Liebe geht durch den Magen, Menschen kochen vor Wut, Streitende rupfen ein Hühnchen – kaum etwas ist so emotional wie das Essen. Kein Wunder, dass SÜDKURIER-Leserinnen und -Leser die Artikel über Konstanzer Eltern, die vor Gericht mehr fleischhaltiges Essen in der Schulmensa einfordern wollen, leidenschaftlich kommentieren.
Das Vorgehen der Stadt Konstanz trifft durchaus auf Verständnis: Wer den Klimanotstand ausruft, muss den Fleischkonsum in Mensen reduzieren dürfen. Es wird auch niemand gezwungen, in die Kantine zu gehen – und zu allen anderen Mahlzeiten können die Eltern ihrem Nachwuchs so viel Schweinehals und Schnitzel servieren, wie sie möchten. „Niemand wird an Unterwurstung sterben“, formuliert eine Kommentatorin süffisant.
Es geht nicht nur um das Mensaessen
Die anderen argumentieren: Zu einer ausgewogenen Ernährung gehört bei Kindern nun mal auch Fleisch. Auch wenn dies teurer ist als rein vegetarische Kost, „sollte Pute oder Huhn ja wohl zweimal pro Woche möglich sein“, findet ein Leser.
Dass ein veganes Curry mit Süßkartoffeln, Wasserkastanien und Zuckerschoten nicht unbedingt den Geschmack von Heranwachsenden trifft, es unter Schülern sowieso zum guten Ton gehört, über die Mensa zu meckern und viele lieber den Döner um die Ecke holen, gehört auch zur Wahrheit. Genauso wie die Tatsache, dass der Anteil der Mensa-Esser an den von Apetito belieferten Schulen bereits vor der Umstellung auf klimafreundliche Kost bei unter zehn Prozent lag. Warum also die ganze Aufregung?
Weil es längst nicht mehr nur um die Frage geht, ob ein Kind in der Schule täglich Fleisch konsumieren muss. Die Eltern, die jetzt den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bemühen, haben „Bedenken hinsichtlich einer Politisierung von mit Steuermitteln mitfinanzierter Schulverpflegung“. Auf Eingriffe ins Privatleben durch Politik oder Behörden reagieren viele Menschen allergisch. „Die da oben“ wollen „uns da unten“ vorschreiben, wie wir zu leben haben – das finden viele auch bei Tempo 30, Fahrradstraße und Verpackungssteuer nicht witzig.
Der Umgang hat sich geändert
Der Gang vors Gericht zeigt einmal mehr, dass der Umgang miteinander sich geändert hat. Wer mit einer Note nicht zufrieden ist, lernt nicht etwa vor der nächsten Klausur zielstrebiger, sondern diskutiert mit den Lehrern. Ist es beim Gassenfreitag für wenige Stunden im Jahr ein bisschen zu laut, wird das nicht im Sinne des Gemeinwohls toleriert – sondern eine Initiative zieht vors Verwaltungsgericht. Und jetzt müssen sich Richter also damit befassen, wie viel Fleisch gut fürs Kind ist.
Das alles sind Symptome einer Ego-Zentrierung der Bürger. Die Ellenbogen werden ausgefahren, das Durchsetzen der eigenen Meinung zur Not per Klage eingefordert. Wo bleibt das Aushalten von Konflikten, die konstruktive Diskussion? Spannend wird nun sein, was die landeshöchsten Verwaltungsrichter zum Konstanzer Fleischwunsch sagen. Und dann sollten alle wieder Dampf aus dem Kessel lassen. Denn nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.