Es gibt nur wenige Menschen, über deren Leben so viele Filme gedreht worden sind wie über Elisabeth von Österreich-Ungarn. Das erste Leinwandwerk ist bereits 1920 entstanden, 22 Jahre nach ihrem Tod.
Hierzulande ist sie als „Sissi“ bekannt, und das ist schon der erste Fehler: Sie selbst hat sich „Sisi“ genannt. Das Bild der Deutschen von der aus Bayern stammenden Elisabeth wird seit 65 Jahren durch Ernst Marischkas „Sissi“-Trilogie (1955 bis 1957) geprägt, die die eigentlich tieftraurige Geschichte ihrer Ehe mit Kaiser Franz Joseph als farbenprächtig verkitschte Heimatfilmromanze erzählte; Romy Schneider konnte sich diesem Film-Image nur durch ihre Flucht nach Frankreich entziehen.
Ein schiefes Bild
Derzeit entstehen gleich zwei Serien und zwei Kinofilme, die das schiefe Bild zurechtrücken wollen. Großen Anteil an der neuen Sicht auf Sisi hat die Ravensburger Autorin Sabine Thor-Wiedemann. Sie hat sich intensiv mit dem „Mythos Sisi“ beschäftigt und war bis zu ihrem Rückzug von dem Projekt an einer der Serien beteiligt.
An der historischen Figur reizt sie vor allem der psychologische Aspekt. Kaiserin Elisabeth litt ihrer Ansicht nach unter etlichen Problemen dieser Art: „Das war sicher nicht zuletzt eine Reaktion auf die Situation am Hof, aber ihre Depression war wohl auch familiär bedingt.“
Unter anderem habe Sisi deutliche Symptome von Magersucht gezeigt. Außerdem habe die Kaiserin exzessiv Sport getrieben: „Vierzig oder fünfzig Kilometer lange Fußmärsche und bis zu sechs Stunden lange Ausritte waren keine Seltenheit.“ Sie sei ein extremer und auch widersprüchlicher Charakter gewesen: „einerseits sehr auf ihr Äußeres und ihre Wirkung bedacht, andererseits sehr menschenscheu.“

Heute hätte die Kaiserin vermutlich Millionen „Follower“ auf Instagram, Twitter und Facebook. Wie groß das Interesse an ihr ist, belegen die aktuellen Film- und Serienprojekte. In einem österreichischen Drama mit dem Arbeitstitel „Corsage“ spielt die Luxemburgerin Vicky Krieps die vierzigjährige Sisi. Regisseurin Frauke Finsterwalder und ihr Mann Christian Kracht bereiten ebenfalls einen Film vor, Arbeitstitel „Sisi und ich“.
Die Geschichte der Kaiserin (Susanne Wolff) wird aus Sicht ihrer Hofdame (Sandra Hüller) erzählt, Drehbeginn ist 2021. Bereits in diesem Jahr sollen die Dreharbeiten zu einer österreichisch-deutschen Serie beginnen; hiesiger Partner ist RTL. Eine englischsprachige Serie ist ebenfalls in Planung. Für Sisi selbst wäre der Rummel vermutlich ein Déjà-vu. Laut Thor-Wiedemann war sie schon zu ihrer Zeit „ein absoluter Medienstar“.
Wie Prinzessin Diana
Tatsächlich lässt sich Sisi nach Meinung der Autorin in vielerlei Hinsicht mit Prinzessin Diana vergleichen: „Anfangs hielt man sie in Wien für ein unschuldiges Hascherl aus der bayerischen Provinz, aber dann hat man gehofft, dass sie einen besänftigenden Einfluss auf Kaiser Franz Joseph hat.“ Die Habsburger Monarchie sei Mitte des 19. Jahrhunderts ein restriktives Regime gewesen: „eins der letzten absolutistischen Herrscherhäuser in Europa, ohne Verfassung, ohne Parlament, mit zensierten Medien und drastischen Strafen für Majestätsbeleidigungen.“
Sisi, immerhin Tochter eines Herzogs, sei vom höfischen Zeremoniell jedoch völlig überfordert gewesen und krank geworden, aus heutiger Sicht eine psychosomatische Reaktion: „Dass sie später rastlos durch die Welt gereist ist, war sicher auch eine Flucht.“ Andererseits sei Elisabeth „eine sehr moderne Frau und ihrer Zeit in vielerlei Hinsicht weit voraus“ gewesen: „Sie hat sich im Sinne einer Selbstermächtigung emanzipiert und sich der ihr zugedachten Rolle konsequent verweigert. Heute würde man sagen: Sie hat ihr eigenes Ding gemacht.“
Viscontis Meisterwerk
Im Rahmen ihrer Recherche hat die Autorin die meisten Sisi-Filme und auch viele andere Historienfilme angeschaut. Der Wahrheit am nächsten kommt ihrer Ansicht nach „Ludwig II.“ (1972). Dass Luchino Viscontis Film heute als Meisterwerk gilt, liegt auch an Romy Schneider: Sie schlüpfte für den italienischen Regisseur ein weiteres Mal in die Rolle Elisabeths und durfte Sisis facettenreicher Persönlichkeit nun auch gerecht werden.
Eine Verurteilung der Marischka-Reihe wird man von Thor-Wiedemann trotzdem nicht hören: „Die Filme waren gar nicht so schlecht; es gibt ja Gründe dafür, warum sie nach wie vor so beliebt sind und jedes Jahr wiederholt werden. Allerdings nehmen sie es mit der Korrektheit der historischen Ereignisse nicht so genau. Die Trilogie zeigt ein sehr idealisiertes Bild der Beziehung zwischen Elisabeth und Franz Joseph.“