251 Meter tief ist der Bodensee an seiner tiefsten Stelle – und bietet somit Platz für allerlei Geheimnisse, die über Hunderte Jahre in der Dunkelheit des Sees verborgen bleiben. Ein Team des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart möchte das ändern. Seit Dezember 2022 untersucht die Gruppe um Projektleiterin Julia Goldhammer im Projekt „Wracks und Tiefsee“ den Grund des Bodensees.
Eines der bekanntesten Wracks am Grund des Bodensees ist die „Säntis“. Ihre Bergung durch den Schiffsbergeverein Romanshorn scheiterte bereits mehrfach.

Lastsegelschiff aus dem 19. Jahrhundert entdeckt
Doch das Team entdeckte auch 31 bislang unbekannte Wracks. Eines ist etwa ein Lastsegelschiff, das vermutlich aus dem 19. Jahrhundert stammt, sagt Julia Goldhammer: „Ein genaueres Alter konnten wir bisher nicht bestimmen, weil wir noch keine Probe entnommen haben.“
Das Segelschiff ist noch fast vollständig erhalten, auch der Mast und die Rah, an der das Segel befestigt wird, konnten die Forscher dokumentieren. Laut Alexandra Ulisch, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt, ist das eine Seltenheit in der Unterwasserarchäologie.

Auch Holzfässer finden die Forscher
Auch die Wracks prominenter Schiffe konnten die Forscher ausfindig machen. Bei einem handelt es sich wahrscheinlich um den Schaufelraddampfer SD Baden. Das Schiff war der erste Salondampfer auf dem Bodensee und transportierte etwa Kaiser Wilhelm I. oder den österreichischen Kaiser Franz Josef I. über den See. Das Schiff wurde 1931 vor Hagnau im See versenkt.

Aber nicht nur Schiffswracks hat das Team um Julia Goldhammer gefunden. An einer anderen Stelle hat das Team ein Trümmerfeld mit 17 Holzfässern entdeckt. Auch diese sind laut Alexandra Ulisch gut erhalten: „Hinweise auf das zugehörige Transportschiff fehlen bislang, weiterführende Untersuchungen sind geplant.“

Bergung ist erst einmal nicht geplant
Geborgen werden die gefundenen Wracks und Objekte aber erst einmal nicht: „In diesem Projekt geht es darum herauszufinden, wie viele Objekte sich überhaupt am Seegrund befinden“, sagt Julia Goldhammer. Außerdem werde geprüft, wie relevant etwa ein Schiffswrack sei und welche weiteren Untersuchungen sich daraus ergeben.

„Eine Bergung ist sehr aufwendig und kann auch schiefgehen“, sagt Goldhammer. Ist ein Wrack erst einmal geborgen, muss es restauriert werden. Das kostet unter Umständen viel Geld. „Uns geht es nun zuerst einmal darum, die Informationen über die Objekte zu sammeln“, sagt Goldhammer.
Forscher tauchen selbst in den See
Um herauszufinden, wo sich am Grund des Bodensees überhaupt mögliche spannende Objekte befinden, greift das Team im Landesamt für Denkmalpflege auf Daten aus dem Projekt „Tiefenschärfe“ zurück, das auf Initiative der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) entstand.
„Auf Grundlage der Daten entstand ein Geomodell, das alle Erhebungen im See zeigt“, erklärt Julia Goldhammer. So erkenne man etwa, wo der See flacher oder tiefer sei – und man sieht größere Erhebungen. „Wir haben diese Daten systematisch durchsucht und insbesondere die Stellen angeschaut, die interessant aussahen“, sagt Julia Goldhammer.
Ganz alte Objekte verschluckt der See
Dabei wird auch eine Technologie angewandt, die die Strukturen am Seegrund detailliert und naturgetreu abbildet. Schließlich tauchten die Forscher selbst zu den Objekten hinab. Bis 30 Meter Tiefe sei das mit ihrer Ausrüstung möglich – ab dann kommen Tauchroboter zum Einsatz. Das bekannte Wrack der „Säntis“ liegt in 210 Metern Tiefe.
Alle Wracks, die im Bodensee liegen, werden die Forscher aber nicht dokumentieren. Am Seegrund lagern sich Sedimente ab, also Partikel wie Sand, Schwebstoffe und andere Materialien. Richtig alte Objekte werde man nicht finden, da sie von Bodenschichten überdeckt seien. „In unserem Modell können wir daher keine Erhebungen erkennen“, erklärt Julia Goldhammer. Andere Objekte könnten möglicherweise bei der Analyse durch das Raster fallen.
Projekt dauert noch zwei Jahre an
Probleme bereitet dem Team die Quaggamuschel. „Wenn sie sich vollständig über Objekte legt, ist es unmöglich, Hinweise auf Alter oder Bauteile auszuwerten“, sagt Julia Goldhammer. Befinde sich die Quaggamuschel in großen Mengen auf fragilen Bauteilen, können diese zerbrechen.
Das Projekt endet im Sommer 2027. Bis dahin sollen von interessanten Wracks und anderen Schiffsladungen weitere Proben entnommen werden. „Wracks sind weit mehr als nur verlorene Fahrzeuge – sie sind echte Zeitkapseln, die Geschichten und handwerkliches Können längst vergangener Tage konservieren“, sagt Forschungsmitglied Alexandrea Ulisch.