Wer schon mal länger im Krankenhaus liegen musste, weiß: Das Essen dort wird oft kritisiert. Doch hinter den Mahlzeiten steckt mehr, als man zunächst vermutet. Ein Blick in die Küche des Hegau-Bodensee-Klinikum Singen zeigt: Die Anforderungen sind hoch, die Strukturen dahinter komplex. Denn die Köche müssen mit einem knappen Budget wirtschaften und dennoch täglich hunderte Menschen ausgewogen versorgen. Wie viel Geld pro Tag und Patient zur Verfügung steht und wie die Krankenhausküchen in Singen und Stockach versuchen, ihren Patienten das Bestmögliche zu bieten.

Hunderttausende Mahlzeiten pro Jahr

Über 400 Betten können im Hegau-Bodensee-Klinikum Singen belegt werden. Doch die Küche an dem Standort versorgt nicht nur die Patienten vor Ort, sondern beliefert auch das Senioren- und Pflegeheim in Engen, ebenfalls Teil des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz, sowie einige Kitas und eine Schule.

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Alleine im Klinikum in Singen wurden 2024 rund 115.000 Frühstücke, 120.000 Mittagessen und 110.000 Abendessen zubereitet, berichtet Bernd Ulrich, Interimsbetriebsleiter der HBH-Service GmbH. Die Servicegesellschaft erbringt an den Standorten Singen, Konstanz und Engen unter anderem Dienstleistungen im Bereich Küche. „Hinzu kommen noch die Mitarbeiter“, ergänzt Küchenleiter Ercan Bozdogan. Da seien es nochmal 20.000 Frühstücke, 53.000 Mittagessen und 40.000 Zwischenmahlzeiten.

Es gibt keine Gourmetgericht

Bei den großen Mengen, sei es nicht möglich, immer alle zufrieden zustellen. „Das Essen wird auch kritisiert“, sagt Ulrich. Neben berechtigter Kritik würden Patienten in ihrer schwierigen Situation häufig auch ein Ventil für ihren Frust suchen. Küchenleiter Bozdogan beschreibt die Situation als ständigen Spagat: Das Personal versuche möglichst alle zufriedenzustellen, arbeite aber unter wirtschaftlichen Zwängen. „Wir beschränken uns auf gute Qualität und eine angemessene Angebotsbreite.“

Blick auf das Hegau-Bodensee-Klinikum Singen von oben (Aufnahme von 2022).
Blick auf das Hegau-Bodensee-Klinikum Singen von oben (Aufnahme von 2022). | Bild: Gerhard Plessing

Eine dauerhaft ausgewogene Ernährung sei wichtig für die Gesundheit. Bei den Einflussmöglichkeiten des Klinikums müsse man jedoch zwischen Kurzzeitpatienten und denen, die länger bleiben, unterscheiden. „Bei Kurzzeitpatienten können wir kaum Einfluss auf die langfristige Ernährung nehmen“, erklärt Gabi Krieger, Leiterin der Diätassistenz. „Bei den anderen versuchen wir gezielt, gesündere Essgewohnheiten zu fördern und beraten die Patienten individuell.“

Generell gebe es ein Grundmenü, dass für möglichst viele Patienten gut verträglich sein soll. „Essen, das für viele verträglich sein muss, ist selten ein Gourmetgericht“, verdeutlicht Ulrich die Herausforderung für die Krankenhausküche. Dazu komme spezielleres Essen für Patienten mit Unverträglichkeiten, so Krieger. „Wir müssen bei einigen Patienten schauen, was überhaupt geht.“ Auch das sei eine Herausforderung für den Geschmack: „Gewürze sind bei vielen Allergien schwierig“, sagt Bozdogan.

Was darf Krankenhausessen kosten?

Nur stationäre Patienten haben Anspruch auf eine vollständige Verpflegung im Krankenhaus, wie Ulrich erklärt. Die Kosten dafür seien Teil des sogenannten Pflegesatzes – ein pauschaler Betrag, der die gesamte stationäre Versorgung abdeckt, darunter auch Unterkunft, Pflege, medizinische Leistungen und die Verpflegung. Übernommen werde dieser Gesamtbetrag von den Krankenkassen.

