Das Verfahren wegen Nötigung gegen einen 57-Jährigen ist vor dem Amtsgericht Sigmaringen unter Vorsitz der Richterin Katharina Heinzelmann eingestellt worden. Der Vorwurf gegen den Mann aus der Heuberggemeinde ließ sich im Laufe der Verhandlung zeitlich nicht mehr exakt eruieren.
Zwei Stunden ausgesperrt
Laut Anklageschrift wurde dem Angeklagten als Wohnungseigentümer vorgeworfen, seiner 88-jährigen Mutter, die dort lebenslanges Wohnrecht besitzt, an einem Sonntag im August vorigen Jahres die Haustüre absichtlich nicht geöffnet zu haben. Die alte Frau habe unverrichteter Dinge zwei Stunden vor dem Haus ausharren müssen, bis sie endlich wieder Zugang bekam, was den Tatbestand einer rechtswidrigen Nötigung erfülle.
Angeblich defektes Schloss ausgetauscht
Der Angeklagte hielt den Tatvorwurf inhaltlich für „dummes Zeug“. Tatsächlich habe sich der Hausmeister bereits am Tag zuvor dazu entschieden, das angeblich defekte Schloss (“Es ließ sich nicht mehr richtig bewegen“) an der Haustür auszuwechseln, erklärte der 57-Jährige. Weil aber Ersatz am selbigen Tag nicht mehr zu beschaffen gewesen sei, habe dieser mit einem Vorleger die Tür blockiert und davor vorsorglich einen Zettel angebracht, dass die Haustüre bis zur Reparatur nicht mehr geschlossen werden dürfe. Das neue Schloss sei erst am darauffolgenden Montag eingebaut, die neuen Schlüssel seien an die Mitbewohner ordnungsgemäß übergeben worden.
Kein gutes Verhältnis
Ob es wirklich so war? Die Gerichtsverhandlung bot vielmehr Einblicke, wie innerfamiliäre Abneigung in mangelnder Kommunikation und vielerlei Schikanen ausgelebt werden kann. Der Angeklagte gab zu, wie angespannt die Beziehung zur Mutter ist: „Wir haben kein gutes Verhältnis zueinander, versuchen uns möglichst aus dem Weg zu gehen!“ Seinen Wohnsitz hat der Angeklagte in die Kreisstadt verlegt und nur im Keller, einem früheren Waschraum, sein Büro eingerichtet, in dem er am besagten Tag auch gearbeitet habe. Er habe gar nicht mitbekommen, dass seine Mutter das Haus verließ. Und vom Kellerfenster aus habe er dies auch gar nicht beobachten können. Sein oftmals knurrig gegenüber den Geschädigten auftretender Pflichtverteidiger Wolfgang Hoppe legte dem Gericht dazu angefertigte Bilder vor.
Schon mehrfach Schlösser ausgewechselt?
Die Mutter sagte im Zeugenstand aus, dass ihr Sohn sie und seine Schwester sehr wohl gesehen und auch rausgeguckt habe, aber wieder in sein Kellerbüro zurückgekehrt sei. „Es ist jetzt bald das fünfte Mal, dass Schlösser im Haus und in der Wohnung ausgewechselt“ würden. Auch an jenem Sonntag bei ihrem Fortgehen habe das Haustürschloss einwandfrei funktioniert. „Ich weiß bis heute nicht, was da passiert ist!“ Zwei Stunden sei sie im Hof gestanden, bis sie die bemerkte, dass die Tür plötzlich einen Spaltbreit geöffnet war.
Tochter informiert Polizei
Auch die Mutter sprach von einem schlechten Verhältnis zu ihrem Sohn, seitdem ihr Mann vor sieben Jahren gestorben war. Ihre in einer Nachbargemeinde lebende Tochter hatte sie nach einer Ausfahrt vor die Tür gebracht und sogleich bemerkt, dass „irgendetwas nicht stimmen“ würde. Ihr Bruder habe sie gesehen, müsse später wohl hochgeschlichen sein und die Tür geöffnet haben, als sie die Polizei anrief und auf der Straße auf deren Eintreffen wartete. Im Übrigen habe das ausgetauschte Schloss im Gegensatz zum neuen prima funktioniert. „Und es für mich das Neueste, dass es plötzlich einen Hausmeister gibt!“ Weil die Polizei zum besagten Anruf der Tochter nicht abkömmlich war, sei sie mit ihrer Mutter am Folgetag im Sigmaringer Polizeirevier erschienen. Die Polizeibeamtin erklärte, den Angeklagten unmittelbar nach dem Anruf der Tochter telefonisch belehrt zu haben, dass es sich um Nötigung handle, sollte dieser seiner Mutter die Tür nicht öffnen.
Verfahren eingestellt
Die Staatsanwältin Sarah Hausmann sah eine Nötigung nicht mehr als gegeben an. „Die zwei Stunden sind rein theoretisch, waren es objektiv vielleicht nur drei Minuten? Es ist die Sache nicht wert“, plädierte sie bei aller Verwerflichkeit, einer körperlich gebrechlichen Frau vom Wohnungseintritt abzuhalten, für die Einstellung des Verfahrens ohne Fortsetzungstermin mit Vorladung des Hausmeisters. Der Verteidiger und der Angeklagte stimmten zu.