Es ist ein mutiger, wegweisender Schritt: Nach 40 Jahren ändert Rheinland-Pfalz sein Bestattungsgesetz. Menschen haben künftig weitgehend die Wahl, nach ihrem Tod so beigesetzt zu werden, wie sie es sich wünschen.

Ab Oktober gelten dort die liberalsten Regelungen in ganz Deutschland: Die Flussbestattung von Totenasche, den Leichnam in einem Tuch beizusetzen, die Urne des Toten zu Hause aufzubewahren oder einen Teil der Asche würdevoll weiterzuverarbeiten und daraus einen künstlichen Diamanten als Erinnerungsstück zu pressen – all das wird möglich sein. Auch darf die Asche außerhalb von Friedhöfen verstreut werden, zum Beispiel im eigenen Garten.

Eine ganz persönliche Frage

Sterben gehört wie die Geburt zu den intimsten Momenten im Leben. Wie man sich die letzte Ruhestätte vorstellt, ist eine höchst persönliche Gewissensfrage, für die der Staat jedem größtmögliche Freiheit zugestehen sollte. Umfragen zeigen, dass das neue Gesetz vielen entgegenkommt, die sich alternative Bestattungsformen wünschen.

Seit vielen Jahren sinkt die Zahl der Erdbestattungen in Deutschland kontinuierlich. Wünschten sich 2004 noch über 60 Prozent der Deutschen eine klassische Bestattung mit individueller Grabpflege auf einem Friedhof, äußern dies heute, gut 20 Jahre später, nur noch 25 Prozent. Fast genauso viele würden ein Verstreuen der Asche in der freien Natur wählen oder die Urne zu Hause aufbewahren wollen. Bis jetzt ist das überall in Deutschland verboten, ebenso wie Teile der Totenasche in Amulette zu füllen. Doch fast 80 Prozent halten das grundsätzlich für in Ordnung.

Die CDU im Landtag kritisiert das Gesetz und fordert: „Keine Modernität zulasten der Pietät“. Doch warum sollte es pietätlos sein, wenn jemand Teile der Asche seines geliebten Partners in ein Amulett einarbeiten lässt, um sie stets bei sich tragen zu können – insbesondere, wenn dies dessen ausdrücklicher Wille war? Oder wenn jemand, der Zeit seines Lebens mit dem Rhein oder der Mosel eng verbunden war, dort täglich spazieren ging und aufs Wasser schaute, dort seine letzte Ruhestätte findet? Schon heute können Urnen in Nord- und Ostsee beigesetzt werden, weshalb nicht auch in Flüssen?

Geste des Respekts für Andersgläubige

Muslime betten ihre Toten traditionell in Tüchern in die Erde. Dass Rheinland-Pfalz und auch Sachsen-Anhalt jetzt nachziehen und die Sargpflicht abschaffen, wie in vielen anderen Bundesländern bereits geschehen, ist eine bedeutende Geste des Respekts für Andersgläubige. Einer der wichtigsten Punkte im neuen Gesetz ist wohl der, dass Krankenhäuser nun verpflichtet sind, Sternenkinder, die vor oder während der Geburt sterben, auf Wunsch der Eltern zu bestatten.

Bei der Art der Bestattung gibt es kein Richtig oder Falsch. Manchem tut es gut, das Grab des Verstorbenen aufzusuchen, ihm dort in Ruhe zu gedenken und danach den Friedhof wieder zu verlassen, um ins Leben zurückzukehren. Mancher möchte die Erinnerung ganz nah bei sich haben. So unterschiedlich Menschen Abschied nehmen, so individuell sind ihre Wünsche für den eigenen Tod. Das sollte man respektieren.

Gespräche über den Tod

Der Tod wird ins Leben geholt, wenn die Menschen mehr Möglichkeiten haben, eine letzte Ruhestätte zu finden. Sie machen sich zu Lebzeiten Gedanken und sprechen im besten Fall mit ihren Angehörigen darüber. Denn dass der Tod zum Leben gehört, bleibt viel zu häufig nur eine Floskel, die für viele erst dann zur bitteren Realität wird, wenn ein naher Angehöriger plötzlich verstirbt.

Die Kirchen sehen die Totenruhe und Würde in Gefahr, wenn die Urne zu Hause aufbewahrt wird oder die Asche verstreut wird. Doch das Verstreuen von Totenasche bleibt den Bestattern vorbehalten. Zudem enthält das Gesetz die wichtige Vorschrift, dass der Verstorbene in einer Verfügung die gewünschte Art der Beisetzung vor seinem Tod festgelegt haben muss. So können Angehörige nicht einfach die Urne mit nach Hause nehmen, um Bestattungskosten zu sparen.

Unsere Gesellschaft verändert sich, ebenso wie Lebensformen und die Vorstellungen darüber, was sich Menschen für sich und ihre Angehörigen nach dem Tod wünschen. Dies geschieht nicht von heute auf morgen. So greift die Befürchtung der Kirchen, die die Friedhofskultur in Gefahr sehen, zu weit. Vielmehr ist es richtig, diesem natürlichen Prozess der Veränderung in der Bestattungskultur Rechnung zu tragen. An vorderster Stelle sollte der Wunsch des Verstorbenen stehen.