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Auch im Krankenhaus in Stockach übernehmen die Kassen die Kosten für das Essen: „Die Krankenkassen bezahlen durch die Vergütung der Fallpauschale die Verpflegung“, sagt Verwaltungsleiter Bernd Zimmermann. Das Krankenhaus mit 55 Planbetten erhalte für die Patientenversorgung eine Fallpauschale, die sich nach dem Umfang der medizinischen Versorgung richte. Wie viel ein Essen im Krankenhaus Stockach kostet, sei immer etwas unterschiedlich.

Am Klinikum in Singen rechne man intern mit rund 10 Euro pro Patient und Tag für die Verpflegung, berichtet Ulrich. In dieser Summe seien nicht nur die Lebensmittel enthalten, sondern auch alle damit verbundenen Leistungen – von der Beschaffung über die Zubereitung bis hin zum Service und den Personalkosten. „Da muss wirklich alles mit drin sein“, betont Ulrich. „Das schaffen nur wenige Häuser.“ Wie funktioniert das im Klinikum Singen?

So wird Geld gespart

„Zum einen können wir in großen Mengen einkaufen“, sagt Küchenleiter Bozdogan. Zum anderen trage der Verkauf von Speisen und Getränken in der Cafeteria für Mitarbeitende und Gäste zur Kostendeckung bei. In den vergangenen Jahren sei zudem auf eine sogenannte Convenience-Küche umgestellt worden.

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Das bedeutet, dass viele Lebensmittel schon vorbereitet ankommen, wie beispielsweise geschälte und geschnittene Kartoffeln. Das spare Zeit und reduziert den Personalaufwand. „Trotzdem haben wir auch frische Lebensmittel, dort wo es geht“, verdeutlicht der Küchenleiter. Diese würden immer regional eingekauft, wie beispielsweise Salate. „Wir lieben Lebensmittel und versuchen, immer das Beste daraus zu machen“, verdeutlicht Bozdogan.

Das Stockacher Krankenhaus aus der Vogelperspektive (Aufnahme von 2024). Jährlich werden hier laut Internetseite des Krankenhauses rund ...
Das Stockacher Krankenhaus aus der Vogelperspektive (Aufnahme von 2024). Jährlich werden hier laut Internetseite des Krankenhauses rund 3450 Menschen stationär behandelt. | Bild: Gerhard Plessing

Durch die strengen Hygienevorschriften habe die Küche zudem vor zwei Jahren auf das sogenannte Cook-and-Chill-Verfahren umgestellt. Dabei wird das Essen kalt zubereitet und erst kurz vor dem Servieren auf die erforderliche Temperatur erhitzt.

Es seien insgesamt viele Zahnräder, die ineinander greifen müssen, so der Küchenchef. „Es ist echt eine Herausforderung, immer strukturiert zu arbeiten und alle zufrieden zu stellen.“ Auch seien die Kosten in den drei vergangenen Jahren erheblich gestiegen, wie Zimmermann vom Krankenhaus Stockach verdeutlicht. So hätten sich die Preise für Lebensmittel jährlich um 3 bis 5 Prozent erhöht. „Weitere Kostensteigerung waren Energie- und Personalkosten.“

Neues Konzept wegen neuer Klinik?

Am nördlichen Stadtrand in Singen soll eine neue Klinik entstehen, die das derzeitige Krankenhaus in der Stadt künftig ersetzen soll. „Es soll insgesamt eine angenehmere Atmosphäre geschaffen werden“, sagt Ulrich. Trotz neuer Küche wird sich am Konzept des Krankenhausessens seiner Einschätzung nach nur wenig ändern. Gerade für die Mitarbeiter würde Küchenleiter Bozdogan aber gerne ein noch besseres Angebot schaffen: „Das ist so wichtig für die Zukunft, dass die Mitarbeiter sich wohl fühlen.“