Es dürfte ein stürmischer Herbst werden in der Kommunalpolitik. Die Stadt Konstanz ist finanziell schwer angeschlagen, zuletzt tat sich ein sieben-Millionen-Euro-Loch bei der Gewerbesteuer auf. Und es wird möglicherweise nicht die letzte schlechte Nachricht in diesem Jahr bleiben, zumal auch bei der Grundsteuer noch erhebliche Risiken lauern.

Das Problem auf der Einnahmenseite verschärft sich also für die Stadt. Zugleich wird weiterhin munter Geld ausgegeben – das Fahrradparkhaus wurde zuletzt schnell noch eine Etappe weitergebracht, über eine Zurückstellung des Stephansplatzes soll offenbar erst gar nicht diskutiert werden, und auch die 140.000 Euro für die Klimaschutz-Kommunikation wären wohl ohne Zögern ausgegeben worden, hätte der SÜDKURIER den Vorgang nicht öffentlich gemacht.

Jeder Sparvorschlag führt zu Abwehrreflexen

Wie verfahren die Lage ist, lässt sich an zwei Beispielen gut erklären. Beim Hallenbad am Seerhein wird so lange herumgerechnet, bis die Zahlen zeigen, dass sich eine Schließung nicht lohnen würde – obwohl mit dem neuen Schwaketenbad allein mehr Wasserflächen zur Verfügung stehen, als Konstanz vor dem Brand im alten Bad plus im Hallenbad hatte.

Beim Zuschuss für eine kaum noch genutzte Winter-Schiffsverbindung von Wallhausen nach Überlingen nimmt die nachvollziehbare Verärgerung einiger weniger Betroffenen einen so breiten Raum ein, dass jetzt doch noch mal über einen Griff in die Stadtkasse diskutiert werden soll.

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Wie soll es in dieser Situation weitergehen? Wie könnte es gelingen, die Stadtfinanzen so neu zu ordnen, dass nicht den folgenden Generationen unter der Last von Zins und Tilgung jeder Gestaltungsspielraum genommen wird? Und was könnte den unguten Mechanismus „Wir haben zu wenig Geld – also erhöhen wir die Steuern“ durchbrechen? Dafür lohnt es sich, auf die einzelnen Akteure zu schauen.

Was man von der Verwaltung erwarten darf

Da ist zunächst einmal die Verwaltung selbst. Dort gibt es, bis in die Führungsspitze hinein, durchaus unterschiedliche Meinungen, ob es sich bei dem, was die Stadt für ihre Bürger tut, um Pflichtaufgaben handelt oder nicht. Beispiel Schulsozialarbeit: Das ist nach dem Gesetz keine Pflichtaufgabe, wird aber dennoch als solche bezeichnet, weil die Stadt damit eben eine gesellschaftliche Verpflichtung erfülle.

Zweites Beispiel Bodenseeforum: Niemand zwingt die Stadt, ein Veranstaltungshaus mit 2,5 Millionen Euro Defizit zu betreiben, aber bis zum OB hin besteht die Überzeugung, dass die Stadt für Bürger und Wirtschaft so etwas bieten müsse. Oft haben beide Seiten gute Argumente, aber unter diesen Prämissen hat jeglicher Sparwille keine Chance. Hier wäre eine ehrliche, schonungslose Inventur das Gebot der Stunde.

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Wozu sich der Gemeinderat durchringen muss

Mindestens genauso in der Pflicht steht freilich der Gemeinderat. Er beschließt das Budget, und bisher blockieren sich die Fraktionen beim Sparen gegenseitig – auch, weil es der Verwaltungsspitze nicht gelingt, vor öffentlichen Debatten die Reihen zu schließen. Der OB hat keine Hausmacht, das bürgerliche und das links-grüne Lager sind annähernd gleich stark, die Vorstellungen über die Prioritäten sind sehr unterschiedlich.

So treten alle Gruppierungen für ihre jeweiligen Interessen ein und wollen beim Sparen nicht vorpreschen aus Angst, am Ende vor ihren Wählern und Unterstützern auf der Verliererseite zu stehen. Auch die (vielleicht sogar aus guten Gründen) nicht-öffentlich tagende Haushaltsstrukturkommission vermag es nicht, wesentliche Absprachen zu organisieren. Wäre das der Fall, käme das Thema Sparen endlich über Lippenbekenntnisse hinaus.

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Warum Lobbygruppen das große Ganze in den Blick nehmen sollten

Auch die zuletzt weiter erstarkten Lobbygruppen könnten dazu beitragen, dass der Blick stärker aufs große Ganze gerichtet wird. Klar, sie treten für jeweils ihre Interessen ein, aber sie argumentieren eben oft nicht mit den Wünschen ihrer Zielgruppen, sondern führen häufig das Interesse einer wie auch immer gearteten Allgemeinheit ins Feld.

Ob Freunde der Philharmonie, Klimaschutz-Aktivisten oder Stadtsportverband: Ihnen allen sollte klar sein, dass sie mit ihren Wünschen nicht allein sind auf der Welt und ihre Forderungen nicht verabsolutieren. Denn am Ende tragen sie sonst dazu bei, dass die Stadtgesellschaft weiter zerfällt nach dem Muster „wir oder die“. Genau das ist aber der Nährboden für Polarisierung und Sprachlosigkeit.

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Wie die Stadtgesellschaft mit der Lage umgehen kann

Und so kommt es eben auch auf die Stadtgesellschaft in der Breite an. Bisher sind ihr wirklich schmerzliche Spar-Entscheidungen erspart geblieben. Auch, weil die Akteure Verwaltung und Gemeinderat bisweilen wie das Kaninchen wirken, das auf die Schlange starrt. Die Angst vor Entrüstung gerade im digitalen Raum lähmt diejenigen, die unpopuläre Entscheidungen zu treffen haben.

Transparente Kommunikation ist ein Teil der Lösung. Ein mindestens ebenso wichtiger ist aber die Bereitschaft, Veränderung nicht nur bei Bürgermeistern, Amtsleitern und Stadträten einzufordern, sondern sie – notfalls zähneknirschend – als Bürgerin und Bürger selbst mitzutragen.

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Das Rundum-sorglos-Paket auf Steuerzahlers Kosten wird scheitern

Wie gut wird Konstanz also durch die Herausforderungen kommen? Das ist schwer zu sagen. Was jedenfalls nicht funktionieren wird: Mit dem Argument „Wir müssen die Stadtgesellschaft zusammenhalten“ es allen irgendwie recht machen zu wollen. Weil in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs, zurückgehender Einnahmen und Einkommen bei zugleich steigenden Betriebs- und Lebenshaltungskosten die Bereitschaft zurückgeht, das Rundum-sorglos-Paket mit immer weiter steigenden Steuern mitfinanzieren zu müssen.

Die gute Nachricht ist: Eigentlich wissen das alle, die in Verantwortung stehen. Es soll bloß keiner kommen und anschließend behaupten, man habe vor diesem stürmischen Herbst die Unwetterwarnung nicht gesehen: Die orangen Warnlampen blinken unübersehbar.