Seit dem 13. Jahrhundert wird in England von Robin Hood berichtet. Ob es diese sagenumwobene Figur wirklich gab, weiß niemand. Trotzdem ist er zum Mythos geworden, der tolle Bogenschütze, der für Gerechtigkeit kämpft und endlich auch seine wahre Liebe in die Arme schließen kann. Auf der Waldbühne in Sigmaringendorf ist er am Samstagabend für zwei Stunden lebendig geworden. Sage und schreibe 77 Kinder und Jugendliche (inklusive der Zweitbesetzungen) sind insgesamt verantwortlich dafür, dass der Held aus dem Sherwood beste Abwechslung in den Sommer bringt.

Glück mit dem Wetter

Doch zunächst ging es um das Wetter. Die hart gesottenen Fans der Waldbühne hatten bestimmt schon große Mengen Anti-Schlechtwetter-Utensilien bereitgelegt. Erst am Spätnachmittag zeigte sich der Himmel von der freundlichen Seite und sorgte damit in Sigmaringendorf für Aufatmen. Obwohl auf der Homepage der Waldbühne zu lesen ist, dass man „auch bei Regen spielt“ und die Schauspieler wetterfest seien, so richtig darauf ankommen lassen wollte es wohl niemand.

Lady Marian (Lisa Kiesewetter, links) und Robin Hodd (Annalena Maile), der in Wirklichkeit Robert von Loxley heißt wurden auch in der ...
Lady Marian (Lisa Kiesewetter, links) und Robin Hodd (Annalena Maile), der in Wirklichkeit Robert von Loxley heißt wurden auch in der Fassung der Waldbühne zum Schluss ein Paar. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

So konnte die Premiere im Trockenen stattfinden und die Geschichte ihren Lauf nehmen, die seit Jahrhunderten weitererzählt, aufgeschrieben, als Theater und Musical aufgeführt und natürlich mehrfach verfilmt wurde. Errol Flynn oder Kevin Kostner spielten am Samstag nicht mit. Dafür aber eine Vielzahl von kleinen und größeren Talenten, für die der Kies auf der Waldbühne zumindest für einige Zeit zu den Brettern wurde, die bekanntlich die Welt bedeuten.

Will Scarlett ist Publikumsliebling

Mit einer ohne Ausnahme ausgezeichneten Leistung zogen die Akteure das Publikum in ihren Bann. Besser gesagt: die Akteurinnen. Auch die meisten männlichen Rollen waren fest in der Hand der Weiblichkeit, was aber keineswegs ein Manko bedeutete. Das Schwert sicher führen und mit Bogen zielsicher umgehen, das können auch Mädchen. Publikumsliebling dürfte Verena Brodmann gewesen, der die Rolle des pfiffigen und treuen Will Scarlett, rechte Hand und Wegbegleiter des Titelhelden, wie eine zweite Haut passte.

Verena Brodmann als Will Scarlett (Zweite von links) dürfte wahrscheinlich der Publikumsliebling gewesen sein. Große Lob haben aber alle ...
Verena Brodmann als Will Scarlett (Zweite von links) dürfte wahrscheinlich der Publikumsliebling gewesen sein. Große Lob haben aber alle Beteiligten – vor und hinter der Bühne – verdient. Ohne Ausnahme. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Im Gegensatz zu vielen bekannten Darstellungen dreht es sich in der Waldbühne-Fassung nicht um den Sheriff von Nottingham – bei der Premiere so richtig unsympathisch dargestellt von Benjamin Reisacher – sondern um seinen Chef, den Earl von Nottinghamshire (Hannes Erath), dem nur Macht und Geld wichtig sind, was beim Adel der damaligen Zeit wohl keine Seltenheit war. Irgendwie kamen da Erinnerungen an einen lebenden Präsidenten auf. Das ist sicher Zufall.

Parallelen zur Gegenwart

Doch die ganze Story könnte, wenn man vom Bogenturnier und den Schwertkämpfen mal absieht, auch in der Gegenwart spielen. Auch hier sind es die Superreichen, die alles bestimmen wollen und den Armen kaum eine Chance geben. Den Theaterfans sei empfohlen, im Programmheft die Seite 9 zu lesen. Dort schreibt Alexander Speh (Schauspieler, Regisseur, lange Jahre Presseverantwortlicher) einen bemerkenswerten Artikel über den „Held des Sherwood Forest“.

Das Publikum war absolut begeistert und geizte auch nicht mit Szenenapplaus.
Das Publikum war absolut begeistert und geizte auch nicht mit Szenenapplaus. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Annalena Maile als Robin Hood und Lisa Kiesewetter als Lady Marian machen aber auch deutlich, dass die Liebe auch in schlechten Zeiten eine Chance hat. Wer die verliebten Blicke von Robin Hood aus der Nähe gesehen hat, der kann nur neidisch aufseufzen. Keine Frage: Was früher „Kinder- und Jugendspielschart“ genannt wurde, das hat sich mittlerweile zu einer semiprofessionellen Nachwuchstruppe gemausert, die nur größtes Lob verdient. Sarah Hohl und Sara Hägele haben mit der Regie ganze Arbeit geleistet.

Kleiner Tipp

Noch ein kleiner Tipp: Bruder Tuck ist in allen Robin-Hood-Geschichten als dickleibiger Säufer mit unbändigem Appetit zu sehen. Leni Neumann gab den Mönch textsicher und ausdrucksstark, aber einfach vom Bauchumfang her deutlich zu dünn. Dem kann man bis zu den nächsten Aufführungen bestimmt abhelfen. Ein Kissen unter der Kutte dürfte genügen. Für das detailverliebte Waldbühnenteam sicher kein Problem. Ein echtes Pferd gehört natürlich auch zum Esemble und der Chor der Wandernonnen war ein echt guter Einfall.

Zwei Stunden Spieldauer

Dass Akteure auch mal durch die Publikumsränge spurten, das ist ein Gag, der schon bei mehreren Stücken zum Einsatz gekommen ist und beim Publikum gut ankommt. Dem dürfte es bestimmt nicht langweilig geworden sein ob der vielen Action-Szenen. Mit einer Spieldauer von zwei Stunden ist das Stück auch für Kinder bestens geeignet. Und das natürlich nachmittags.