Bei den Schweizer Parlamentswahlen erzielte die Grüne Partei ein Jahrhundertergebnis: Sie schraubte ihr Resultat bei den Abstimmungen zum Nationalrat, der großen Parlamentskammer, um mehr als sechs Prozentpunkte hoch und kommt auf über 13 Prozent. Die Zahl der Nationalratssitze konnten die Grünen sogar um 17 auf 28 steigern. Nie zuvor habe eine Partei Helvetiens so viele Sitze hinzugewonnen, hieß es. Die Grünen-Präsidentin Regula Rytz gab dem Triumph ein sympathisches Gesicht. Inhaltlich richtete Rytz den Blick nach vorne. Sie appellierte an die anderen politischen Kräfte „einen parteiübergreifenden Zukunftspakt zu schließen“, um das Klima besser zu schützen.
Komplettiert wurde der grüne Coup in der Eidgenossenschaft durch das Abschneiden der anderen Umweltpartei: Der Grünliberalen. Die GLP holte bei den Nationalratswahlen knapp acht Prozent. Zusammen vereinigen die miteinander rivalisierenden grünen Kräfte somit mehr als 20 Prozent der Schweizer Wählerschaft auf sich. Die Grünen siedeln sich politisch eher im linken Spektrum an, sie warnen vor Steuergeschenken an Konzerne und wollen Banken stärker regulieren. Hingegen gelten die Grünliberalen als Anhänger des Marktes. Sie werben für eine „liberale Wirtschaftsordnung und einen flexiblen Arbeitsmarkt“.

Die Grünen profitierten von der Klimawelle, die in den letzten Wochen und Monaten auch die Schweiz erfasst hatte. Bis auf die SVP leistete es sich denn auch keine Partei, die Klimadebatte auszusparen. Der Greta-Moment verhalf den Grünen vor allem bei jungen und neuen Wählern zu Zulauf. Aber auch Wechselwähler
setzten auf die Ökowelle. In der Wirtschaftsmetropole Zürich etwa, wo Rot-Grün seit jeher etabliert ist, verloren die Sozialdemokraten Stimmen an die bürgerlichen Grünliberalen.
Die deutsche Grünen-Chefin Annalena Baerbock hat das Rekordergebnis der Schweizer Grünen bei der Parlamentswahl begrüßt. Die Partei habe ein „historisches, unglaubliches Ergebnis“ einfahren können, sagte sie.
Auffallend war das landesweit gute Abschneiden von Frauen. In den Kantonen Obwalden und Zug wurde sogar Geschichte geschrieben: Die beiden Alpenkantone werden erstmals seit der Einführung des
Frauenstimmrechts in den 1970er Jahren von einer Frau im Nationalrat vertreten sein. Der Kanton Uri wählte zum ersten Mal eine Frau in den Ständerat.
Die Zauberformel
Die Schweiz ist in vielen Dingen anders – auch in der Politik. Das für die meisten Demokratien typische Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition kennt das politische System der Schweiz nicht. Vielmehr sind stets alle großen Parteien in der Regierung – dem siebenköpfigen Bundesrat – vertreten, entsprechend ihren Stimmenanteilen. 1959 wurde dieses System eingeführt, seit 2015 gilt dabei der Verteilschlüssel 2:2:2:1. Konkret: Die drei größten Parteien erhalten zwei Minister, die viertgrößte erhält einen Minister. Diesen Verteilschlüssel nennt man in der Schweiz Zauberformel. Dahinter steht die Idee, alle großen politischen Lager in die Entscheidungsfindung einzubinden, um größtmögliche Ausgewogenheit und Stabilität zu gewährleisten. Von Fachleuten wird diese Übereinkunft Konkordanzsystem genannt.