Testosteron als Stimmungsaufheller oder Dopingmittel? Diese Frage galt es vor dem Amtsgericht jetzt zu klären. Angeklagt war ein Arzt aus Villingen-Schwenningen, der einen Profisportler mit leistungssteigernden Substanzen therapiert hat. Das kostete den Sportler eine mehrjährige Sperre. Und den Arzt jetzt eine saftige Geldstrafe.
Eine mehrjährige Sperre für den Eishockey-Spieler
Der Fall ging durch die Medien. Gegen den ehemaligen, aus Villingen-Schwenningen stammenden Eishockeynationalspieler Yannic Seidenberg wurde wegen Doping eine mehrjährige Sperre verhängt. Der heute 41-Jährige bestritt zwar seinerzeit, bewusst Substanzen zur Leistungssteigerung eingenommen zu haben. Letztlich akzeptierte er aber einen Strafbefehl.
Der jüngere Bruder von Eishockey-Star Dennis Seidenberg wurde zu 90 Tagessätzen verurteilt, ist aber damit nicht vorbestraft. Vor dem Amtsgericht in Villingen-Schwenningen sagte Seidenberg nun als Zeuge aus.
Mittel gegen Niedergeschlagenheit?
Der Tatzeitraum liegt bereits einige Jahre zurück. Zwischen 2021 und 2022 hat Seidenberg, der zu diesem Zeitpunkt beim Eishockeyclub Red Bull München unter Vertrag stand, den in VS praktizierenden Mediziner aufgesucht und sich stimmungsaufhellende Mittel gegen seine Niedergeschlagenheit verschreiben lassen.
Seidenberg litt zu diesem Zeitpunkt offenbar unter beruflichen Zukunftsängsten. Und wollte sich unter allen Umständen wieder einen Platz im Kader des Clubs erkämpfen, wo er häufig nur auf der Bank saß und nicht zum Spieleinsatz kam.
Mediziner verordnet drei Substanzen
Der Mediziner verordnete dem Profisportler drei Substanzen, darunter Testosteron, in Creme- und Pillenform. „Zur Stimmungsaufhellung gegen seine depressive Verstimmung“, wie der Mediziner auf der Anklagebank beteuerte. Eine schulmedizinische Therapie mit Antidepressiva habe der Patient abgelehnt, eine Therapie mit homöopathischen Mitteln habe nicht den gewünschten Erfolg gehabt, weshalb man zu den stärkeren Substanzen gegriffen habe.
Der Angeklagte habe das Problem mit Testosteron nicht gesehen
„Es war nicht in meiner Überlegung, dass das Testosteron ein Problem sein könnte“, so der Angeklagte vor Gericht. Er habe seinen Patienten seiner Schilderung nach darauf hingewiesen, um welche Substanzen es sich handelte. Dieser habe sich dazu aber, laut Aussage des Angeklagten, nicht geäußert.
In die Kritik geriet die Untersuchungsmethode des Arztes. Ein Münchner Rechtsmediziner bezweifelte in seinem Gutachten, dass ein nur einmaliger Speicheltest und fehlende Bluttests eine ausreichende Aussagekraft zum gesundheitlichen Zustand des Patienten gehabt habe. Zudem habe es seines Erachtens keine Indikation dafür gegeben, angesichts des ausreichend hohen Testosteronspiegels, der in dem Speicheltest nachgewiesen wurde, weiteres Testosteron zu verabreichen.
Keine leistungssteigernde Wirkung?
Die Verteidigerin des Angeklagten legte eine Stellungnahme einer Pharmazeutin vor, in der sie keine anabole, also leistungsaufbauende Wirkung der von ihr hergestellten Salbe sah, die der Sportler über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren anwandte. Seidenberg selbst sagte im Zeugenstand, dass er davon ausging, „dass das Zeug legal sei, da es ja aus der Apotheke kam“.
Drei Rezepte in einem Jahr
Insgesamt drei Rezepte mit diesen gleichermaßen stimmungsaufhellenden und leistungssteigernden Substanzen verschrieb der Arzt dem Sportler in einem Zeitraum von einem Jahr. Das Gericht hatte in zwei der Fälle keine eindeutigen Hinweise, dass Arzt und Sportler die Hormontherapie vorsätzlich zur Leistungssteigerung, also Doping eingesetzt hatte.
Allerdings sah das Gericht unter dem Vorsitz von Richterin Anne-Katrin Eppinger zumindest die dritte Rezeptabgabe als vorsätzliche Verordnung der Substanzen zum Doping an. Eine verräterische Whatsapp-Nachricht von Seidenberg, in der er noch mal um eine Creme „mit höherer Wirkung, zum Auftrainieren“ gebeten hat, sah das Gericht hier als eindeutiges Indiz an – wobei die Vorwürfe gegen den Sportler juristisch gesehen durch den Strafbefehl erledigt sind.
Der Arzt wurde deshalb zu einer Geldstrafe von 20.000 Euro verurteilt.