpft und Schläge angedroht.
Pfefferspray ins Gesicht
In seiner Wohnung sei er mit seiner Freundin in Streit geraten. Die mit ihrem Kind zu ihrer Mutter flüchtende Frau habe er dort aufgespürt und seine Lebensgefährtin im Beisein des Kindes Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und sie verletzt. Geringfügigere Delikte wie ein Diebstahl sowie die bereits privat geregelte Entschädigung für das beschädigte Auto wurden als Anklagepunkte wieder gestrichen.
Verhandlung soll verkürzt werden
Sogleich brachte Richter Volker Schwarz das Anliegen des Verteidigers Süleyman Yildirim ins Spiel, der ein Rechtsgespräch unter den Prozessbeteiligten anregte. Damit sollte die für vier Tage anvisierte Verhandlungsdauer verkürzt und ein mögliches Strafmaß eingegrenzt werden. Im Gegenzug würde der Angeklagte ein vollumfängliches Geständnis ablegen. Und so kam es.
Schmerzensgeld von 5000 Euro
Das Resultat verkündete der Richter: Diverse vorgesehene Zeugen würden nicht mehr gebraucht. Das Strafmaß würde sich minimal auf vier Jahre und drei Monate Gefängnis erstrecken, maximal kämen fünf Jahre und drei Monate in Betracht. Außerdem sagte die Verteidigung dem Opfer der Messerattacke ein Schmerzensgeld in Höhe von 5000 Euro zu, die dieser als Nebenkläger trotz Bedenken akzeptierte.
„Bis ich im Stress mit meiner Freundin wieder abgestürzt bin.“Angeklagter vor dem Landgericht Hechingen
„Es ist traurig, dass es soweit kommen musste. Es tut mir leid, was unter Drogen und Alkohol alles passiert ist, dafür möchte ich mich entschuldigen. Und ich will auch eine Therapie machen“, sagte der Angeklagte, der schon als Heranwachsender hinter Gittern saß. Aus seinem Leben schilderte er, dass ihn seine Verhaltensauffälligkeit früh in die Erziehungsschule nach Sigmaringen brachte. Die Ausbildung zum Maler brach er wegen seines Drogenkonsums ab und hielt sich seither durch Minijobs über Wasser. Nach seiner ersten Inhaftierung sei „2022 alles gut“ gewesen. „Bis ich im Stress mit meiner Freundin wieder abgestürzt bin“, erläuterte der 25-Jährige.
Zunehmender Alkoholkonsum
Im Zeugenstand berichtete der 22-jährige Geschädigte, dass er mit dem Angeklagten lange befreundet gewesen sei. Zunehmender Alkoholkonsum hätte beiderseitige Aggressionen hochgeschaukelt, wodurch sie öfter aneinander gerieten. „Er ist eigentlich ein sehr netter Mensch. Aber wenn getrunken wird, neigt er zur Gewalt. Und wir haben richtig viel Kokain durch die Nase gezogen, bis zu eins zwei Gramm“, gab der 22-Jährige das gemeinsam praktizierte Suchtverhalten zu Protokoll.
Gast hilft dem Opfer
Ausgesagt hat eine 21-jährige Besucherin des Lokals, die dort mit ihrer Freundin speiste. Sie bemerkte den Angeklagten, wie er den am Tisch sitzenden Kontrahenten anpöbelte. Sie tätigte den im Gerichtssaal abgespielten Mitschnitt ihres Notrufs bei der Polizei und half dem attackierten Opfer aufgrund ihrer beruflichen Kenntnisse bei der Verarztung.
Wirt kommt zu Wort
Gehört wurde eine Servicekraft des Restaurants, die nach den erlebten Turbulenzen die Eingangstür verschloss. Auch der Gastronom kam zu Wort, er habe den Angeklagten „rausgeschmissen“, beschrieb ihn jedoch als ein „bisschen aggressiv“. Auf der aus dem Lokal vorgespielten Videosequenz war es draußen nicht nur lautstark, sondern auch ordentlich zur Sache gegangen. Richter Volker Schwarz merkte dazu süffisant an: „Gastwirte pflegen solche Vorfälle aus eigener Brille zu sehen, sie wollen es sich eben nicht mit den Gästen verscherzen.“