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Herr Herrmann, Sie sind der Deutsche, der bisher am schnellsten die Welt in einem Segelboot umrundet hat. Wie fühlt sich das an?

Ich bin stolz drauf. Es ist auch ein Privileg, so ein tolles Boot segeln zu können. Es gibt nur zwei große Renntrimarane dieser Art, Spindrift und Idec. Ich war auf der Idec, wir hatten eine fantastische Reise um die Welt. Wir hatten das Gefühl, wir können noch schneller sein, wenn wir mehr Glück mit dem Wetter haben, und deswegen starten wir diesen Winter wieder (Anm. d. Red.: Ein erster Versuch diesen Winter scheiterte am Wetter und wurde abgebrochen. Ein weiterer Versuch soll folgen, allerdings dann ohne Boris Herrmann, der schon mit der Vorbereitung auf die Vendée Globe 2020 beginnen will).

Wie lang und wie breit ist die Idec?

Die Idec ist 30 Meter lang und 25 Meter breit.

Bei der Vendée Globe starten 29 Segler, um die Welt allein zu umrunden. Das ist auch Ihr Ziel. Was reizt einen Menschen, mutterseelenallein in rund 80 Tagen im Wettkampfmodus um den Globus zu brettern?

Das ist ein logischer Schritt in der Karriere eines Seglers. Wir sind über den Atlantik gesegelt, alleine und mit Mannschaft, im Rekordmodus, im Regattamodus, an die zehn Male mittlerweile. Ich bin vier Mal um die Welt gesegelt. Mit Mannschaft, zu zweit nonstop, in Etappen, bei der Trophée Jules Verne und der Barcelona World Race. Dann ist die Vendée Globe ganz einfach die große Herausforderung, die ganz oben auf der Liste steht.

Es heißt, die Segler schlafen über die Renndistanz im Schnitt fünf Stunden pro Tag. Wie managed man den Schlaf? Diese Erfahrung haben Sie ja noch nicht gemacht.

Ich bin zweimal alleine über den Atlantik gesegelt. Da ist das Schlafmanagement ähnlich. Das eine war 21 Tage, das andere 17 Tage. Man schläft in kurzen Etappen und richtet sich danach, was das Boot von einem verlangt, wenn sich das Wetter ändert. Man hat also keinen festen Schlafrhythmus.

Wie vermittelt man seinen Angehörigen, dass man mal weg ist für drei Monate. Hält das eine Beziehung aus? Wie sagt man es den Kindern?

Kinder habe ich noch nicht. Aber meine Beziehung hält das aus. Meine Freundin unterstützt mich, und sie verfolgt das auch aktiv als Lehrerin mit ihrer Schulklasse. Wenn man das Abenteuer auch teilt und erlebt, dann kann man das gut verbinden.

Die Kinder haben das ja schon vor einem Jahr erlebt, als Sie unterwegs waren. Die denken doch, das kennen wir doch schon. Oder ist es eine andere Klasse?

Das ist die gleiche Klasse, aber die sind begeistert gewesen letztes Mal auch angesichts des Match-Race, was wir mit Spindrift hatten (Spindrift startete fast zeitgleich auf Rekordfahrt wie die Idec. Anm.d.Red.) und freuen sich schon und warten, bis es wieder los geht.

Sie sind mit dem Amerikaner Ryan Breymaier schon um die Welt gesegelt beim Barcelona World Race 2011. Bei der Vendée Globe sind die Skipper allein. Ist das vielleicht sogar leichter, weil man sich zu zweit doch irgendwann auf die Nerven geht?

Da ist durchaus was dran. Zu zweit so ein intensives Rennen hundert Tage ist eine mentale Herausforderung für beide Segler beim Barcelona World Race, so gut sie sich noch kennen und vertragen mögen. In unserem Fall hat das alles gut geklappt. Aber es ist trotzdem anstrengend und man atmet danach erstmal durch, geht sich für eine Weile aus dem Weg. Ryan und ich sind heute beste Freunde, und wir verfolgen beide den Traum, auch diese andere Herausforderung, das alleine zu machen.

Würden Sie mit ihm nochmal losziehen?

Ja. Ich bin mit ihm auch letztes Jahr sehr viel gesegelt. Wir haben drei Weltrekorde aufgestellt auf dem Trimaran, der später Idec geworden ist. (Die Boote ändern in Abhängigkeit der Sponsoren ihren Namen. Anm.d.Red.).

Aber nicht zu zweit.

Nein, zu sechst. Und wir sind auch mit neun Leuten um Amerika gesegelt in 47 Tagen.

