Fehlt es der Kreisverwaltung am Willen, auf Digitalisierung zu setzen? Villingen-Schwenningens Oberbürgermeister Jürgen Roth, also selbst Chef einer Verwaltung sowie CDU-Kreisrat, übte in diesem Sinne in einer Sitzung des Kreistages jüngst eine entsprechende Kritik.

Dabei ging es um die angespannte Lage des Kreishaushaltes und die Frage, wie man etwa im Personalbereich konsequenter Effizienzrenditen einfahren könnte, etwa durch moderne Technik den Personalbedarf und damit die Kosten verringern könnte.

Doch auch so mancher Bürger fragt sich, ob Behörden nicht endlich modernere und bürgerfreundlichere Arbeitsabläufe anbieten könnten, Stichwort Bürokratieabbau.

Der SÜDKURIER hat bei Matthias Kreutzer, dem Leiter des Amtes für Digitalisierung des Landratsamtes, nachgefragt, wo der Kreis denn in Sachen Digitalisierung steht und was an der Kritik dran ist.

Was ist eigentlich Digitalisierung?

„Zunächst einmal ist zu definieren, was Digitalisierung bedeutet. So fällt mir kein Bereich des Landratsamtes ein, der nicht schon mit irgendeiner Softwareunterstützung, also digital, arbeitet“, sagt Kreutzer. „Die Herausforderungen liegen häufig im Detail: Papierdokumente, die manuell in Software übertragen werden müssen, fehlende Schnittstellen zwischen Software und vieles mehr. Hier gibt es noch einiges zu tun“, räumt der Amtsleiter aber ein.

Allerdings könne er verstehen, dass es für Kreisräte, die nicht täglich mit den Verwaltungsabläufen des Landratsamtes zu tun haben, so wirken könnte, als ginge manches nur langsam voran.

Viele unterschiedliche Arbeitsabläufe

Ein Grund dafür sieht Kreutzer in den vielen unterschiedlichen Arbeitsabläufen. „Man muss sich das Landratsamt vorstellen wie einen Konzern mit einer Vielzahl von sehr unterschiedlichen Produkten, die von Abfallanmeldung über Erziehungsberatung, Lebensmittelkontrolle, Straßenbewirtschaftung bis hin zur Kraftfahrzeugzulassung reichen“, erläutert Kreutzer. Schätzungen gehen bei dieser Anzahl von 3.000 zum Teil sehr unterschiedlichen Arbeitsprozessen aus.

„Jeder dieser Prozesse ist individuell zu betrachten, zu optimieren und zu digitalisieren. Digitalisierung ist eine Kärrnerarbeit. Dabei übernehmen wir dort, wo es möglich ist, beispielhafte Vorgehensweisen und Abläufe aus anderen Landratsämtern. Wir machen sehr viel, aber einfach betrachtet geht es immer zu langsam, das ist schon klar“, räumt Kreutzer ein.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch die Vielzahl von Berufsbildern, die im Landratsamt arbeiten, sei bemerkenswert. Neben Verwaltungsangestellten sind Sozialarbeiterinnen, Straßenbauer, Förster, Erzieher, Juristinnen und weitere Berufe zu finden. „Und auf dem Weg der Digitalisierung gilt es, jeden einzelnen mit seinen spezifischen Fähigkeiten und Voraussetzungen mitzunehmen.“

150 Server, 300 Softwareprogramme

Dazu kommen die alltäglichen Anforderungen, die ein solches Netzwerk bestehend aus 150 Servern, 300 Softwareprogrammen und einer Vielzahl von Computern und digitalen Geräten mit sich bringt.

„Das beginnt bei der Reklamationsabwicklung defekter Bildschirme und endet bei den ständig stattfindenden Cyberattacken, derer wir uns hier erwehren müssen“, so Kreutzer.

Vor allem aber sind es gesetzliche Vorgaben und Einschränkungen, die einer Digitalisierung im Weg stehen. „Ein Bescheid muss in Papierform rausgehen, dazu sind wir in vielen Fällen verpflichtet“, gibt Kreutzer ein Beispiel.

„Wir haben unterschiedliche gesetzliche und auch technische Vorgaben, die wir nicht beeinflussen können. Dazu kommt der Datenschutz, den wir berücksichtigen müssen. Zudem sind wir in vielen Digitalisierungsprojekten auf Dienstleister angewiesen, die selbst unter Personalproblemen leiden“, listet Kreutzer die vielen Hindernisse auf.

Künstliche Intelligenz als Megathema

Und dann kommt das Megathema künstliche Intelligenz (KI) noch dazu. Diese bringe massive Umwälzungen. So habe man laut Kreutzer im Landratsamt eine Testphase am Laufen, bei der ein neues KI-Programm im Einsatz ist, das seit Juni allen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wird. Im Aufbau befindet sich auch eine Robotik-Software, die einfache, händische Tätigkeiten übernehmen kann.

Und wie steht das Landratsamt nun bei der Digitalisierung? Auf diese Frage zeigt sich Kreutzer durchaus selbstkritisch. „Ich bin viel zu ehrgeizig, um zu behaupten, ich sei mit dem aktuellen Stand der Digitalisierung zufrieden. Insgesamt ist es so, dass wir in manchen Bereichen Vorreiter sind, beispielsweise beim Jugendamt, in anderen Bereichen dagegen haben wir noch Entwicklungsbedarf. Das Bild ist also vielschichtig.“