Amanda Dietrich steht ihre Frau – und das kommt Frauen zugute, die das gerade nicht können – die geschwächt sind von einer Krankheit oder einer Schwangerschaft, die in die Klinik oder die Reha müssen oder eines ihrer Kinder ins Krankenhaus begleiten, während die Geschwister zu Hause sind. An diesem Morgen arbeitet die Dorfhelferin in der Küche der Familie Eschenfelder in Hohenbodman.

Linda ist am Vormittag noch einmal eingeschlafen, so müde war die Kleine von der Hitze am Tag zuvor, an dem die Zweijährige ihren Mittagsschlaf hatte ausfallen lassen. Jetzt vergräbt sie, den Schnuller im Mund und das kleine Stofftier-Schweinchen in der Hand, ihren Kopf am Hals ihres Vaters, der mit ihr auf dem Arm die Treppe herunter kommt.

Der 38-Jährige, der in einem Steuerbüro im Deggenhausertal arbeitet, ist auf dem Sprung zur Arbeit. Er ist froh, dass Amanda Dietrich seit neun Wochen jeden Tag für acht Stunden ins Haus kommt, um sich mit Linda zu beschäftigen, auf sie achtzugeben, einzukaufen und den Haushalt zu führen. „Eigentlich müssten es mehr als acht Stunden sein“, sagt er, denn er sollte 8 Stunden arbeiten, braucht aber schon eine Dreiviertelstunde Zeit für den Weg ins Büro und zurück. Zum Glück habe er einen Chef, der großes Verständnis für seine Situation habe.
Anfang April hatte seine Frau einen Bandscheibenvorfall.

Zunächst konnte sie sich noch bewegen, doch kurz darauf verschlechterte sich ihr Zustand so sehr, dass sie von einem Tag auf den anderen nur noch liegen konnte. Zum Glück hatte sie im Familientreff im nahegelegenen Owingen erfahren, dass es in solchen Situationen, die Möglichkeit gibt, die Hilfe einer Dorfhelferin zu beantragen. Wenige Tage später war die Genehmigung der Krankenkasse da und Amanda Dietrich klingelte morgens an der Tür.

Früher wohnten die Dorfhelferinnen wie Pfarrer und Lehrer am Ort und halfen vor allem auf Bauernhöfen, wenn dort die Frauen ausfielen. „Dorfhelferinnen können eigentlich auch melken“, sagt sie. Das könne sie zwar nicht, aber eine Großfamilie zu versorgen, ist für sie als gelernte Hauswirtschaftsmeisterin kein Problem. Zunehmend ist sie jedoch in städtischen Haushalten sowie bei Migrantenfamilien.
„Am Anfang war ich immer aufgeregt, was mich erwartet“, erinnert sie sich. Doch inzwischen bringt es sie längst nicht mehr aus der Ruhe, wenn sie am Freitag noch nicht weiß, wo sie am Montag im Einsatz sein wird. Seit 18 Jahren hilft sie Familien in Not, und jedesmal ist sie offen und bereit, sich auf eine neue Familiensituation einzustellen. Sie unterhält sich mit den Eltern, fragt, was ihnen wichtig ist und versucht in der Zeit, in der die Mutter nicht da ist, das Leben zu Hause für die Kinder so gewohnt wie möglich weitergehen zu lassen. Und sie lässt den Kindern Zeit, sich an sie zu gewöhnen.
„Es ist wichtig, dass man sich gut einfühlen kann“, sagt Amanda Dietrich
Immer wieder hat sie es erlebt, dass die Kinder erst einmal krank werden, wenn die Mütter fehlen. Das war bei Linda zum Glück nicht der Fall.
Wenn Amanda Dietrich in ihrer Station nicht genügend Einsätze hat, plant Christa Riffler sie ein, die verantwortlich ist für die Region Bodensee-Hohenzollern des Dorfhelferinnenwerks Sölden e.V. – und damit für 20 Stationen mit 60 Dorfhelferinnen in den Landkreisen Konstanz, Bodensee, Sigmaringen sowie Tuttlingen und Hechingen. Träger der Stationen sind entweder die Sozialstationen, die Kirche oder die Gemeinde selbst. „Jede Station plant ihre Einsätze selbst und meldet sich nur bei mir, wenn Dorfhelferinnen noch freie Stunden haben“, sagt sie. So kann es sein, dass Amanda Dietrich auch mal weiter fahren muss. Es kommt auch vor, dass sie an einem Tag bei zwei oder drei Familien vorbeischaut, jede mit ihren ganz eigenen Bedürfnissen und Gewohnheiten.
Inzwischen ist Linda richtig wach, hat ihren Vater mit einem Küsschen verabschiedet und will malen. Sie klettert auf den Hochstuhl und Amanda Dietrich schiebt sie an den Tisch.

Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man sie für eine Freundin oder nahe Verwandte der Familie halten, so vertraut ist der Umgang der beiden nach den Wochen, in denen die Dorfhelferin jeden Tag bei der Familie ein und aus geht.
Die 60-Jährige weiß, dass die Kleine Katzen mag, wie ihre Kuscheltiere heißen, dass sie gerne Spätzle und Pfannkuchen isst und Rosinen liebt. Elisabeth Eschenfelder hat sie gebeten, sich mittags mit ihrer Tochter ins Bett zu legen und ihr vorzulesen, bis sie eingeschlafen ist – so wie sonst auch. Sobald die Kleine schläft, schleicht Amanda Dietrich in die Küche, spült, räumt auf, putzt das Bad oder legt die Wäsche zusammen. „Wir machen alles, was die Mamas sonst machen“, sagt sie.
Mittags spazieren die beiden zum nahen Spielplatz, von dem sich der Blick weitet bis zum Bodensee.

Später fährt sie mit der Kleinen in ihrem Auto zur Reha-Klinik die Mutter besuchen, die am nächsten Tag nach Hause kommt. Die Krankenkasse hat den Einsatz der Dorfhelferin für vier Wochen verlängert, aber nur noch für vier Stunden pro Tag. Jetzt fährt Amanda Dietrich zusätzlich dreimal pro Woche für zwei Stunden nach Überlingen zu einer Schwangeren, die sich schonen muss.
Nicht immer sind die Einsätze so problemlos wie bei Eschenfelders
Sie erinnert sich an eine Frau, die alkoholabhängig war und deren Ehe vor dem Aus stand. Als sie eine Entziehungskur machte, versorgte Amanda Dietrich ihre beiden Kinder, sieben und neun Jahre alt – auch als die Mutter an Krebs erkrankte. In der Nacht, als sie im Hospiz starb, war die Dorfhelferin bei ihr und fuhr morgens zu ihrer Familie, damit der Ehemann Abschied nehmen konnte. „Ich habe die Mutter sehr gemocht“, sagt sie. „Es war schwer, mit den Kindern Kleider für die Beerdigung kaufen zu gehen. Aber wer hätte es sonst machen sollen?“
Wann helfen Dorfhelferinnen?
- In Familien mit Kindern: Dorfhelferinnen kommen, wenn ein oder mehrere Kinder unter 12 bzw. 14 Jahren (je nach Krankenkasse) im Haushalt leben und der haushaltsführende Teil ausfällt.
- Bei Risikoschwangerschaften oder nach der Entbindung, wenn die Mutter wegen eines Unfalls oder einer Erkrankung ausfällt.
- Klinikaufenthalt: Wenn die Mütter in Reha müssen oder zur Kur, bzw. in der Klinik sind wegen eines Unfalls oder einer Krankheit, ein Geschwisterkind ins Krankenhaus begleiten oder wegen körperlicher oder seelischer Überforderung vorübergehend Entlastung brauchen. Auf Höfen helfen die Mitarbeiterinnen auch, wenn keine Kinder im Haushalt leben.
- Antrag: Die Hilfe im Haushalt ist bei stationärer oder ambulanter Behandlung und bei Schwangerschaft oder Entbindung eine gesetzliche Leistung der Krankenkassen. Der Arzt muss dafür ein ärztliches Attest ausstellen. Seine Angabe, wie viele Stunden Hilfe die Familie braucht, ist für die Entscheidung der Krankenkasse wichtig.
- Stationen: Das Dorfhelferinnenwerk Sölden e.V. betreibt 80 Dorfhelferinnenstationen von der Ortenau über den Hochschwarzwald bis nach Hohenzollern, vom Markgräflerland über den Hochrhein bis zum Bodensee. Infos: http://www.dorfhelferinnenwerk.de