Der älteste Teilnehmer bei der Vendée Globe ist der Amerikaner Rich Wilson mit 66 Jahren. Sie sind 35 Jahre alt, Sie können sich mit der Teilnahme an der Vendée Globe noch etwas Zeit lassen, oder?

Ja, das ist das Schöne am Segeln. Der Skipper von der Idec Francis Joyon ist auch 60 geworden letztes Jahr und in bester Form, einer der stärksten von uns sechs an Bord. Das ist einfach toll beim Segeln, dass man schon mit 30 nicht am Ende der Karriere ist.

Skipper aus zehn Nationen sind an der Vendée Globe dabei dieses Mal. Aber wieder kein Deutscher. Warum klappt das nicht?

Ich glaube, dass es nächstes Mal klappt. Ich bin sicher, dass ich 2020 am Start sein werde. Wenn wir mehrere Kandidaten haben, die das mit ausreichend Nachdruck versuchen, dann wird es auch klappen. Es hätte ja schon fast geklappt in der Vergangenheit mit dem Sponsor „Mare“. Es gibt absolut keinen Grund, dass wir nicht auch Deutsche am Start haben.

Fehlt es an Sponsoren?

Wir haben genug Unternehmen in Deutschland, die so etwas machen könnten. Wir haben auch eine große Begeisterung für den Segelsport. Wir müssen nur dieses Rennen wirklich nach Deutschland rüberbringen. Dadurch, dass noch nie ein Deutscher teilgenommen hat, ist es noch nicht so bekannt.

...und weil kein Deutscher dabei ist, wird darüber wenig berichtet. Ein Teufelskreis.

Genau. Und den durchbrechen wir einfach in den nächsten vier Jahren, und dann ist das Thema auch im Segel-Deutschland bekannt.

Der Fußballer Mats Hummels ging für eine Transfersumme von 35 Millionen Euro zum FC Bayern. Ein durchschnittliches Vendée Globe Budget über vier Jahre liegt bei acht Millionen Euro. Kommt da ein bisschen Neid auf die Fußballer auf, wenn man als Hochsee-Segler Sponsoren sucht?

Nein. Ich liebe zu segeln, ich spiele auch gerne Fußball. Aber ich will mein Geld mit dem Segeln verdienen. Wir brauchen soviel Budget, dass wir unser Boot ausrüsten können, dass wir gut davon leben können und dafür brauchen wir keine 35 Millionen Euro. Ich denke, mit sechs Millionen Euro kann man schon eine ganz gute Kampagne finanzieren.

Sie haben schon sehr schöne Reportagen von unterwegs verfasst. Bereits beim letzten Start der Vendée Globe vor vier Jahren sagten Sie, dass Sie gern mal ein Buch schreiben würden.

Ich bräuchte einfach ein bisschen mehr Zeit. Ich hätte wirklich Lust dazu. Ich habe inzwischen auch einen tollen Verlegerfreund in Hamburg kennengelernt, der auch mitmachen würde. Jetzt müssen wir nur noch die Zeit finden. (Anmerkung der Redaktion: Mittlerweile ist sein Buch erschienen. Es heißt „Nonstop – Süchtig nach Segeln“ und ist im Delius-Klasing-Verlag erschienen).

Im September 2015 ist zum ersten Mal ein Segelboot durch die Nordostpassage von Murmansk an die Beringsee gefahren. Sie waren mit an Bord. Der Skipper von damals, der Chinese Guo Chuan, ist im Oktober bei einer Einhand-Rekordfahrt über den Pazifik verschollen. Was war er für ein Mensch? Sie hatten ja Pläne, mit ihm den Barcelona World Race zu bestreiten.

Genau. Ich kenne ihn ganz gut. Er ist ein fantastischer Segler und Freund gewesen, ein sehr warmherziger Mensch. Es war toll Teil seines Projekts in der Nordostpassage. Es ist ein großer Verlust für die Segelgemeinschaft. Für die engen Freunde und für die Familie habe ich größtes Beileid.

Hat die Nachricht über sein Verschwinden Sie ins Grübeln gebracht über Ihre eigenen Segelpläne?

Nein. Risiken gibt es immer, bei allen Aktivitäten, im Stadtverkehr oder sonst wo. Ich würde davon absehen, zu spekulieren, was da passiert ist. Wir können es einfach nicht wissen. Er muss irgendwie über Bord gefallen sein. Warum und wie genau kann man jetzt einfach nicht rekonstruieren.

Abschließende Frage: Bei der nächsten Vendée Globe sind Sie am Start. Definitiv?

Genau. Definitiv.

Fragen: Roland Wallisch