Der Einmarsch Wladimir Putins in die Ukraine sorgt in Deutschland für Scham und Empörung. Scham darüber, dass die Warnungen der Ukraine vor Putin hierzulande nicht ernst genommen wurden. Und Empörung darüber, dass Russland ein Nachbarland überfällt, Unschuldige sterben und der Glaube an ein friedliches Europa zerstoben ist.

So nachvollziehbar diese Emotionen sind – sie dürfen nicht dazu führen, dass sich die Bundesregierung davon leiten lässt. Aus ihnen speist sich die Forderung, Deutschland und Europa sollen die Einfuhr von Öl, Gas und Kohle aus Russland stoppen, damit sich die Kriegskasse des Kremlherren leert.

Es stimmt, dass Russland durch den Verkauf der Rohstoffe täglich mehrere hundert Millionen US-Dollar einnimmt. Damit kann es zum Beispiel den Kurs des Rubels stützen, der weit niedergegangen ist, und im Ausland Güter kaufen, wo die schwache Heimatwährung nicht als Zahlungsmittel akzeptiert ist.

Militär würde nicht gestoppt

Das Versiegen dieses Geldstroms träfe Russland hart und würde die durch die bereits verhängten Sanktionen ausgelöste Wirtschaftskrise verstärken. Ob das die Unzufriedenheit der Russen mit Putin derart anheizt, dass sie ihn stürzen, kann niemand mit Sicherheit sagen. Dass das russische Militär dadurch gestoppt würde, ist unwahrscheinlich. Die Soldaten werden in Rubel bezahlt, genau wie die Polizisten, die jetzt Demonstranten in Zellen sperren.

Deutlich über zwei Euro pro Liter liegen die Benzinpreise in einer Tankstelle in Berlin-Schöneberg. Diskussionen über einen Importstopp ...
Deutlich über zwei Euro pro Liter liegen die Benzinpreise in einer Tankstelle in Berlin-Schöneberg. Diskussionen über einen Importstopp für Öl aus Russland hat die Ölpreise am Montag auf einen Höchststand getrieben. | Bild: Kay Nietfeld, dpa

Sicher ist hingegen, dass ein Importstopp zu schweren wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen in Deutschland führen würde. Schon der Krieg und die ausgesprochenen Strafmaßnahmen haben dazu geführt, dass die Preise für Öl und Gas sprunghaft zugelegt und den Strompreis mit nach oben gezogen haben.

Autofahrer ächzen an den Tankstellen, erste Stahlwerke und Glashütten stellen wegen der enormen Energiekosten die Produktion ein, die Strom- und Gasrechnung wird für ärmere Haushalte in diesem Jahr zur drückenden Last. Wegen der Kämpfe droht die Ukraine als einer der größten Getreide-Exporteure der Welt auszufallen, weshalb sich der Weizenpreis verdoppelt hat. Brot und Brötchen werden auch in Deutschland deutlich teurer werden.

Das wäre die zweite Wirtschaftskrise

Bereits ohne den Importstopp sind die ökonomischen Kosten der Sanktionen hoch. Das war zu erwarten und sie sind angesichts des russischen Überfalls zu tragen. Auf der Welt gibt es nichts umsonst. Die Selbst-Entkopplung Deutschlands von russischem Gas, Öl und Kohle würde zu einer zweiten Wirtschaftskrise nach dem Corona-Einbruch führen, die allerdings dieses Mal durch eine starke Inflation verschlimmert würde.

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz liegen deshalb richtig, wenn sie diesen Schritt nicht gehen wollen. Für die Ukrainer ist diese Entscheidung zweifellos eine Enttäuschung und wird sie in ihrem Gefühl bestärken, dass die Europäer trotz aller Bekenntnisse an sich denken, wenn es hart auf hart kommt. Sie haben recht damit. Aber andererseits können sie nicht erwarten, dass Deutschland den sozialen Frieden im Inneren aufs Spiel setzt. Die Bundesregierung hat eine Verantwortung für die tapfer um ihre Freiheit kämpfenden Ukrainer, aber sie hat auch eine für die Menschen in Deutschland.

Empörung kann kein Ratgeber für Habeck und Scholz sein. Die über Jahrzehnte aufgebaute Abhängigkeit von russischen Brennstoffen lässt sich nicht über Nacht beenden, so sehr das wünschenswert wäre. Jetzt zu Hause im Kalten zu sitzen, um es Putin zu zeigen, hat hohen symbolischen Wert. Die Heizperiode endet aber ohnehin bald, weshalb die Gasnachfrage automatisch sinkt. Aktionismus ist Politikersatz, aber keine Politik.