Wandel und Bewahrung: Um den Spagat zu schaffen, gibt es in Bräunlingen die Stadtbildsatzung. Bereits im Jahr 1988 wurde ein Regelwerk aufgestellt, das Bauherren und Architekten eine Grundlage für die Planungen geben soll, damit das typische Stadtbild mit seinen Ackerbürgerhäusern erhalten bleibt. Von der Fassadengestaltung über die Dachlandschaft bis hin zu den Außentreppen und Solaranlagen umfasst die Stadtbildsatzung, die für 119 Gebäude in der Innenstadt gilt, viele Bereiche.

Doch es gibt auch einen gewissen Wandel. Waren Dachgauben anfangs überhaupt nicht zugelassen, sieht man sie mittlerweile doch recht häufig im ersten Dachgeschoss. Denn die riesigen Speicher der Häuser bieten Wohnraum, der aber natürlich auch nur als solcher erschlossen wird, wenn den Bauherren die Möglichkeit geboten wird, diesen auch ansprechend zu gestalten. Doch sollen es auch Gauben im zweiten oder womöglich dritten Dachgeschoss sein? Eine Frage, die sich die Stadträte bei Bauanträgen öfter stellen müssen, denn auf der einen Seite steht der Wunsch, dass die Eigentümer ihre Häuser sanieren, auf der anderen Seite soll aber auch die typische Dachlandschaft erhalten bleiben.

Ein anderer Punkt sind die großen Scheunentore, die den Charakter des Stadtbildes maßgeblich mitgestalten. Doch ohne Landwirtschaft sind sie eigentlich nicht mehr nötig. Wie also kann der Bauherr dazu bewogen werden, es zu erhalten, wenn er den Ökonomieteil in Wohnraum umwandeln möchte? Oft befinden sich zwischen den Planungen der Architekten und den Wünschen der Bauherren sowie den Regelungen in der Stadtbildsatzung Welten. Bodentiefe Fenster und große Glasflächen sowie Anbauten wie Balkone und Erker stehen dem Wunsch, das Stadtbild zu erhalten, entgegen. Der Bauausschuss erhält viele Anträge auf Befreiung, der Wunsch nach einer Sonderregelung für den jeweiligen Bauantrag steht dem Schaffen eines Präzedenzfalls gegenüber. Und dann gibt es noch die Fälle, in denen der Bauantrag keine Sanierung ist, sondern ein Neubau, weil das alte Gebäude abgerissen werden soll.

Und so gibt es viele Gründe, die Stadtbildsatzung zu überarbeiten, vor allem, wenn in den nächsten Jahren die Sanierung der Kirchstraße in Angriff genommen werden soll und – so die Hoffnung – in diesem Zuge vielleicht auch viele Eigentümer ihre Häuser ebenfalls sanieren. Aus diesem Grund hat der Bräunlinger Gemeinderat in Möhringen, Mühlheim und Villingen nach Anregungen für das eigene Regelwerk gesucht.

Sanierung ohne großes Regelwerk

  • Möhringen: Der Tuttlinger Stadtteil kommt ohne Gestaltungssatzung aus. „Hier wurde mit einem Sanierungsgebiet gearbeitet“, erklärt Alexander Misok, stellvertretender Bauamtsleiter. Ein Grund, sich Möhringen einmal näher anzuschauen: Gerade der historische Kern rund um das Rathaus sei mit Bräunlingen zu vergleichen. „Es bietet sich ein intaktes Straßenbild mit Ackerbürgerhäusern“, so Misok. Allerdings waren die Regeln für die Bauherren nicht so eng gefasst, wie es in Bräunlingen der Fall ist. Am deutlichsten zu sehen ist dies vor allem in Anbauten, wie beispielsweise Balkonen, und vor allem auch in Dachgauben, die dort auch in zweiter Reihe und in den unterschiedlichsten Formen und Größen zugelassen sind. „Es stellt sich immer die Frage, wieviel verträgt es, um die Bräunlinger Dachlandschaft zu erhalten“, sagt Bürgermeister Jürgen Guse. Wobei: Aktuell werden in der Bräunlinger Innenstadt bereits 90 Prozent des ersten Dachgeschosses als Wohnraum genutzt. Für Wohnraum im zweiten Dachgeschoss kommen nur 35 bis 40 Gebäude der insgesamt 119 Bauten, die unter die Stadtbildsatzung fallen, in Frage. Das entspricht 50 bis 60 zusätzlichen Wohneinheiten. Der Ausbau des dritten Dachgeschosses ist nur in Einzelfällen möglich. Besonders die zahlreichen erhaltenen Tore erregten bei den Stadträten Aufmerksamkeit. Wie es denn möglich sei, den Eigentümer bei der Sanierung zum Erhalt dieser typischen Merkmale zu bekommen. „Es gibt auch Stadtbildsatzungen, die regeln das und schreiben vor, dass sogar bei einem Abriss der Neubau mit entsprechenden Merkmalen und Details errichtet werden muss“, so Misok. Alles kann man nicht festschreiben und Anpassungen an die Bedürfnisse der Nutzer sind auch wichtig. „Eine Stadtbildsatzung ist immer ein Balanceakt zwischen der Käseglocke und dem Wandel der Nutzung“, so Guse. (jak)

