Auf den Reformationstag dürfen sich die evangelischen Christen – und alle anderen Bürger auch – in diesem Jahr freuen. Denn am Dienstag, 31. Oktober, gibt es in der Christuskirche einen Festgottesdienst. Dessen Anlass ist, dass Pfarrer Sebastian Degen nach zweijähriger „Probezeit“ auf die Pfarrstelle in Pfullendorf berufen wurde. Damit endet eine mehrjährige Vakanz in der evangelischen Kirchengemeinde.
Probedienst begann im Jahr 2021
Der Probedienst begann im Jahr 2021 und schloss sich an das Vikariat und das bestandene zweite theologische Examen an. Noch ganz genau erinnert sich Sebastian Degen daran, wie er im Rahmen eines Gottesdienstes zu Ostern 2021 der Gemeinde vorgestellt werden sollte. „Zwei Tage vorher kam die Verordnung vom Landratsamt, dass wir wegen Corona nur 24 Gäste in die Kirche lassen durften“, schildert er. Deshalb musste die Zahl der Besucher verkleinert werden. Bei seinem Start in der Kirchengemeinde musste Sebastian Degen die Hürde meistern, dass er wegen der Corona-Beschränkungen nicht so intensiv in den Kontakt mit den Gemeindegliedern gehen konnte, wie ein Neuling es gerne tun würde.
Vakanz-Verwalterin aus Meßkirch
Im Probedienst konnte Degen die Kontakte jedoch Stück für Stück aufbauen, wurde er doch in allen Bereichen der Gemeindearbeit eingesetzt. „Immer wieder habe ich jemand Neues kennengelernt, der einen schönen Bezug zu dieser Stadt hat“, sagt der Pfarrer in einem Gespräch mit dem SÜDKURIER. Von den Verwaltungsaufgaben war er die vergangenen beiden Jahre noch befreit. Die Pfarrstelle galt derweil weiter als vakant, deshalb wurde eine Vakanz-Verwalterin eingesetzt; es handelte sich um die Meßkircher Pfarrerin Anja Kunkel, die Sebastian Degen hier unterstützt hat. Zum Ende des Probedienstes stand für Sebastian Degen und seine Familie fest: „Wir leben gerne in Pfullendorf. Wir bleiben hier.“ Seine Frau, er selbst und die beiden zwei und fünf Jahre alten Kinder fühlten sich in der Linzgaustadt wohl und hätten sich gut eingelebt, schildert Degen. Die Kirchengemeinde ist ihm ans Herz gewachsen. „Es ist eine tolle Gemeinde, die viel Potenzial hat“, freut er sich über seine „Schäfchen“.
Erste eigene Schwerpunkte gesetzt
Sehr gut unterstützt hat er sich in seiner Probezeit unter anderem von Diakonin Tina Klaiber gefühlt. „Das ist ein ganz tolles Miteinander. Wir ergänzen uns richtig gut und haben es geschafft, einige Schwerpunkte, etwa im Bereich der Familienarbeit und bei den Familiengottesdiensten, zu setzen“, zieht Sebastian Degen Bilanz. Seit Anfang dieses Jahres wirkte auch Pfarrerin Annika Engelmann in der evangelischen Kirchengemeinde. Sie hat eine 50-Prozent-Stelle. Momentan ist Engelmann in Elternzeit; Pfarrer Degen hofft, dass sie danach ihre Arbeit wieder aufnimmt. Der Einsatz von Pfarrerin Engelmann hatte es ihm ermöglicht, seine eigene Stelle von 100 auf 80 Prozent zu reduzieren. „Ich wollte gerne etwas mehr Zeit für meine Familie haben“, begründet der Pfarrer diesen Schritt.
