Die Ukraine soll 50 Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard erhalten. Schwere Waffen hatte die Ukraine seit Wochen gefordert. Sie benötigt sie dringend, wenn sie dem russischen Angriff weiter standhalten will. Macht uns die Gepard-Lieferung zur Zielscheibe?

Der inzwischen von der Bundeswehr ausgemusterte Gepard ist ein Flugabwehrkanonenpanzer.
Der inzwischen von der Bundeswehr ausgemusterte Gepard ist ein Flugabwehrkanonenpanzer. | Bild: Michael Mandt/Bundeswehr, AFP

Die Angst in den Krieg verwickelt zu werden, ist übertrieben. Deshalb sei die Entscheidung richtig, meint Politikredakteurin Angelika Wohlfrom.

Angst um die eigene Sicherheit oder Verteidigung des Rechts anderer? Darum geht es im Kern bei der Frage, ob Deutschland auch schwere Waffen liefern soll. Denn damit steigt – zumindest in der Theorie – das Risiko, selbst in den Krieg verstrickt zu werden.

Angst oder Moral? Möglicherweise aber ist dies auch gar kein Widerspruch: Wenn Putin jetzt nicht auf entschlossenen Widerstand trifft, wird er dann wirklich an der ukrainischen Grenze Halt machen, oder wird er auf andere ehemalige Sowjetrepubliken zugreifen? Die Möglichkeit besteht durchaus, das belegen Äußerungen aus der russischen Führung. In diesem Fall aber gebietet es auch die eigene Angst, das Recht der Ukrainer auf Selbstverteidigung zu unterstützen.

Putin sucht sich schon selbst einen Vorwand

Wie groß ist das Risiko, selbst zur Zielscheibe werden denn überhaupt? Formal wird Deutschland auch mit der Panzer-Lieferung nicht Kriegspartei, das wäre rechtlich erst der Fall, wenn wir aktiv in Kriegshandlungen eingreifen würden. Tatsächlich aber ist Putin das Recht sowieso egal, wie er mehrfach bewiesen hat. Sollte er tatsächlich Nato-Staaten angreifen wollen, wird ihm irgendein Vorwand genügen. Doch auch der Kremlchef weiß, was daran hängt: Er würde einen dritten Weltkrieg riskieren. Wegen ein paar Dutzend ausgemusterter Gepard-Panzer? Sicherlich nicht.

Despoten wie Putin begegnet man am besten mit Entschlossenheit, alles andere versteht er nur als Schwäche. Nur gut, dass andere Nato-Staaten das besser verinnerlicht haben als wir.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine ist ein Fehler, meint dagegen Politikredakteur Nils Köhler. Der Politik fehle ein Plan B. Das könne fatal sein.

Schritt für Schritt wird die Nato, wird die EU, wird Deutschland in einen Krieg gegen Russland hineingezogen. Und der Ausgang ist offen. Waren es anfangs noch die zu Recht belächelten 5000 Helme aus Beständen der Bundeswehr, so schickte Berlin nach der viel zitierten Zeitenwende Panzerfäuste und schweres Gerät über ehemalige Ostblockstaaten an die ukrainischen Truppen, die in ihrer Heimat mit dem Rücken zur Wand stehen. Inzwischen geht es um weit mehr – um gepanzerte Fahrzeuge, um Panzer, um High-Tech-Haubitzen made in Germany.

Zu komplex, um nützlich zu sein

Einzelne erfahrene Militärs sehen in der Lieferung von schweren Waffensystemen des Westens eher blanken Aktionismus. Sie seien zu komplex, heißt es, als dass sie in kurzer Zeit auf ukrainischer Seite erfolgreich eingesetzt würden. Die Kämpfer bräuchten flexiblere Waffen, um die schon erfolgreiche Guerilla-Taktik anzuwenden.

Weitaus schwerer wiegt aber noch etwas anderes. Und das wird gern von einstmals friedensbewegten grünen Politikern beiseite gewischt: Die Drohungen Moskaus mit Atomwaffen sind durchaus real. Wozu wäre Putin nach den Gräueltaten von Butscha und Mariupol noch imstande?

Diesen berechtigten Sorgen nur mit schweren Waffen entgegenzuwirken, in der Hoffnung auf ein militärisches Ausbluten des Aggressors ist ein riskantes Spiel, der Konflikt kann über Nacht aus dem Ruder laufen. Es ist zwingend, dass die Nato einen verlässlichen Draht in den Kreml hat. Und dass dem Westen nicht der Realitätssinn abhanden kommt.