Bloß keine Panik! Landauf, landab warnen Epidemie-Experten vor Hysterie. Ein guter Ratschlag, vielleicht der vernünftigste von allen. Dennoch reicht er nicht aus, um die Seuche in den Griff zu bekommen. Mitte Dezember hat sich an einem Marktstand in der chinesischen Millionenstadt Wuhan erstmals ein Mensch mit dem Coronavirus angesteckt. Gut zwei Monate später hustet die ganze Welt. Die Weltgesundheitsorganisation spricht von einer „sehr heiklen Situation“. Auch in Deutschland, so warnen Ärzte, könnte die Lage ungemütlich werden.

Die Besorgnis vieler Bürger ist deshalb nachvollziehbar. Inzwischen sind mehr als 40 Länder betroffen. In Europa breitet sich die Lungenkrankheit rasant aus, der Norden Italiens ist zum Hochrisikogebiet geworden. Deutschland meldet inzwischen fast 50 Infektionen. Auch in unserer Region zwischen Schwarzwald und Alpen ist das Virus angekommen. Und nun? Sollen wir uns mit Mundschutzmasken in unseren Wohnungen verbarrikadieren, die Apotheken plündern und die Kinder nicht mehr zur Schule schicken? Sicherlich nicht. Dennoch bleiben Fragen, wenn die Schweiz den Genfer Autosalon absagt und Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern verbietet, wogegen in Deutschland ungerührt die Fasnacht durchgezogen wurde. Bislang hat jedes Land seine eigene Anti-Corona-Strategie – obwohl der Erreger an Staatsgrenzen nicht haltmacht.

Wie gefährlich ist das Virus wirklich?

Das Tückische an dieser Epidemie ist, dass niemand sagen kann, wie gefährlich das Virus wirklich ist. Deshalb gibt es auf die Frage, ob strengere Vorkehrungen notwendig sind oder ob der Fall hoffnungslos aufgebauscht wird, derzeit keine seriöse Antwort. Unstrittig ist: Gewöhnliche Grippewellen fordern in Deutschland Jahr für Jahr mehr Todesopfer als Corona, bisher wenigstens. Doch mit dieser Krankheit können Ärzte und Patienten umgehen. Es gibt Medikamente, Impfstoffe, Erfahrungswerte.

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Bei Corona ist dies nicht der Fall. Deshalb ist die Nervosität ungleich größer. Nicht einmal die Risikogruppen sind bekannt. Hat sich jemand erst einmal infiziert, spielt es kaum mehr eine Rolle, wo auf der Welt er sich befindet: Er muss nur ins Flugzeug steigen und die Seuche entzieht sich allen regionalen Kontrollen. In Zeiten der Globalisierung reisen nicht nur Menschen, sondern auch Keime mühelos um den Erdball.

Es gibt Zeichen der Hoffnung

Virus-Epidemien sind deshalb immer auch der Preis für das Zusammenrücken der Völker – von den Pestbeulen des Mittelalters bis zu den großen Plagen von heute. Die Welt wird die Globalisierung deswegen nicht rückgängig machen. Sie muss es auch nicht. Entscheidend ist, ob es gelingt, medizinische Gegenmaßnahmen ebenso zu vernetzen wie die weltweiten Warenströme. Auch wenn viele Länder an eigenen Schutzzäunen werkeln, gibt es Signale der Hoffnung. China hat sich von der Abschottungspolitik früherer Jahre verabschiedet und teilt die Erkenntnisse seiner Seuchenexperten freimütig mit. Die Vereinten Nationen nehmen die Gefahr ernst, schaufeln Gelder frei und versuchen, Programme aufeinander abzustimmen. Das war bei Aids und Sars noch anders. Medizin und Politik haben dazugelernt.

Die wirtschaftlichen Kollateralschäden tragen sicherlich dazu bei, allen den Ernst der Lage klarzumachen. In Chinas Autofabriken stehen die Bänder still, Flugzeuge bleiben am Boden, Schiffe in den Häfen. In Europa werden derweil Messen abgesagt, die Börsenkurse stürzen ab. Diese Sprache versteht jeder. Gesundheitspolitik ist immer auch Wirtschaftspolitik. Sie rechtfertigt aber nicht alles. China kann Millionenstädte abriegeln und 60 Millionen Menschen unter Hausarrest stellen. Städte wie Mailand, Berlin und New York können dies nicht. Demokratische Staaten brauchen andere Strategien, weil ihre Bürger Einschränkungen nur dann mittragen, wenn sie diese verstehen und akzeptieren.

Fußballfans nach Hause schicken?

Und auf die Mitwirkung der Bürger kommt es im Kampf gegen Corona in besonderer Weise an: Dies ist möglicherweise die wichtigste Erkenntnis dieser Krise. Der Staat kann Fußballfans nach Hause schicken – die Schweiz macht es vor. Er kann nach dem Vorbild Japans die Schulen schließen. Er kann Zäune hochziehen, wie die Türkei es an der iranischen Grenze versucht. Es bleiben Gesten behördlicher Hilflosigkeit. Wichtiger ist, dass die Menschen lernen, im Alltag Vorsicht walten zu lassen. Eine Atemschutzmaske braucht dazu niemand. Mehr bringt es, sich die Hände zu waschen, regelmäßig zum Desinfektionsmittel zu greifen und – leider – vorerst auf den Handschlag zu verzichten, wenn man Freunde und Bekannte trifft. Eigentlich eine Banalität. Bei der Abwehr von Seuchen erweisen sich die einfachsten Mittel allerdings oftmals als die wirksamsten.