Laie steht Kirchengemeinderat vor
Die Zusammenarbeit mit dem Kirchgemeinderat bezeichnet Sebastian Degen als „hervorragend“. „Die Kirchengemeinderäte wissen, was sie wollen, sind stolz auf ihre Pfullendorfer Kirche, sind sehr offen und bereit, vieles mitzugehen“, attestiert er dem Gremium. Josh Pathel bleibe auch weiterhin Vorsitzender des Kirchengemeinderats und Sebastian Degen agiert als sein Stellvertreter. „Das entspricht meiner Vorstellung von evangelischer Kirche“, betont Degen. „Wir als evangelische Christen hängen die Leitungsverantwortung der Laien deutlich höher. Deshalb ist es für mich absolut stimmig, dass Josh Pathel als Laie den Vorsitz hat und ich sein Stellvertreter bin“, sagt der Pfarrer.
Kirchenbezirk jetzt in Regios eingeteilt
Die evangelische Kirche befinde sich momentan in einem großen Veränderungsprozess, wie Sebastian Degen schildert. „Unser Kirchenbezirk hat uns ‚Regios‘ eingeteilt. Wir sind hier im Kirchenbezirk Überlingen-Stockach die Regio Nord, sie umfasst Pfullendorf, Stetten a.k.M. und Meßkirch. In diesem Kooperationsgebiet wird die Zusammenarbeit deutlich verstärkt werden“, erläutert der Pfarrer. So wurde es unter anderem möglich, dass derzeit ein Pfarrer aus Stetten a.k.M. den Religionsunterricht am Staufer-Gymnasium Pfullendorf hält.

Auch die evangelische Kirche in Pfullendorf habe Kirchenaustritte zu beklagen, sagt Sebastian Degen auf Nachfrage. „Mein Eindruck ist, dass wir unterhalb dem Durchschnitt innerhalb der badischen Landeskirche liegen“, sagt er. Und ergänzt: „Nichtsdestotrotz tut jeder Austritt weh.“ Auf der anderen Seite gebe es eine hohe Zahl an Eintritten in die evangelische Kirche.
Walder Protestanten jetzt mit dabei
Zudem seien durch die evangelischen Christen aus Wald neue Gemeindeglieder hinzugekommen. Seit Beginn des Jahres gehören die evangelischen Christen in Wald nach einem Strukturwechsel zu Pfullendorf und somit zum Kirchenbezirk Überlingen-Stockach statt wie vorher zum württembergischen Bezirk Balingen. Schmerzhaft seien die Prognosen der „Freiburger Studie“, die für die badische Landeskirche bis zum Jahr 2030 einen Rückgang der Gemeindeglieder um 30 Prozent vorhersehen würden, so der Pfarrer.
Besondere Freude bereitet Sebastian Degen die Arbeit mit Konfirmanden. Im Kirchenbezirk hat man sich dabei mit einigen Gemeinden zusammengeschlossen und fährt zum Beispiel gemeinsam auf eine Konfirmanden-Freizeit. In Stockach gibt es eine „Church-Night“ mit den Jugendlichen. Das Programm scheint die jungen Leute anzusprechen, denn aus dem Jahrgang des Vorjahres seien 15 Jugendliche weiter drangeblieben, die sich jetzt immer noch in der Konfirmandenarbeit engagieren. „Das ist schön zu sehen, wie so manche Investition jetzt fruchtet“, freut sich der Pfarrer.
Der Reformationstag als Datum für seine feierliche Einsetzung ist nicht zufällig gewählt. „Das ist ein Gedenktag, der für uns als Kirche wichtig ist“, sagt Sebastian Degen und erinnert an das Motto „Ecclesia semper reformanda est – Die Kirche muss ständig reformiert werden“. Man stehe vor großen Herausforderungen, es wälze sich vieles um. „Die Kirche muss sich verändern, um an den Menschen dranzubleiben. Das gilt auch für Pfarrerinnen und Pfarrer“, sagt Sebastian Degen. Diese dürften nicht nur einfach alles aus der Vergangenheit bewahren, sondern sollten gemeinsam mit der Kirchengemeinde schauen, welche „Reformationen“ jetzt an der Reihe seien.