Wenn ein "Tag der Freude" bei frostigen Temperaturen und nebel-beschränktem Landschaftsblick nicht nur Dutzende Bürger in verschiedenen Funktionen, sondern auch Hochkaräter aus der Politik zum Außentermin anlockt, unterstreicht das die Bedeutung des Themas: Bei der feierlichen Verkehrsfreigabe der B 27-Ortsumfahrung Behla freuten sich von Minister über Staatssekretär und Regierungspräsidentin die offiziellen Repräsentanten über eine Umsetzung im geforderten Zeitrahmen, die es nun dem Ortsteil Behla ermögliche, eine bürgerfreundliche Innenstadtentwicklung voranzubringen.

Die Freiburger Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer klassifizierte die Ortsumfahrung als ein starkes Zeichen für die Zukunft der Region, die sich seit vielen Jahren für den Ausbau der Bundesstraße 27 einsetze. Diese Krönung mehrjähriger Anstrengungen – die ersten Überlegungen liegen 46 Jahre zurück – sei als Impuls zu verstehen: Man werde sich, ganz im Sinne des ländlichen Raums, weiter für Infrastrukturprojekte engagieren. Mit der bereits am 4. Dezember in Betrieb genommenen Umfahrung werde die derzeitige Verkehrssituation entschärft und und die Verkehrssicherheit erheblich gesteigert. Bei einer Reduzierung des bisherigen Verkehrsaufkommens um 90 Prozent dürften die Lärm- und Abgasemissionen innerhalb der Ortsdurchfahrt Behla spürbar abnehmen.
Inakzeptabel nannte Landesverkehrsminister Winfried Hermann die lange Dauer von Planung und Ausführung. Letztere sei erfreulicherweise im Zeitrahmen verlaufen. Seit ein paar Jahren stünden Straßenbaugelder zur Verfügung, verstieg sich der Grünen-Politiker zu einem Lob zum Koalitionspartner CDU: "Die Sparzeiten sind vorbei."

Mit dem Projekt werde ein Meilenstein für die Ertüchtigung des gesamten Streckenzugs der B 27 in der Region abgeschlossen. Die Ortsumfahrung biete den Anliegern und den Bürgern von Behla eine deutliche Entlastung von Verkehr, Lärm und Luftverschmutzung. Der Minister brauchte in seine kurze Ansprache auch das Gäubahn-Konzept ein. Durch beide Maßnahmen "steigern wir die Mobilität in der Region für Menschen und Wirtschaft auf nahhaltige Weise", betonte Hermann.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Ludwigsburger CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger ordnete die Maßnahme mit einer Projekthistorie von mehreren Jahrzehnten als Besonderheit ein. Schließlich sei Behla eine der letzten Ortsumfahrungen der zwischen Stuttgart und der Schweiz durchgängigen Bundesstraße 27. Die Straße sei nun leistungsfähiger und sicherer, die Mittel seien gut eingesetzt. Seinen Dank richtete Bilger zudem an alle, die bei Wind und Wetter gebaut haben und an die Anwohner für die jahrelange Geduld.

