Ingeborg Jahrenaus

Trug Tim eine so helle Hose nie mit Gurt? Die Antwort darauf dürfte mindestens so schwer zu ergründen sein wie die Bedeutung folgender Geschichte aus unserem benachbarten Bundesland: Franz jagt im komplett verwahrlosten Taxi quer durch Bayern.

Hoffentlich fragen Sie sich jetzt, was das soll. Dann nämlich haben Sie bereits den Weg in die Wunderkammer unserer deutschen Sprache gefunden. Ob Tim nämlich seine Hose mit oder ohne Gurt trägt, ist natürlich ebenso nebensächlich wie der Zustand eines Taxis in der bayrischen Provinz. Die beiden Sätze tragen ein anderes Geheimnis in sich. Welches das ist, sei am Ende dieses Textes verraten, bis dahin dürfen Sie noch ein bisschen rätseln.

Homograf

Vorerst wollen wir uns jenem merkwürdigen Firmenwagen eines Heizungsinstallateurs widmen, der laut Schriftzug nur einmal in der Woche – nämlich an Montagen – unterwegs ist. Das Problem ist bereits seit 1972 bekannt. Damals weckte die Olympia-Metropole München mit ihrem Slogan „München wird modern“ versehentlich Assoziationen an einen Fäulnisprozess: Sollen wir „modern“ nun mit Betonung auf dem O oder dem E aussprechen?

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„Homograf“ nennt die Sprachwissenschaft solche Wörter, die je nach Aussprache ganz unterschiedliche Bedeutungen offenbaren können. So geht es natürlich dem Installateur keineswegs um einen Wochentag, sondern vielmehr um seine Tätigkeit des Montierens, wie auch die weibliche Heldin, also eine „Heroin„, wenig zu tun hat mit dem Rauschgift Heroin.

Der Duden-Verlag hat die schönsten Beispiele für solche Kuriositäten gesammelt und dabei auch den in unserer Region wohl bekanntesten Fall eines Homografen aufgespürt: die Stadt Konstanz, deren Name bekanntlich für Beständigkeit steht, sobald man die Betonung auf die zweite Silbe legt.

Anagramm

Eine andere Gemeinsamkeit verbindet vermeintlich grundverschiedene Begriffe wie „technisieren“ und „einschreiten“ oder auch die „Grundbesitzerin“ mit dem „Zubringerdienst“. Und mag auch das schönste „Gartenbeet“ irgendwann „abgeerntet“ werden, so liegt die Verwandtschaft beider Wörter eben nicht in der landwirtschaftlichen Tätigkeit, sondern in ihrer sprachlichen Struktur. Es handelt sich nämlich um sogenannte Anagramme: Die Umstellung von Buchstaben ergibt ein neues Wort.

Und je kürzer dieses ist, desto leichter lässt es sich als Anagramm erkennen – zum Beispiel bei „Achse“, woraus sich eine „Sache“ oder auch „Asche“ kreieren lässt. Aus der Ampel wird sowohl die Lampe als auch die Palme und aus Eifersucht die Schufterei. Unter Autoren ist das Anagramm ein beliebtes Verfahren zur Herstellung von Pseudonymen, der Dichter Otto Flake etwa publizierte gern unter dem Namen „Leo F. Kotta„.

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Apropos Personennamen

Dass viele von ihnen als sogenannte Eponyme Eingang in unseren täglichen Sprachgebrauch gefunden haben, ist den meisten bewusst. Hätte der Erfinder des modernen Luftschiffs anders geheißen, würden wir heute beim Anblick eines über dem Bodensee kreisenden Exemplars wohl kaum von einem Zeppelin sprechen, sondern von einem Müller, Maier oder Schulze. Weniger bekannt ist aber, dass sich auch Wörter wie der „Boykott“ oder das „Sandwich“ lebenden Persönlichkeiten verdanken.

Anders als der vielbeschäftigte 4. Earl of Sandwich (1718-1792), der mit seiner Fast-Food-Kreation sein Zeitproblem löste, war der Gutsverwalter Charles Cunningham Boycott (1832-1897) keineswegs Erfinder der nach ihm benannten Verweigerungspolitik, sondern im Gegenteil deren erster Leidtragender. Ähnlich erging es dem hochrangigen Beamten Étienne de Silhouette (1709-1767), der wegen seiner Schattenexistenz so lange verspottet wurde, bis das Wort „Silhouette„ sogar in die deutsche Sprache Eingang fand.

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Vokalanhäufung

Mit Aussprache solcher entlehnten Wörter tut sich noch heute manch einer schwer, dabei hat die deutsche Sprache kaum weniger Eigentümlichkeiten parat. So findet sich in erstaunlich vielen Wörtern die Abfolge von fünf Vokalen hintereinander. Das gilt für die „Bioeier“ wie für die „Donauauen“ oder den „Treueeid“. Das Wort „Teeeier“ bringt sogar das Kunststück fertig, drei mal hintereinander den Buchstaben E unterzubringen.

Was also hat es nun mit dem Hosenbesitzer Tim auf sich? Und was mit dem Taxifahrer Franz? Was letzteren betrifft, so handelt es sich bei dem zitierten Satz um ein sogenanntes Pangramm: Sämtliche 26 Buchstaben des Alphabets sind in ihm enthalten – bei nur 51 Buchstaben insgesamt. Bleibt noch die Frage, worin die Besonderheit der Eingangsfrage besteht. Kleiner Tipp: Lesen Sie den Satz mal rückwärts.

„Kleines Kuriositätenkabinett der deutschen Sprache“, Duden Verlag: Berlin 2020; 127 Seiten, 10 Euro.