Die Stadt der großen Kompromisse

  • Mühlheim: Die komplette Stadtanlage steht unter Denkmalschutz und auch eine Stadtbildsatzung gibt es. Möglich ist in Mühlheim trotzdem vieles. „Wir haben eine Botschaft: Bauherr, du bist bei uns willkommen“, sagt Bürgermeister Jörg Kaltenbach. Und so gelang der Stadt an der Donau auch ein Meisterstück: Eigentlich schließt es sich aus, dass ein Gebiet durch das Landessanierungsprogramm und Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum gefördert wird. Zwar gab es keinen Antrag für das Landessanierungsprogramm, aber die Bauherren erhielten trotzdem eine indirekte Förderung. Hinzu kam noch ein kommunaler Zuschuss. Bei dem was möglich ist, wird in Mühlheim der Weg des Kompromisses gesucht. Frühzeitig würden sich Bauherren an das Bauamt wenden und gemeinsam wird nach einer Lösung gesucht. „Die frühzeitige Beteiligung ist nicht Mehraufwand, sondern bei uns der ganz normale Ablauf“, sagt Stadtbaumeister Aldo Menean. Ein Kompromiss kann auch mal so aussehen, dass auf der Vorderseite des Gebäudes großen Wert auf die historischen Merkmale gelegt wird, auf der Rückseite der Bauherr aber seine Wünsche umsetzen kann. Ein Gestaltungsbeirat entlastet dabei den Bauauschuss und macht gleichzeitig ein schnelles und flexibles Handeln möglich. Von Vorteil ist dabei, dass Mühlheim über den Gemeindeverwaltungsverband Donau-Heuberg auch eine Baurechtsbehörde hat, in Bräunlingen übernimmt diese Aufgabe der Kreis. Für die Stadtbildsatzung empfiehlt Menean klare und verständliche Formulierungen. Als Beispiel: Während in Bräunlingen die Garagentore in Holz auszuführen sind, steht in der Mühlheimer Stadtbildsatzung klar drin, dass weiße Tore nicht zulässig sind. Am besten sei es, alles so zu formulieren, dass keine Auslegungsmöglichkeit vorhanden ist. (jak)

Viele Regeln für die Innenstadt

  • Villingen: Wenn es um die historische Innenstadt geht, dann ist Villingen ein ganz eigene Liga. Seit 1981 steht die Gesamtanlage unter Denkmalschutz, hinzu kommen noch 800 Einzelobjekte. Aber erst seit 2009 gibt es eine Gestaltungssatzung, die aktuell auch überarbeitet worden ist. Ganz strikte Regeln gelten im Sondergebiet, das die Hauptachse der Innenstadt umfasst. "In den Gassen ist dann alles etwas aufgelockert", sagt Christine Lauble-Klepper vom Amt für Stadtentwicklung. Für Villingen ist es insofern einfach, da die Stadt nicht nur selbst Genehmigungsbehörde ist, sondern auch der Denkmalschutz mit im Haus sitzt. Mit einem genauen Blick sind dann aus der Vergangenheit doch viele Dinge zu entdecken, die so heute nicht mehr zulässig sind. Beispielsweise sind Dachfenster im Sondergebiet komplett verboten und doch gibt es einige. Und auch wenn im Sondergebiet Holzfenster vorgeschrieben sind, gibt es doch ein paar Häuser mit Kunststofffenstern. Für die Dachgauben gibt es ein ganz genau festgelegtes Format, doch beim Blick nach oben ist festzustellen, dass es auch viele gibt, die vor der Gestaltungssatzung realisiert worden sind.Für die Rückseiten der Gebäude sind die Regeln dann gelockert: Dort sind dann auch mal Balkone oder Anbauten möglich, es sei denn, die Rückseite ist von den Ringanlagen aus zu sehen und Gauben und Balkonanbauten würden sich nicht in das historische Gesamtbild mit der Stadtmauer einfügen. Dann gelten wieder strengere Vorschriften. Aufgrund des besonderen Wertes der historischen Innenstadt für den Tourismus und der großen Identifikation wären die Regelungen auch unumstritten. "Als wir den Einzelhändlern die Neuerungen vorgestellt haben, gab es keinerlei Widerstand", sagt Lauble-Klepper. (jak)