Vom Termin am Rande des fließenden Verkehrs, den auch der kredenzte Glühwein und die munteren Melodien des von Gabriel Lehmann dirigierten Musikvereins Behla nicht wirklich herzerwärmend gestalten konnten, flohen die Teilnehmer die wohltemperierte Baarblickhalle. Zum von den Landfrauen servierten Imbiss sprach Bürgermeister Michael Kollmeier zwar vom Tag der Freude und vom Plus an Lebensqualität, welche die 1,9 Kilometer lange und 9,5 Millionen Euro teure neue Straße biete, er erwähnte auch negative Folgen in der Bauphase, die man nun auflisten und dem Regierungspräsidium übermitteln werde. Nachdem sich nicht wenige Verkehrsteilnehmer die 23 Kilometer lange Umleitungsstrecke offenbar wohl sparen wollten, befänden sich die Wirtschaftswege rund um Behla in einem höchst lädierten Zustand. Nachdem sich Vierzigtonner ihren Weg gebahnt hätte, hofft Kollmeier nun auf eine unbürokratische Hilfe.
Die fast unendliche Geschichte der Ortsumfahrung Behla
Max Weber, einer der bekanntesten und prägendsten Sozilogen Deutschlands, hat Politik als das Bohren harter Bretter beschrieben. Alle Lokal-, Landes- und Bundespolitiker, die im Laufe von rund 50 Jahren an der Ortsumgehung Behla mitgewirkt haben, werden ihm zustimmen. Immer wieder keimte Hoffnung auf, die Straße ließe sich in Kürze realisieren. Doch Pustekuchen. Viel zu häufig ging es für die Betroffenen Auf und Ab, verbunden mit vielen Enttäuschungen.
- Ende 60er-/Anfang 70er-Jahre: Im Zuge der Flurbereinigung wird ein erster Vorentwurf einer Umgehungsstraße geplant. Doch die Zeit war damals noch nicht reif für eine Ortsumfahrung. Grund: Der Gemeinderat der seinerzeit noch selbstständige Gemeinde Behla vertrat mehrheitlich die Interessen von Land- und Gastwirten. Erstere wollten keine landwirtschaftlichen Flächen für den Straßenbau abgeben und Behlas Gastronome fürchteten um ihre Geschäfte, sollte der Verkehr am Ort vorbei geführt werden.
- 1991: Die erste Voruntersuchung für eine Westumfahrung wird in Auftrag gegeben.
- 1992: Der Ortschaftsrat spricht sich einstimmig für die Ortsumfahrung aus.
- 1993: Eine Umweltverträglichkeitsprüfung wird in Auftrag gegeben.
- 1997: Die B 27 bekommt auf der Behlaer Höhe ein Kriechspur. Das freut Autofahrer, die jetzt endlich langsam fahrende Laster überholen können. Dies steht aber nicht in Zusammenhang mit der Umgehungsstraße.
- 2003: Die Orstumfahrung wird im Bundesverkehrswegeplan als "vorrangig" eingestuft.
- 2007: Der damalige Regierungspräsident Sven von Ungern-Sternberg signalisiert dem ehemalige Orstvorsteher Egon Bäurer bei einem Vor-Ort-Termin eine Einfahrt Süd (von Blumberg kommend) zu. Außerdem initiiert der Landtagsabgeordnete Guido Wolf die erste Südbaar-Konferenz in Donaueschingen, die auf die Dringlichkeit der Ortsumfahrung hinweist.
- Februar 2010: Das Planfeststellungsverfahren wird eingeleitet und nach 14 Monaten abgeschlossen.
- April 2011: Der Planfeststellungsbeschluss wird rechtskräftig. Die Gespräche mit den betroffenen Landwirten über die Entschädigung und Ausgleichsflächen beginnen.
- Frühjahr 2012: Die Ausführungsplanung wird vorangetrieben. Doch mit der Landtagswahl im März 2011 verändern sich die Machtverhältnisse in Baden-Württemberg: Die neue grün-rote Landesregierung setzt auf Straßenerhalt und nicht länger auf Neubau. Auf einer Priorisierungsliste des Landesverkehrsministeriums landet Behla auf den hinteren Plätzen, das heißt kein Neubau vor 2017. Die Enttäuschung in der Region ist riesengroß.
- Mai 2014: Guido Wolf und weitere CDU-Politiker greifen in Behla zu grün-roten Spaten ohne Schaufeln. Damit protestieren sie gegen die Landesregierung, da diese nicht alle Mittel für den Straßenbau beim Bund abgerufen habe.
- Sommer 2015: Das Bundesverkehrsministerium gibt Millionen Euro für fertig geplante Straßen frei, auch für Behla.
- 13. Mai 2016: Offizieller Spatenstich zum Baustart der Ortsumfahrung Behla.
- 17. Dezember 2018: Offizielle Inbetriebnahe der Umfahrung.