„Einer unserer User hat gefragt, was er tun solle, wenn vom Sitznachbarn im Büro ein strenger Geruch ausgeht.“ Auf dem japanischen Businessportal „Partners“, wo sich das Land über Wünsche, Sorgen und Probleme aus der Arbeitswelt austauscht, sorgte diese Angelegenheit vor Kurzem für große Aufmerksamkeit. „In letzter Zeit ist dies ein übliches Thema geworden“, kommentierten die Moderatoren auf der Website, weshalb sie gleich eine ausführliche Beratung draus machten. Titel: „Was ist ‚sumehara‘?“
Geruchsbelästigung zählt zu den fünf häufigsten Belästigungsarten
Der Begriff wird auch gleich erläutert: Es handle sich um die Kurzform von „sumeru harasumento“, also die japanisierte Form des Anglizismus „smell harassment“, was auf Deutsch so viel wie „Geruchsbelästigung“ bedeutet. „Sumehara“ zählt in dem ostasiatischen Land tatsächlich zu den größeren Sorgen. Das Marktforschungsinstitut Planet fand heraus, dass „sumehara“ zu den fünf typischsten Belästigungsarten in Japan gehört. Noch häufiger sind nur die Macht-Ausnutzung, sexuelle Belästigung, die Diskriminierung von Müttern am Arbeitsplatz sowie Mobbing.
Shota Ishida kennt das Problem von der anderen Seite. „Das Gefühl, dass ich streng riechen könnte, hat mich immer wieder beschäftigt“, sagt der 30-jährige Unternehmer aus Tokio in einem Videocall. Aus seiner Sorge hat Ishida ein Geschäft gemacht. Seit 2018 verrät die Frage nach dem unangenehmen Körpergeruch sein Startup Odorate.
Der Betrieb hat sich darauf spezialisiert, Körpergerüche herauszufiltern und zu bewerten. Der Name setzt sich zusammen aus „odor“, Latein für Geruch, und „rate“, Englisch für bewerten. Und es scheint, als hätte der im Gespräch eher schüchtern wirkende Shota Ishida damit offene Türen eingerannt. Das Geschäft läuft. Um die 1400 Tests für je 15.000 Yen (rund 115 Euro) hat Odorate seit der Gründung vor drei Jahren bis jetzt durchgeführt. Seinen Kunden schickt Ishida ein luftdicht verpacktes, geruchsneutrales T-Shirt, dazu ein Fläschchen mit Aktivkohle im Deckel. Die Kohle kleben die Kunden unter das Hemd, tragen es 24 Stunden lang und schicken es zurück an Odorate.
Analysemaschine bewertet Körpergeruch auf einer Skala von 1 bis 5
In einem Ein-Raum-Labor im Tokioter Vorort Wako erhitzt Ishida das Shirt, um zu erkennen, an welchen Stellen sich Gerüche befinden. Dann gibt er eine Flüssigkeit namens Dichlormethan drauf und legt es in einen Ultraschallbehälter. Anschließend lösen sich die Geruchsstoffe auf, können mit einer Spritze herausgelöst und in eine Analysemaschine gegeben werden. Die untersucht das Shirt auf 25 chemische Stoffe, die etwa in miefenden Achseln vorkommen. Eine Stunde später zeigt ein Bildschirm daneben einen Wert zwischen Null und Fünf an. „Null bedeutet völlig geruchsneutral, ab drei dürften Personen im Umkreis etwas wahrnehmen“, erklärt Ishida. „Bei eins und zwei bemerkt man den Geruch erst aus unmittelbarer Nähe.“
Viele Firmen bieten ähnliche Produkte. Wobei es nicht immer um einen frischen Duft geht. „Die Menschen in Japan wollen möglichst gar keinen Geruch haben“, sagt Shota Ishida. So kommt es, dass Kosmetikprodukte in Japan eher mild sind. Und dass man als Ausländer mit dem Spruch gelobt werden kann: „Du riechst ja gar nicht.“